165-Euro-Kraft statt Nationalspieler

Von Pascal Jochem
Francis Banecki im Werder-Dress. Insgesamt brachte er es nur auf drei Einsätze unter Schaaf
© Getty

Francis Banecki hat das erlebt, wovon etliche junge Kids auf dem Bolzplatz träumen. Er schaffte den Sprung in den Profikader von Werder Bremen und kam sogar in der Champions League zum Einsatz. Doch Banecki hat auch die Schattenseiten im Fußballgeschäft kennen gelernt, mehrfach musste er mit Rückschlägen zurecht kommen. Mittlerweile steht der ehemalige U20-Nationalspieler beim Regionalligisten FC Oberneuland unter Vertrag und kämpft für eine Rückkehr in den Profi-Fußball.

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Die Profi-Karriere von Francis Banecki beginnt ganz gewöhnlich mit einer Einwechslung. Wie so viele vor ihm gibt auch er sein Debüt mit einem Kurzeinsatz in der Nachspielzeit. Doch es ist nicht ein Kurzeinsatz wie jeder andere. Nicht irgendein Debüt. Es ist die große europäische Fußballbühne.

Oktober 2004, es läuft die letzte Minute im Constant-Vanden-Stock-Stadion in Anderlecht, Werder Bremen führt in der Champions-League-Begegnung beim belgischen Gastgeber RSC Anderlecht mit 2:1.

"Absolutes Highlight"

Die Verletzung von Pekka Lagerblom zwingt Werder-Trainer Thomas Schaaf zu einem letzten Wechsel. Er wirft einen Nobody ins kalte Wasser, der selbst vielen der mitgereisten Fans unbekannt ist, weil er zum ersten Mal bei den Profis eingesetzt wird - und das mit 19 Jahren in der Königsklasse.

Bremen rettet die knappe Führung über die Zeit, am Ende hat Banecki nicht mal 60 Sekunden auf dem Platz gestanden. Auch ein Ballkontakt war nicht drin, doch sein Debüt erfüllt ihn mit Stolz. "Das war ein absolutes Highlight, selbst heute sprechen mich noch Leute darauf an. Es ging aber alles so schnell in der hektischen Schlussphase, ich kann mich kaum noch an die Einzelheiten erinnern", sagt Banecki im Gespräch mit SPOX.

Damals steht er gemeinsam mit Stars wie Miroslav Klose, Johan Micoud und Ivan Klasnic auf dem Platz. Für Anderlecht laufen Aruna Dindane, mehrmaliger Nationalspieler der Elfenbeinküste, und ein talentierter Abwehrspieler namens Vincent Kompany auf. Der ist ein Jahr jünger als Banecki, wird später HSV-Profi und spielt mittlerweile beim Premier-League-Klub Manchester City.

Manchester City mit Interesse

Banecki wäre fast beim selben Verein gelandet. In der A-Jugend trainiert er in Manchester zur Probe, die Citizens wollen ihn auch gleich unter Vertrag nehmen.

Kein Wunder, bereits in jungen Jahren ist Banecki bei 1,92 Meter Körpergröße und 94 Kilogramm ein robustes Kraftpaket. Prädestiniert für den kampfbetonten englischen Fußball.

Doch der gebürtige Berliner, der die Jugendteams der prominenten Ausbildungsvereine Tennis Borussia und Hertha BSC durchlaufen hat, entschließt sich anders und heuert in der A-Jugend von Werder Bremen an, unter dem damaligen Trainer Dieter Eilts.

Der wird später zum DFB-Trainer befördert und beruft Banecki in die deutsche U-19-Nationalmannschaft. Fast sechs Jahre ist das jetzt her. In einem Fußballerleben eine halbe Ewigkeit.

Banecki, dessen Mutter aus Kamerun stammt, erinnert sich gerne zurück an diese Zeit. 2005 nimmt er sogar an der U-20-WM in den Niederlanden teil. Das Werder-Gespann um Trainer Thomas Schaaf und Sportdirektor Klaus Allofs erkennt das Potenzial des Defensiv-Allrounders und stattet ihn mit einem Profi-Vertrag aus.

