"Die inkompetenteste Vereinsführung der Liga"

Von SPOX
VfB-Präsident Erwin Staudt (l.) und Aufsichtsratschef Dieter Hundt (r.)
© Imago

Der VfB Stuttgart hat sich nach knapp zehn Monaten von Trainer Christian Gross getrennt. Einem Coach, der in der Fachwelt hohes Ansehen genießt und der den VfB dank einer starken Rückrunde in der letzten Saison noch in die Europa League geführt hat. Der dritte Trainerrauswurf in Stuttgart in 23 Monaten hinterlässt Spuren. Reaktionen und Kommentare auf Gross' Entlassung.

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Das sagen die Verantwortlichen

Erwin Staudt (Präsident VfB Stuttgart): "Der Bundesligastart und der letzte Tabellenplatz erfordern unsere höchste Aufmerksamkeit und genießen absolute Priorität im ganzen Verein. Die Mannschaft und der Klassenerhalt stehen jetzt im Vordergrund. Das ist eine der schwierigsten Situationen in der Bundesligageschichte des Vereins. Wir haben alle größte Sorge. Nach vielen Gesprächen mit den Gremien im Aufsichtsrat haben wir entschieden, dass wir die Weichen stellen und getrennte Wege gehen müssen. Wir haben nach langen Überlegungen entschieden, den Schritt noch vor dem Schalke-Spiel zu tätigen, weil wir einen Akzent setzen wollten. Der Fokus liegt auf dem Klassenerhalt. Dafür erhält das Team um Jens Keller und Jürgen Kramny unsere volle Unterstützung. Herr Keller wird das Training übernehmen und wir werden die Entwicklung in den kommenden Wochen und Monaten abwarten."

Fredi Bobic (Sportdirektor VfB Stuttgart): "Wir haben uns die Entscheidung nicht einfach gemacht. Wir haben die letzten Wochen reflektiert und viele persönliche Gespräche geführt. Ich habe kaum Lösungsansätze gesehen im Gespräch mit Christian Gross. Ich habe großen Respekt vor der öffentlichen Meinung, aber wir haben auch einen Auftrag gegenüber dem Verein. Und ich bin davon überzeugt, dass wir im Sinne des Vereins handeln. Die ganze VfB-Familie muss jetzt enger zusammenrücken. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir gemeinsam aus dieser Situation herauskommen. Ich appelliere auch an unsere Fans und an ihre volle Unterstützung, wie schon in den Wochen zuvor."

Jens Keller (Trainer VfB Stuttgart): "Ich möchte mich beim Verein für das Vertrauen in mich bedanken. Ich habe keine Sekunde gezögert, als mich Fredi Bobic gestern Abend angerufen und gefragt hat, ob ich mir das vorstellen kann. Ich würde alles tun und viele Meilen gehen, um dem Verein zu helfen. Ich bin überzeugt, dass ich mit meiner Art die Mannschaft erreichen kann. Ich verlange Herz, Willen, Leidenschaft und vollen Einsatz. Das sind Attribute, die mich auch als Spieler ausgezeichnet haben. Jetzt gelten Phrasen wie 'jeden Zentimeter umgraben'."

Blog: Kaum zu überbietende Lächerlichkeit

Das sagt SPOX

Zehn Monate durfte Christian Gross in Stuttgart bleiben. Eine ziemlich kurze Zeit für einen Trainer, der im Verein hoch angesehen war, dem die Bosse das sportliche Wohl des Vereins bedenkenlos anvertrauten. Endlich ein Fachmann, ein Typ mit klaren Ideen, klarer Spielphilosophie, Weitsicht und Hunger auf Erfolg.

Nicht mal ein Jahr später ändert der VfB-Vorstand den Kurs und will vom Fachmann Gross nichts mehr wissen. Dabei hatte Präsident Staudt dem Coach nach der Pleite gegen Frankfurt noch das Vertrauen ausgesprochen. Zehn Tage haben die Bosse gebraucht, um die sportliche Situation zu analysieren und Gross letztlich vor die Tür zu setzen. Der Zeitpunkt ist bizarr. Gross' Nachfolger Jens Keller hat statt 14 nur noch drei Tage Zeit, die Mannschaft auf den Krisengipfel gegen Schalke vorzubereiten.

