Der Hamburger SV ist mit der Hoffnung nach München gefahren, vielleicht etwas mitnehmen zu können und kam nach einer beispiellos indiskutablen Vorstellung mit 2:9 unter die Räder. Das Debakel wirft viele Fragen auf. Trainer, Mannschaft und das Selbstverständnis des Klubs stehen auf dem Prüfstand.
Es ist wenig originell, mit den üblichen, ein sportliches Debakel begleitenden Begriffen um sich zu werfen. Natürlich darf man dem HSV gerne Arbeitsverweigerung vorwerfen, mangelnde Einstellung und fehlendes Engagement, kurzum: Unprofessionalität.
Die Frage ist nun aber: Was sagt das 2:9 über den HSV als Klub aus? Und was lernt man aus dem vielleicht schlimmsten Debakel seiner Bundesliga-Geschichte?
Zum einen ist dieses Ergebnis Wasser auf die Mühlen jener, die dem HSV nicht zu Unrecht eine verzerrte Wahrnehmung der Realität vorwerfen und eine gewaltige Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit monieren.
Wenn auch nur ein Körnchen Wahrheit an der Nachricht dran sein sollte, die am Samstagvormittag die Runde machte, dass sich Sportchef Frank Arnesen in München nach einer möglichen Leihe von Holger Badstuber erkundigt hat, dann spricht das Bände.
Man muss schon einigermaßen schräg unterwegs sein und/oder ein sehr unterentwickeltes Schmerzempfinden haben, wenn man auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass der FC Bayern den neben Mats Hummels besten deutschen Innenverteidiger an den HSV abgeben könnte, sei es auch nur vorübergehend.
So schwer das 2:9 in München und die Badstuber-Episode nachzuvollziehen sind, so schwer ist der HSV als Fußball-Mannschaft zu greifen. Sicher ist das Team nicht so schlecht, wie man sich gegen die Bayern präsentierte, so gut wie beim 4:1 in Dortmund ist man aber auch nicht.
Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit, wobei man ehrlicher Weise sagen muss, dass die aktuell 38 Punkte und die immer noch vorhandene Chance auf eine Qualifikation für den Europacup dem HSV erheblich schmeicheln.
Zwei verrückte Spiele gegen Dortmund, einige schier übermenschliche Leistungen von Rene Adler und sporadische Ausbrüche individueller Klasse von Son, Rudnevs oder van der Vaart sind für einen nicht unerheblichen Teil der Ausbeute verantwortlich. Der HSV könnte leicht schlechter dastehen.
Aber auch besser, wenn man durchaus vorhandenes Talent und eine tadellose Einstellung konstanter abrufen könnte. So ist der HSV eine Wundertüte, in erster Linie, weil man nicht aufhören kann, sich über ihn zu wundern.
Welches Wunder im Wiedergutmachungsspiel gegen den SC Freiburg am kommenden Wochenende zu erwarten ist, hängt stark davon ab, wie man sich während der Woche in der Nachlese des Bayern-Spiels zusammenrauft.
Kapitän Heiko Westermann fordert, "deutliche Worte" zu finden und lässt selbst tief blicken, wenn er moniert: "Nur Hacke, Spitze, so geht es einfach nicht."
Da stellt sich gleich die Frage, auf wen seine Kritik denn abzielen mag, und ob es um das Mannschaftsgefüge des HSV überhaupt so gut bestellt ist. Denn eine Mannschaft, in der jeder für jeden arbeitet, die lässt sich nicht 9:2 von Bayern oder 5:1 von Hannover abschlachten.
Die Nichtleistung von München hat zwei Präzedenzfälle, die noch gar nicht lange zurückliegen. Am 25. April 2010 ließ sich der HSV in Hoffenheim 5:1 abschießen und glänzte durch kollektive Passivität. Es war das letzte Spiel von Bruno Labbadia. Am 12. März 2011 ging man in München 0:6 unter, und Armin Veh war seinen Job los.
Thorsten Fink ist aktuell nicht Thema Nr. 1 in Hamburg. Die Enttäuschung konzentriert sich zunächst auf die Mannschaft. Kritische Fragen muss sich der HSV-Trainer dennoch gefallen lassen. Zum Beispiel: Wie kann es sein, dass eine Mannschaft den eigenen Coach in schöner Regelmäßigkeit überrascht?
Zumindest für Fink darf der HSV keine Wundertüte sein.
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