"Wir machen das nicht aus Jux und Dollerei!"

Von Interview: Stefan Rommel / Andreas Lehner
Martin Bader (l.) machte Michael Wiesinger im Dezember 2012 zum Cheftrainer beim Club
© spox

Ein rascher Blick auf die Tabelle reicht, um dem 1. FC Nürnberg eine solide Saison zu bescheinigen. Solide ist längst auch das wirtschaftliche Fundament des Vereins. Das war nicht immer so. Im Interview mit SPOX spricht Martin Bader über schmerzhafte Zeiten, das Ringen um ein neues Stadion, Transfer- und Scoutingpolitik und Nachwuchsförderung.

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SPOX: Herr Bader, wie schauen Sie sich eigentlich die Tabelle an - von oben nach unten oder von unten nach oben?

Martin Bader: Immer von unten nach oben. Klar haben wir zuletzt ein gewisses Selbstverständnis und auch Selbstbewusstsein entwickelt. Aber wir haben auch Jahr für Jahr Schlüsselspieler verloren. Es gebietet der Respekt der Bundesliga und auch unserer Historie gegenüber, dass wir von unten nach oben schauen. Wenn wir dieses Jahr die Klasse halten - wovon wir ausgehen - gibt es in 50 Jahren Bundesliga nur eine einzige Periode, in der der Club länger am Stück in der Bundesliga war.

SPOX: Sie machen den Club kleiner als er ist.

Bader: Wir entwickeln Spieler, wir entwickeln uns wirtschaftlich. Wir haben das Vereinsgelände neu geschaffen. Wir haben viele Dinge angeschoben. Der 1. FC Nürnberg hat grundsätzlich die Daseinsberechtigung in der Bundesliga.

SPOX: Ist es die eigentlich große Leistung der letzten Jahre, dass Sie neben dem sportlichen Erfolg auch das Drumherum weiter vorangebracht haben?

Bader: In der Nachbetrachtung auf jeden Fall. Auf der Strecke erfährt man aber immer wieder, dass von Fanseite oder einzelnen Personen Vorbehalte kommen. Die merken nicht, was wir hier machen und dass man nachhaltig arbeiten muss. Da gab es oft Gegenwind: Warum wir unsere besten Spieler verkauft und eine Mannschaft nicht zusammengehalten haben? Geschweige denn keine Transfers getätigt wie viele andere Vereine, ob Hannover, Stuttgart oder Bremen? Da stand schnell der Vorwurf fehlender Visionen oder fehlenden Sachverstands im Raum. Ich habe hier aber auch ganz andere Zeiten erlebt. Da hingen wir wirtschaftlich so am Tropf, dass es nur dem damaligen Präsidenten Michael A. Roth zu verdanken war, dass hier nicht regelmäßig die Lichter ausgegangen sind.

SPOX: Eine schmerzhafte Zeit.

Bader: Es gab Monate, da sind wir zum Schleifweg rübergefahren und haben darum gebettelt, dass er uns die Monatsgehälter vorschießt, damit wir das alles bezahlen können. So etwas darf hier nie wieder passieren! Diese Altlasten haben wir alle aufgeräumt, im Prinzip sind wir schuldenfrei. Und durch den neuen TV-Vertrag und ein paar Veränderungen in der Sponsorenfamilie können wir bald auch wieder Geld in die Hand nehmen und in die Mannschaft investieren. Der Spagat zwischen den Bedürfnissen der Fans und einer nachhaltigen Wirtschaftlichkeit ist eine schwierige Sache. Aber nur so können wir den Club in allen seinen Facetten abbilden.

SPOX: Wie sieht das im Alltag dann aus?

Bader: Wir werden immer mal wieder auf einen Transfer kurzfristig verzichten oder einen Spieler abgeben und die Leute werden sagen: Wie könnt ihr nur? Aber es gibt noch einige infrastrukturelle Dinge zu tun. Immerhin sind wir im Gegensatz zu manch anderen Vereinen so weit zu sagen, dass wir jeden Euro Überschuss in die Mannschaft stecken können. Wir gehören mittlerweile zu den Vereinen, die auch guten Gewissens im Sommer einen Transfer tätigen können.

SPOX: Wie wichtig ist das Thema Stadionbau in der perspektivischen Entwicklung des Vereins?

Bader: Das ist die Grundvoraussetzung dafür, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Bundesliga zu spielen. Das zeigt ein Blick in die Geschichte: Die Bayern haben mit dem Olympiastadion Borussia Mönchengladbach abhängen können. Der HSV hat profitiert, Köln, Düsseldorf auch.

SPOX: Wie sehen die Pläne aus?

Bader: Wir machen so etwas nicht aus Jux und Dollerei. Mainz hat schnell verstanden, dass der Bruchweg für Bundesligaverhältnisse nicht mehr ausreicht. Augsburg hat neu gebaut, selbst Freiburg geht aus dem beschaulichen Stadion an der Dreisam raus. Wer auf Sicht wettbewerbsfähig sein will, muss eine optimale Wettkampfstätte haben.

SPOX: Sie haben eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Wann erwarten Sie die Ergebnisse?

Bader: Wir hoffen, dass wir im Sommer genügend Zahlen zusammen haben. Wir wissen und werden es berücksichtigen, dass Nürnberg nicht zu den wohlhabenden Städten gehört. Allerdings wissen wir auch, dass bei einer Beibehaltung des jetzigen Stadions die Stadt in naher Zukunft viel Geld zur regelmäßigen Instandhaltung aufbringen muss. Es ist unsere Verpflichtung, mit der Stadt Nürnberg eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten.

SPOX: Abseits der wirtschaftlichen Überlegungen: Was würde ein neues Stadion für die Stimmung bedeuten?

Bader: Mit einem reinen Fußballstadion hätten wir eine ganz andere Wucht. Wir haben derzeit einen Schnitt von 42.000 Zuschauern und ich denke, dass wir die 50.000 häufiger ausverkauft bekämen. Das wäre mit unseren Fans im Rücken ein richtiges Pfund.

SPOX: Sportlich läuft es im Moment ganz gut. Sind Sie überrascht, wie fleißig die Mannschaft in der Rückrunde Punkt um Punkt sammelt?

Bader: Es lief mit 20 Punkten auch in der Vorrunde gut. Die Ausschläge waren ein bisschen extrem, aber 20 Punkte sind absolut in Ordnung. Wir waren im Winter vollkommen im Soll. Jetzt haben wir mit den Siegen in Augsburg und gegen Schalke die Unentschieden davor vergoldet. Jetzt sieht es danach aus, dass wir das gesteckte Ziel der 40 Punkte auch erreichen können.

Seite 2: Martin Bader über Transfers, Scouting und Nachwuchsförderung