Staudt, Bobic und Aufsichtsratschef Hundt wissen plötzlich nicht mehr weiter. Das hat mitterweile Methode. Trainer feuern wird allmählich zum Volkssport auf dem Cannstatter Wasen. Eine Negativserie zieht stets die Entlassung nach sich. Staudt und Hundt werden bei jeder Niederlage hypernervös und stellen die Arbeit des Trainers infrage. Ein unerträglicher Zustand. Kontinuität ist ein Fremdwort im Ländle.

Staudt oder Hundt zu kritisieren, grenzt beim VfB dagegen an Blasphemie. Die Allmächtigen haben sich erneut durchgesetzt und vertrauen abermals dem Prinzip Hoffnung. Damit ist langfristiger Erfolg nicht möglich. Das sollten Staudt und Hundt allmählich verstanden haben.

Offiziell wurde Gross geschasst, weil er keine Lösungen parat hatte. Gross war aber auch unbequem. Ein Trainer, der den Bossen Paroli bietet. Der ehrlich die Probleme anspricht (Torhüter Ulreich, Stadionbau statt Spielerkauf) und dann von den Oberen weggegrätscht wird. Dabei sollten die sich endlich mal hinterfragen, welchen Beitrag sie eigentlich zum Wohle des Vereins leisten.

Das sagen die mySPOX-User

PatPowers: Tut mir leid, aber Stuttgart wird schon seit längerer Zeit von Vollpfosten geführt. Wie kann man einen Weltklasse-Trainer wie Gross weggeben? Scheiß auf die persönlichen Dinge, die gesagt wurden, man gibt keinen Trainer wie Gross ab, der letzte Saison noch als Lokalheld angesehen wurde. Es ist Zeit, dass in Stuttgart mal richtig demonstriert wird. Und zwar nicht gegen Stuttgart 21, sondern gegen die inkompetenteste Vereinführung der Bundesliga!

gt2317: Seit ich denken kann, läuft's beim VfB immer nach demselben Schema. Das ist eine Mentalitätssache. Einige Monate Erfolg reichen aus, um jegliche Selbstkritik auszuschalten. Neuen Spielern wird von Anfang an suggeriert, sie kämen zu einem Spitzenverein und die Jugendspieler nehmen das schon mit der Muttermilch auf. Solange es noch darum geht, Profi zu werden und in die Bundesliga zu kommen, ist alles gut. Da wird gekämpft und prima gespielt. Danach hat man es geschafft. Man trägt das schöne weiße Trikot und das Stadion ist meistens gut gefüllt. Alles toll. Wann stellt sich mal jemand hin und erklärt allen Beteiligten, dass der VfB nicht besser als die Hertha, Gladbach oder Frankfurt ist? Wenn wir nicht eine derart gute Jugendarbeit hätten, dann wären wir in den letzten 15 Jahren sicher dreimal abgestiegen. Irgendwann geht's halt mal schief.

Werefrog: Liebe VfB-Fans,
Es wird Zeit, die Arena zu meiden und damit dem Unmut Ausdruck zu verleihen.
Es wird Zeit, die Vereinsführung zu blockieren und den Verein zu boykottieren, bis die Deppen aus der Führungsetage verschwunden sind.
Es wird Zeit, ihnen zu zeigen, dass die Entscheidungen nicht mehr komplett gegen die Fans getroffen werden können. Pro Gross! Contra den derzeitigen VfB!

Flitzle: Naja, irgendwie bleibt es trotzdem nachvollziehbar, dass ein Verein bei sechs Niederlagen in sieben Spielen handeln MUSS. Und dass der Trainer dann das schwächste Glied ist, ist auch normal. Vollkommen schuldlos an der Misere scheint Gross auch nicht zu sein, ich für meinen Teil habe fast immer die Aufstellung nicht verstanden (z.B. Träsch gehört unter allen Umständen ins defensive Mittelfeld). Dass Gross sich dann noch mit dem Vorstand anlegt, ist zwar verständlich, aber eben auch gewagt. Alles in allem ist der Zeitpunkt unglücklich, aber der Schritt vollkommen normal. Vielleicht ist es auch besser so, Gross war nicht unbedingt Anhänger des Stuttgarter Systems "Jugend forscht".

bobo511: Das wäre genau dasselbe, wenn Bayern jetzt van Gaal vor die Tür setzen würde.

Stuttgart entlässt Trainer Gross