"Es hat allen nur geschadet"

Von Haruka Gruber
Wohin führt der Weg? Trainer Solbakken (l.) hat Podolski als Kapitän abgelöst
© Imago

Mit einer bizarren "Beförderung" soll der entmachtete Lukas Podolski milde gestimmt werden. Die Kapitänsfrage könnte dennoch den 1. FC Köln spalten. Was sind die Hintergründe? Warum ist Geromel der Nachfolger?

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Wie ist die Situation?

Am Montag wurde vom Verein bestätigt, worüber die Medien bereits einstimmig berichtet hatten: Der zukünftige Kapitän des 1. FC Köln heißt Pedro Geromel - und nicht Lukas Podolski. Bereits am Donnerstag wurde Podolski von Trainer Stale Solbakken darüber informiert und verweigerte bis Montagnachmittag jeden Kommentar.

Seine Absetzung als Spielführer bahnte sich in der Vorbereitung an: In keinem Testspiel war Podolski Kapitän, vielmehr wanderte die Binde zu Michael Rensing, Geromel, Kevin Pezzoni und zuletzt gegen den FC Arsenal (1:2) zu Sascha Riether.

Solbakken erklärte, dass er Riether den Zuschlag gegeben habe, weil dieser gegen Arsenal durchgespielt hätte. Nur: Podolski stand ebenfalls 90 Minuten auf dem Platz.

BLOGScoobaHH: Solbakken ist der Trainer, er trifft die Entscheidungen, Punkt!

Was steckt hinter Podolskis Entmachtung?

Die offizielle Lesart: Solbakken will die "Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen" und Podolski entlasten, da er ohnehin schon als Leistungsträger und Identifikationsfigur für die Fans beansprucht sei: "Auch ohne Kapitänsbinde sind die Erwartungen an Lukas Podolski bereits sehr hoch", wird der Trainer in der Pressemitteilung zitiert.

Die inoffizielle Lesart: Podolski mangelt es an Akzeptanz, in der Mannschaft wie auch in der Führung. So beobachten einige Mitspieler angeblich mit Argwohn Podolskis Sonderbehandlung und die gelegentlichen Launenhaftigkeiten.

Sportdirektor Volker Finke wiederum begrüßt angeblich nicht, dass Podolski in der Außenwirkung eine derart gewichtige Rolle zukommt und der Verein auf dessen Person reduziert wird. Zumal sich Podolski für einen Verbleib seines bevorzugten Trainers Frank Schaefer ausgesprochen hatte - mit dem Finke jedoch keine gemeinsame Basis gefunden hatte.

"In Podolskis Umfeld wird hinter der Degradierung mehr Finke als Solbakken vermutet", schreibt der "Kicker". Nachdem Finke bereits als derjenige gilt, der den auch bei den Fans beliebten Schaefer zum Rückzug bewegt hat, verwehrt er sich jedoch diesem Eindruck. "Das ist eine Entscheidung des Trainers. Da mischt sich niemand ein", sagt Finke.

Wie reagiert Podolski?

Finkes Hoffnung dürfte vergeblich sein: "Mein Wunsch: Dass egal, wie die Entscheidung ausfällt, der Trainer und Lukas am Ende auf einer Wellenlänge funken."

Solbakken versucht zwar, von der Kapitänsfrage abgesehen seinem talentiertesten Spieler entgegenzukommen. "Er ist ein kleiner Mike Tyson mit einem unglaublichen Hammer im linken Fuß", schmeichelte der Trainer im Vorfeld und deutete sogar an, dass Podolski sich nicht allzu sehr mit der so ungeliebten Abwehrarbeit zu beschäftigen hat.

"Natürlich soll er auch das leisten. Aber in der eigenen Hälfte sind seine Stärken verschenkt. Wenn Poldi dagegen am gegnerischen Strafraum den Ball hat, dann zittert der Gegner. Das letzte Drittel vom Platz ist ganz klar Poldi-Territorium!"

Fast schon kurios mutet die Kölner Pressemitteilung an. Um Podoskis Bedeutung hervorzuheben und ihn wohl nicht zu brüskieren, gab der Verein bekannt, dass ihm zwar nicht mehr das Kapitänsamt, aber eine sogenannte "Matchwinner-Funktion" zuteil wird - was immer das genau bedeutet.

Ob die Zugeständnisse jedoch den Konflikt abwenden können, scheint fraglich. "Sollte die Degradierung geräuschlos über die Bühne gehen, käme das einer Sensation gleich. Dass Podolski seine Degradierung kommentarlos hinnimmt, gilt unter Beobachtern als ausgeschlossen", schreibt der "Kicker".

