Auf der Suche nach der Siegermentalität

SID
Mainz erzielte in der abgelaufenen Saison 47 Tore
© Getty

Nach der Saison ist vor der Saison! Die Bundesligisten arbeiten längst mit Hochdruck auf die Spielzeit 2012/2013 hin. SPOX beleuchtet die Baustellen aller 18 Vereine - im Duett mit der User-Redaktion. Diesmal: Der FSV Mainz 05.

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Von SPOX-Redakteur Markus Matjeschk

Es gab in dieser Bundesliga-Saison wahrlich attraktivere Spiele als das 0:0 des FSV Mainz 05 gegen den VfL Wolfsburg. Arm an Highlights, zäh für den Zuschauer. Für die Mainzer jedoch bedeutete das Remis am 32. Spieltag den ersehnten Klassenerhalt nach einer holprigen Saison, die nach den Abgängen der Eckpfeiler Lewis Holtby, Andre Schürrle und Christian Fuchs zum Jahr des Umbruchs erklärt worden war.

Zwei Wochen später war von Glückseligkeit schon nichts mehr zu spüren. Zu eklatant waren die Mängel, die Trainer Thomas Tuchel nach der 0:3-Heimpleite gegen Borussia Mönchengladbach seinem Personal attestierte: "Meine Mannschaft hat unkonzentriert und verantwortungslos gespielt. Diese Leistung macht mich nachdenklich. Bei mir sind umso mehr alle Sinne geschärft. Wir müssen uns in der nächsten Saison unbedingt positiv entwickeln", legte Tuchel den Finger in die Wunde.

Zeitgleich machte er damit klar, wo er eines der zentralen Probleme des Teams sieht. Offenbar könne man "sich immer nur dann zur Decke strecken, wenn's wirklich sein muss. Das ist ein Mentalitäts-Problem, das sich bei uns ja durch die ganze Saison gezogen hat." Dafür sprechen auch die Zahlen. In der Rückrunde wurden gegen Freiburg, Kaiserlautern, Nürnberg und Köln die sogenannten "Big Points" eingefahren; als es um nichts mehr ging, wurden die Zügel schleifen gelassen.

Den gleichen Ansatz verfolgt Präsident Harald Strutz, der im Hinblick auf die neue Spielzeit in der "Allgemeinen Zeitung" eine "Siegermentalität und ein Selbstverständnis im Auftreten" fordert.

Mit verkleinertem Kader in die neue Saison

Doch nicht nur dieser Reifeprozess wird im Sommer angegangen. Zwar wird es in Mainz in der Sommerpause keine großen Neuverpflichtungen geben, dennoch wird sich an der Zusammensetzung einiges ändern.

Die Verträge der Routiniers Heinz Müller (2014 plus Option auf ein weiteres Jahr), Bo Svensson und Radoslav Zabavnik (beide bis 2013) wurden verlängert, auf der anderen Seite wird mit den Reservisten Zoltan Stieber, Deniz Yilmaz, Fabian Schönheim und Eugen Gopko wohl nicht mehr geplant. Mario Gavranovic wird zum FC Schalke 04 zurückkehren.

Ebenfalls vor einer ungewissen Zukunft steht Malik Fathi. Nach dem Weggang von Christian Fuchs hätte er sich als Linksverteidiger festspielen können. Doch zu selten überzeugte der zweimalige Nationalspieler. Auch von Anthony Ujah, der für 2,3 Millionen Euro aus Lilleström gekommen war, hatte man sich mehr erhofft. Beim Nigerianer könnte ein Leihgeschäft eine sinnvolle Option sein.

Der Plan von Manager Heidel und Trainer Tuchel ist es, den 28-Mann-Kader auf 22 Spieler zu reduzieren. Dabei wird das Duo den Fokus vor allem auf punktuelle Verstärkungen in der Defensive legen müssen.

Keine überhasteten Transfers

In der Offensive gibt es dafür kaum Handlungsbedarf, mit 47 Toren stellte Mainz in der abgelaufenen Saison die beste Offensive der unteren Tabellenhälfte. Gearbeitet werden muss hingegen an den individuellen Mankos. Mohamed Zidan soll noch mannschaftsdienlicher werden, bei Andreas Ivanschitz und Eric-Maxim Choupo-Moting fehlt es bislang an Konstanz.

