Hilft Werder bei der Trainersuche?

SID
Gehen nach nur einer Saison wieder getrennte Wege: Martin Jol (r.) und Dietmar Beiersdorfer
© Getty

Die Trainersuche beim HSV geht nach dem überraschenden Wechsel von Martin Jol von vorne los. Klubchef Bernd Hoffmann kündigte an, man werde eine zeitnahe Lösung finden.

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Wie gut, dass Bernd Hoffmann und Dietmar Beiersdorfer ihre ein Jahr alten Dossiers zur Trainersuche noch in den Schubladen liegen haben.

Die Ratlosigkeit und das Chaos sind dadurch beim Hamburger SV nach dem überraschenden Abgang von Trainer Martin Jol nicht ganz so groß.

"Wir werden zeitnah eine sehr gute Lösung präsentieren", behauptet Hoffmann jedenfalls, nachdem der erste Schock über Jols Fahnenflucht zu Ajax Amsterdam verdaut war.

Glücksfall für zehn Monate

Fast sechs Monate hatte der Klub Anfang 2008 einen Trainer gesucht, nachdem feststand, dass Huub Stevens im Sommer nach Eindhoven gehen würde. Jürgen Klopp und Bruno Labbadia wurden unter die Lupe genommen, Fred Rutten und Gerard Houllier und zahlreiche weitere. Am Ende wurde es Jol.

Ein Glücksfall für zehn Monate: Mit dem grausamen Scheitern in drei Wettbewerben in 19 Tagen im Mai aber begann auch Jols innerer Abschied aus der Hansestadt.

Machtkampf gewonnen, Trainer verloren

Am Ende hatte der HSV-Vorstand einen Machtkampf um sein Konzept gewonnen und einen Trainer verloren.

Jol forderte für eine vorzeitige Verlängerung seines bis 2010 laufenden Vertrages umfassende Kompetenzen als Sportchef, ähnlich wie er es aus England kennt und wie es der deutsche Meister VfL Wolfsburg mit Felix Magath erfolgreich praktiziert hat.

Hamburger Medien berichten sogar, Jol hätte die Vereinsführung erpresst: Angeblich wollte er seinen Vertrag nur verlängern, wenn der Klub allen seinen Forderungen nachkomme. Unter anderem wollte er demnach auch das letzte Wort bei Transferentscheidungen.

Damit wäre Dietmar Beiersdorfer überflüssig geworden, eine Konsequenz, die Aufsichtsrat und Vorstand nicht mitgehen wollten. "Es gab unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft", lautete Hoffmanns offizielle Begründung für die Trennung. Spekulationen über Beiersdorfers Job sind für Hoffmann "barer Unsinn".

Jol wollte Topstars

"Ich war natürlich überrascht. Wenn man seine Interviews der letzten Wochen verfolgt hat, war das ja nicht vorhersehbar. Der Prozess hat sich nicht abgezeichnet", sagt HSV-Ikone Sergej Barbarez im Gespräch mit SPOX. "Es war ja nicht mal ein wirklicher Prozess. Das Ding ging ja in wenigen Stunden aus dem Nichts über die Bühne."

Offenbar hatte Jol bei seinem Amtsantritt nicht richtig zugehört, als ihm die Hamburger Vereinsphilosophie und die finanziellen Möglichkeiten erklärt wurden. Einkaufen, ausbilden, verkaufen - anders geht es nicht. Wie auch in Bremen übrigens.

Jol aber wollte Topstars. Schon den absehbaren Verkauf von Rafael van der Vaart (Real Madrid) hatte er im Sommer kritisiert. Nach den Werder-Wochen wurde er dann immer deutlicher.

"Man kann nicht für 42 Millionen Spieler verkaufen und dann hoffen, dass man Meister wird", lautete seine Kritik nach der 0:1-Niederlage gegen den 1. FC Köln - Risse im Verhältnis zu den Bossen waren zu ahnen.

Die Suche geht von vorne los

Jetzt stecken sie beim HSV also wieder die Köpfe zusammen und holen die alten Papiere raus. Handys vibrieren, Faxe rattern und E-Mails werden verschickt. Der neue Trainer muss aber das Konzept mittragen, mit dem der Verein in den letzten fünf Jahren seine Ziele erreicht hat.

Als 13. im UEFA-Ranking geht der Klub in sein fünftes internationales Jahr in Folge, der von Hoffmann einst angekündigte Sprung unter die Top-20 ist geschafft.

14 Millionen für Neue

Rund 14 Millionen Euro stehen für Neuverpflichtungen zur Verfügung.

Nationalspieler Piotr Trochowski, der bei Jol zuletzt nur auf der Bank saß und deshalb mit Wechselgedanken kokettierte, soll als Identifikationsfigur unbedingt gehalten werden. Ein weiterer Konfliktpunkt übrigens zwischen Vorstand und Trainer.

Ein neuer Mann muss jetzt her. Wie schon vor der letzten Saison. "Wir sind so ein großer Verein, dass uns so etwas sicher nicht aus der Bahn wirft. Es gibt keinen Grund, sich da jetzt irgendwelche Sorgen zu machen. Wir sind als Verein zu gut aufgestellt, als dass wir das nicht wegstecken könnten. Jetzt heißt es, sich gleich wieder an die Arbeit machen: Neue Spieler holen, einen neuen Trainer suchen - und einen zu finden, der die Sache vielleicht noch besser macht. Ganz einfach", so Barbarez weiter.

Slomka, van Basten oder Houllier?

Der ehemalige Schalker Mirko Slomka hat bereits erklärt, er "würde sich freuen", wenn der HSV anriefe. Marco van Basten, der bei Ajax seinen Job aufgab und damit erst den Weggang von Jol ermöglichte, hatte den HSV bereits vor einem Jahr als "sehr interessant" bezeichnet.

Houllier ist offenbar bereit, seinen Job als technischer Direktor beim französischen Verband aufzugeben. Der Vertrag läuft im Sommer aus, er ist zurzeit auch bei Galatasaray Istanbul im Gespräch.

Der 61 Jahre alte Ex-Coach von Olympique Lyon und FC Liverpool galt im vergangenen Frühjahr zwischenzeitlich als Topkandidat der Hanseaten, hatte vom Verband aber keine Freigabe erhalten.

Auch Labbadia ein Kandidat

Möglicherweise wartet der HSV auch den Ausgang des DFB-Pokalfinals am Samstag zwischen Werder Bremen und Bayer Leverkusen ab.

Bayer-Coach Labbadia steht nach der verkorksten Rückrunde stark in der Kritik.

Bei einer Niederlage in Berlin und damit dem Verpassen des internationalen Wettbewerbs, wäre Labbadias Arbeitsplatz stark gefährdet.

Es wäre allerdings der Gipfel der Ironie, wenn ausgerechnet Werder indirekt dem HSV bei der Trainersuche helfen würde...

Martin Jol im Steckbrief