Dieser erwartete Kommentar folgte am Montag per "Facebook". Auf seiner Seite hinterließ Podolski den Eintrag: "Natürlich bin ich enttäuscht, u.a über die Art und Weise, wie der Verein in den letzten Wochen mit diesem Thema umgegangen ist. Das hat aus meiner Sicht allen Beteiligten nur geschadet. Ich kann die Gründe nicht zu 100 Prozent nachvollziehen, aber ich werde die Entscheidung respektieren und professionell damit umgehen. Schließlich habe ich eine Verpflichtung gegenüber der Mannschaft, den Fans und der Stadt!"

Seine Kampfbereitschaft hatte er bereits in einem Interview von vergangener Woche angedeutet: "Es ist eine große Ehre, Kapitän zu sein. Ich bin mir der Aufgabe bewusst und denke, ich habe sie in der letzten Saison gut gelöst. Wenn man eine Mannschaft führt, beflügelt einen das noch etwas mehr." Und um Missverständnisse vorzubeugen, sagte er: "Ich werde mit Sicherheit nicht freiwillig hingehen und das Amt zur Verfügung stellen. Die Kapitänsbinde macht mich stolz!"

Warum ist Geromel sein Nachfolger?

Bereits Mitte Juli skizzierte Solbakken seine Idealvorstellung: "Ein Kapitän hat eine Sonderrolle, auch neben dem Platz. Er muss die richtigen Dinge sagen, eine gute Körpersprache und einen hohen Sachverstand haben."

Die zentrale Frage: Werden diese Kriterien ausgerechnet von Geromel besser erfüllt als von Podolski? Geromel gehört neben seinem Vorgänger, Michael Rensing und Milevoje Novakovic zu den Stützen der Mannschaft - nur: Er ist zurückhaltend und noch immer unsicher in der deutschen Sprache. Die Entscheidung Anfang 2010, seinen Innenverteidiger-Partner Yousef Mohamad zum Spielführer zu befördern, erwies sich aus ähnlichen Gründen als Fehler.

Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass Geromel mit dem Kapitänsamt von einem Verbleib in Köln überzeugt werden soll. Angeblich liegt ihm eine lukrative Offerte eines ukrainischen Vereins mit einer Ablöse von 7,5 bis 8 Millionen Euro vor.

Solbakken betont jedoch, dass Geromels Bedeutung innerhalb des Kollektivs ausschlaggebend gewesen sei: "Pedro Geromel steht im Zentrum der Mannschaft, wird als Kapitän die neue Kultur des Teams vorleben und unser sportliches Gesamtkonzept verkörpern. Er übernimmt die Verantwortung auf dem Platz, setzt das taktische Konzept um und ist ein wichtiger Leistungsträger im Team."

Was sind die Konsequenzen?

Schwer abzusehen. Vermutlich können die Verantwortlichen selbst nicht abschätzen, welche Folgen sich daraus entwickeln. Sollte Podolski die Amtsenthebung zumindest dulden und auf eine Abrechnung mit der sportlichen Führung verzichten, könnte sich die Situation beruhigen.

Doch wenn er Solbakkens Entscheidung als Affront ansieht und sich zur Wehr setzt, besteht durchaus die Gefahr einer Eskalation. Die Fans weiß er hinter sich - und auch die Sponsoren dürften wenig erfreut darüber sein, wenn das bekannteste und beliebteste Gesicht des Vereins seine Zukunft in Köln überdenkt. Selbst ein Weggang scheint nicht mehr undenkbar.

Wie auch immer es weitergeht: Die Verantwortlichen werden bei aller Kritik Standhaftigkeit benötigen. "Selbstredend, dass Poldi der Kapitän ist. Durch ihn hat der FC nach Bodo Illgner erstmals wieder international gesehen ein Gesicht bekommen!", sagt Ex-Trainer Christoph Daum in der "Express".

Und auch Torwart-Legende Toni Schumacher meldet sich: "Ich sehe keinen anderen Kapitän als Lukas Podolski. Es gibt keinen Besseren. Ich verstehe diese Diskussion nicht! Er ist unser Nationalspieler und mit der Binde toll vorangegangen. Ich kann nicht in den Kopf des Trainers gucken, aber ich weiß nicht, ob diese Diskussion der Leistung des Jungen zuträglich ist."

Lukas Podolski im Steckbrief

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