Beim Manager hält sich die Transfer-Euphorie so kurz nach Ende der Saison sowieso noch in Grenzen: "Die Transferperiode ist extrem lang. Da muss man vorsichtig sein, dass man nicht verfrüht in Aktionismus verfällt. Und plötzlich beginnt der Markt sich zu bewegen, und man hat schon seine Dinge erledigt", so Heidel.

Hektische Entscheidungen wird es in Mainz dank der internen Kontinuität nicht geben. Großen Anteil hat daran das Erfolgs-Gespann Heidel/Tuchel, das seine Verträge bis 2017 beziehungsweise 2015 verlängert hat.

 

Bessere Aussichten als vor zwölf Monaten

Von mySPOX-User Taktiker

Die wichtigste Aufgabe für die Sommerpause hat Christian Heidel schon sehr früh abgeschlossen: Durch die vorzeitige Vertragsverlängerung mit Erfolgstrainer Thomas Tuchel wurden früh die Weichen für weitere erfolgreiche Spielzeiten gestellt. Viele hatten vor der abgeschlossenen Saison aufgrund der namhaften Abgänge und dem blamablen Ausscheiden in der Europa League die Befürchtung, dass der FSV wieder zum engsten Kreis der Abstiegskandidaten gezählt werden müsste.

Nach einer anfänglichen Findungsphase, in der viele Neuzugänge sich offensichtlich erst an die Spielweise des FSV und die Arbeitsweise Tuchels gewöhnen mussten, fand das Team aber immer mehr zueinander und man konnte sich erneut frühzeitig von den Abstiegsrängen absetzen und somit den Klassenerhalt sichern.

Dass dies für einen Verein wie Mainz 05 noch immer keine Selbstverständlichkeit ist, dürfte klar sein. Doch mit dem neuen Stadion und der Professionalisierung verbessern sich jährlich die Voraussetzungen, um dauerhaft im Oberhaus mitwirken zu dürfen. Heidel und Tuchel müssen sich nun nach dem wohlverdienten Urlaub des Managers zusammensetzen und klären, auf welchen Positionen Handlungsbedarf besteht.

Anders als im letzten Jahr dürfte das Grundgerüst erhalten bleiben, einzelne Abgänge sind natürlich bei einem kleinen Verein nie auszuschließen. Es ist zu hören, dass Heidel zunächst die Entwicklung des Spielermarktes während und nach der EM beobachten will, bevor der FSV auf dem Transfermarkt zuschlagen wird.

Wie sinnvoll diese Strategie ist, kann ein Fan wohl ebenso wenig beurteilen wie ein Journalist, allerdings besteht bei mir seit vielen Jahren kein Zweifel mehr daran, dass einer der fähigsten Manager Deutschlands für unseren Verein arbeitet. Deswegen habe ich in sämtlichen Transferfragen vollstes Vertrauen in Christian Heidel.

Und auch wenn Tuchels Außendarstellung hin und wieder etwas ungeschickt ist, so versteht er es doch, eine taktisch variable Mannschaft zu formen und die ihm anvertrauten Spieler gezielt weiterzuentwickeln. Die aus dieser Weiterentwicklung resultierenden Transfergewinne helfen dem Verein, weiter an die wirtschaftlich besser aufgestellten Teams heranzurücken, auch wenn dadurch immer wieder Qualität verloren geht und das Team neu aufgebaut werden muss.

Ich denke, um das bestehende Spielergerüst lässt sich eine junge, talentierte Truppe aufbauen, die mit einem guten Start auch ein paar Plätze weiter nach oben schauen darf, sollten erneut einige Favoriten derart unter ihren Möglichkeiten bleiben.

Zu guter Letzt sei mir noch eine kleine Randbemerkung erlaubt: Seit Jahren sehen viele Experten das Ende der Noveski-Ära kommen, bisher aber hat er sich noch immer gegen die (jüngere) Konkurrenz durchgesetzt. Er hält die Defensive - trotz einiger haarsträubender Fehler - zusammen, wie es derzeit kein anderer Mainzer schaffen würde. Außerdem ist er auf und abseits des Platzes als Persönlichkeit extrem wichtig für Team und Verein. Deswegen wird er auch in der nächsten Saison voraussichtlich seinen Stammplatz sicher haben - und das ist trotz aller spielerischen Limitierung auch gut so.

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