Wer übernimmt das Lebenswerk?

Von Thomas Gaber
Bayern-Manager Uli Hoeneß (r.) hat Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler als Nachfolger im Visier
© Getty

Mit seinem strauchelnden FC Bayern München hat Uli Hoeneß derzeit alle Hände voll zu tun. Am Ende des Jahres soll dennoch Schluss sein mit der Manager-Tätigkeit. Die Liste der möglichen Nachfolger ist lang. Neu in der Verlosung: Mehmet Scholl und Rudi Völler. SPOX stellt die Kandidaten vor und wägt Pro und Contra ab.

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Seit 30 Jahren ist Uli Hoeneß Manager des FC Bayern München. In dieser Zeit hat er aus einem Fußballverein ein florierendes Unternehmen gemacht, eine Plakette als Manager des Jahres erhalten und sich gegen viele Widerstände durchgesetzt.

"Der FC Bayern ist mein Leben"

Zum Wohle seines FC Bayern geht Hoeneß durchs Feuer. Er hat die eigenen Fans als "Scheiß Populisten" bezeichnet, weil die ihren Unmut über die miese Stimmung bei Heimspielen geäußert hatten.

Hoeneß' adrenalingesteuerten Ausbrüche - ob bewusst eingesetzt, unterhaltend oder provozierend - speisen sich aus einer Quelle: seiner Leidenschaft.

"Dieser Verein ist mein Leben", sagt Hoeneß. Dieses Leben soll am Jahresende eine leichte Richtungsänderung erhalten. Hoeneß will als Manager aufhören und in den Aufsichtsrat wechseln.

Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger läuft auf Hochtouren. Namen möglicher Kandidaten sind reichlich gefallen, seit dem Wochenende sind auch Mehmet Scholl und Rudi Völler mit in der Verlosung.

SPOX stellt die Kandidaten vor und wägt Für und Wider ab.

Mehmet Scholl

Scholl spielte 15 Jahre bei Bayern, wurde achtmal deutscher Meister, fünfmal DFB-Pokal- und Champions-League-Sieger. Seit November 2008 trainiert Scholl die U-13-Junioren des FC Bayern, für die auch sein Sohn Lukas spielt.

Pro: Scholl genießt wie Kahn hohes Ansehen im Bayern-Umfeld und wäre als Sympathieträger geeignet, um neue Sponsoren an Land zu ziehen. Auch im Ausland wird Scholl respektiert, Real-Ikone Raul hat ihn einmal als besten Mittelfeldspieler Europas bezeichnet. Hilfreich, wenn es um die Akquise neuer Spieler geht. Scholl scheint bereit für die Aufgabe. "Ich bin dabei, den Sprung ins zweite Leben zu schaffen und habe kein Problem, einem Profi ins Gesicht zu sagen, warum es bei ihm nicht läuft", sagte er der "SZ".

Contra: "Ich habe 15 Jahre FC Bayern überlebt", sagt Scholl. Er ist mit dem Verein verwachsen, hat aber andere Pläne. Nach seinem Karriereende 2007 kündigte er an, sich eine lange Auszeit zu gönnen und sich um die Familie kümmern zu wollen. Neben seinem Job als Fernsehexperte bei der  präsentiert Scholl im Bayrischen Radio am März einmal monatlich die Sendung "Mehmets Schollplatten". Zudem hat Scholl ein Problem mit Machtmenschen: "Ich war während meiner Bayernzeit immer anderer Ansicht als meine Kapitäne. Ich wollte immer eine andere Außendarstellung."

Rudi Völler

Startete 1996 seine Karriere als Sportdirektor bei Bayer Leverkusen. Der ehemalige Bundestrainer bestätigte eine Anfrage von Uli Hoeneß, die dieser bereits im Juli 2008 auf der Hochzeit von Michael Ballack an Völler gerichtet haben soll.  

Pro:Völler wird für seine Arbeit in Leverkusen sehr geschätzt. Er hat die nötige Erfahrung und pflegt  glänzende Kontakte ins Ausland, insbesondere nach Italien. Sein Verhältnis zu den Bayern-Verantwortlichen ist trotz der Konkurrenzsituation freundschaftlich.  

Contra: Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser erteilte den Bayern umgehend eine Abfuhr: "Hoeneß kann sich den Anruf bei Völler sparen." Völler selbst freute sich über die Wertschätzung, machte aber deutlich, seine Arbeit in Leverkusen noch nicht beendet zu haben. Zudem hat Völler keine Bayern-Vergangenheit und kennt sich mit den Mechanismen an der Säbener Straße nicht aus.

Oliver Kahn

14 Jahre lang hütete Kahn das Bayern-Tor, holte acht deutsche Meistertitel, sechs im DFB-Pokal, wurde 2001 Champions-League-Sieger und gewann mehrere persönliche Auszeichnungen. Hoeneß machte sich mehrfach für Kahn als Nachfolger stark, als dieser noch aktiv war.

Pro: Kahn besitzt den von Bayernboss Karl-Heinz Rummenigge geforderten "Stallgeruch", hat das "Bayern-Sieger-Gen" im Überfluss, verfügt als Absolvent eines Wirtschaftsstudiums über das nötige Know-how und genießt bei Fans und Verantwortlichen des FC Bayern hohes Ansehen. 

Contra: Kahn ziert sich, klare Aussagen, er könne oder wolle Hoeneß-Nachfolger werden, vermeidet er beharrlich. Kahn definiert sich derzeit über andere Projekte: "Es gibt viele Optionen für mich. Meine sozialen Projekte, die Arbeit beim Fernsehen, die Asien-Aktivitäten, meine Verpflichtungen mit meinen Werbepartnern, mein Buch." Ohne rechte Hand würde sich Kahn der Aufgabe ohnehin nicht stellen: "Um Hoeneß zu ersetzen, brauchst du ohnehin zwei oder besser drei Mann." 

Christian Nerlinger

Als Spieler zweimaliger deutscher Meister, DFB-Pokal- und UEFA-Cup-Sieger mit Bayern. Trainer Jürgen Klinsmann installierte seinen Kumpel aus gemeinsamen Bayern- und Nationalmannschaftszeiten als Teammanager.  

Pro: Nerlinger hat sich als Sprachrohr der Mannschaft schnell etabliert und wird von allen Seiten geschätzt. Im Sommer beendet er sein Wirtschaftsstudium an der Munich Business School. Für Franz Beckenbauer wäre Nerlinger die logische Lösung: "Er macht doch schon einen Teil und ist ganz nahe am Verein."

Contra: Nerlinger fehlt die nötige Erfahrung, um die Herausforderung allein zu stemmen. Als Teammanager kann der öffentlichkeitsscheue Nerlinger weitgehend unbemerkt im Hintergrund arbeiten, als Hoeneß-Nachfolger stünde er permanent im Fokus.

Paul Breitner

Als Spieler bei Bayern Hoeneß' langjähriger Zimmergenosse. Machte sich später als Kolumnist und mit seinen meist kritischen Einschätzungen zum FC Bayern keine Freunde im Verein. Hoeneß holte Breitner als Berater zurück.

Pro: Breitners Meinung steht bei den Bayern-Verantwortlichen mittlerweile hoch im Kurs. Er wird bei vielen wichtigen Entscheidungen, beispielsweise Transferfragen, in die Diskussionen miteinbezogen. Breitner verfügt über gute Kontakte im In- und Ausland.  

Contra: Breitner ist kein Freund von Schönfärberei, spricht die Dinge klar an und ist gerade aus. Mit seiner Art eckt er oft an. Im Gegensatz zu Hoeneß hat Breitner kein gutes Verhältnis zum DFB.

Oliver Bierhoff

Der Europameister von 1996 ist seit 2004 Teammanager beim DFB. Bierhoff brachte sich selbst als Hoeneß-Nachfolger ins Gespräch. "Ich würde nicht ausschließen, irgendwann mal als Manager beim FC Bayern zu landen. Das hängt einfach von der Konstellation ab", sagte Bierhoff Ende 2008.

Pro: Bierhoff verfügt über die nötige Erfahrung und hat beim DFB bewiesen, nicht vor revolutionären Neuerungen haltzumachen. Bierhoff hat zwar 26 Semester für seine Urkunde als Diplom-Kaufmann benötigt, sein betriebswirtschaftliches Wissen aber schon erfolgreich eingesetzt. Für Bierhoff spricht zudem sein gutes Verhältnis zu Klinsmann.

Contra: Bierhoff ist schwer zu vermitteln. Bei den Bayern-Fans kommt er bisweilen arrogant und besserwisserisch rüber. 2005 trat die deutsche Nationalmannschaft anlässlich der Einweihung der Münchner Arena gegen die Bayern an. DFB-Torhüter Jens Lehmann wurde von den Bayern-Fans beschimpft und ausgepfiffen. "Eine absolute Frechheit", sagte Bierhoff damals. Zudem ist Bierhoff wie Völler kein Bayern-Kenner.

Klaus Allofs

Seit 1999 ist Allofs Vorstandsmitglied bei Werder Bremen und Geschäftsführer des Profifußballs. Gemeinsam mit Trainer Thomas Schaaf etablierte Allofs Werder als Nummer zwei in Deutschland hinter dem FC Bayern. 2004 gewannen die Bremer das Double.

Pro: Karl-Heinz Rummenigge hat eine hohe Meinung von Allofs. "Ich mag ihn sehr und schätze seine Arbeit", sagte der Bayernboss. Hoeneß selbst erklärte einmal: "Wenn ich einen Nachfolger aussuchen könnte, dann würde Klaus dazu zählen." Allofs passt ins Anforderungsprofil. Rummenigge: "Wir können Uli Hoeneß nur durch ein Schwergewicht ersetzen, das sich in der Bundesliga und im internationalen Fußball auskennt."  

Contra: Allofs hat seinen Vertrag in Bremen im Februar 2008 bis 2012 verlängert. "Ich habe verlängert, als es Interesse gab. Das sagt alles. Die Bayern sind in letzter Zeit auch nicht auf mich zugekommen", so Allofs. Der Werder-Geschäftsführer gilt als sehr loyal, eine Kündigung in Bremen, um zum großen Rivalen Bayern München zu gehen, scheint daher ausgeschlossen.

Außenseiterchancen werden zudem Oliver Kreuzer, derzeit Sportdirektor bei Sturm Graz, Uli Hoeneß' Bruder Dieter, Manager von Hertha BSC Berlin und Bayerns Marketingdirektor Andreas Jung eingeräumt.

Macht Hoeneß doch weiter?

Aber auch eine Fortsetzung von Hoeneß' Managerkarriere ist unter bestimmten Umständen nicht ausgeschlossen. Im Trainingslager der Bayern im Januar in Dubai sagte Hoeneß: "Wenn sich die Finanzkrise auf den Sport ausweiten würde, ist doch klar, dass ich weiter machen würde." Allerdings könne er dies auch als aktiver Aufsichtsratvorsitzender, so Hoeneß.

Auch die aktuellen sportlichen Probleme könnten Hoeneß zum Umdenken veranlassen. Es ist kaum vorstellbar, dass er seinem Nachfolger sein Lebenswerk in sportlicher Schieflage übergibt.

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