Banecki verschwindet von der Bildfläche

Der Youngster steht drei Tage nach seinem Kurzeinsatz in der Königsklasse sogar in der Startelf für das Bundesliga-Spiel gegen den 1. FC Nürnberg. Bremen überrollt den Club mit 4:1 - auch dank Banecki, der Torjäger Marek Mintal aus dem Spiel nimmt.

Es scheint, als stehe Banecki vor einer großen Karriere. Wie Kompany. Doch während der Belgier zum international gefragten Nachwuchsstar reift, Länderspielerfahrung in der A-Nationalmannschaft sammelt und seit kurzem beim Scheich-Klub in Manchester fürstlich entlohnt wird, verschwindet Banecki wieder von der Bildfläche. Der Oktoberabend in Anderlecht bleibt sein einziger Auftritt auf der europäischen Bühne.

Nun, fünf Jahre später, kickt Banecki in der Provinz, in den Niederungen des Deutschen Fußballs - der Ex-Bremer hat sich dazu entschlossen, "noch mal ganz unten bei Null anzufangen".

Zur Saison 2009/2010 wechselte Banecki zum krisengeschüttelten Traditionsverein Kickers Emden, der aus finanziellen Gründen freiwillig in die fünftklassige Oberliga Niedersachsen West abgestiegen ist. Statt in Barcelona, London oder Turin spielt er nun vor einigen hundert Zuschauern in Oldenburg, Hameln und Meppen.

Fast zwei Jahre ohne Spielpraxis

"Ich habe damit abgeschlossen. Der Europapokal-Auftritt ist nicht mehr als eine kleine Notiz im Lebenslauf. Er bringt mich nicht weiter", sagt Banecki heute. Nach einer langen Leidenszeit musste er einsehen, dass im Profigeschäft ein Champions-League-Einsatz in der Vita nichts zu bedeuten hat.

Schon gar nicht, wenn man zusammen genommen fast zwei Jahre lang in der Reha verbracht hat. Bereits in Bremen, als Banecki als Regionalliga-Spieler bei den Profis trainiert und sich langsam an die erste Elf herantastet, hat er das erste Mal Probleme mit dem linken Knie.

Banecki hat zudem mit Leistungsschwankungen zu kämpfen und kann sich trotz des verheißungsvollen Starts bei Werder, damals immerhin der amtierende deutsche Meister, nicht durchsetzen. Trainer Schaaf damals: "Francis lässt seine Stärken nur aufblitzen, es fehlt die Konstanz".

Stempel Langzeitverletzter

Banecki soll in der 2. Liga Spielpraxis sammeln und wird zur Saison 06/07 nach Braunschweig ausgeliehen, wo das Schicksal grausam zuschlägt: Patellasehnenriss, Operation, zwei Monate Pause. Heißt es zunächst. Doch die Knieverletzung ist komplizierter als angenommen und setzt ihn nicht nur für die gesamte Zweitliga-Rückrunde, sondern auch für das darauf folgende Jahr in Bremen außer Gefecht.

"Die Operation war der Anfang vom Ende. Es hieß, dass ich zur Sommerpause wieder fit bin. Doch wenn man ein Jahr lang pausieren muss, bekommt man schnell den Stempel 'Langzeitverletzter' aufgedrückt. Und den wird man nicht so einfach wieder los", erzählt Banecki.

Der Vertrag in Bremen läuft aus, Angebote anderer Vereine sind rar. Auf einen Langzeitverletzten ohne jegliche Spielpraxis haben es die Klubs nicht gerade abgesehen. Versuche, bei Union Berlin und Dynamo Dresden in Liga drei unterzukommen, scheitern. Banecki kehrt zurück in die Heimat und erleidet bei der Regionalliga-Reserve von Hertha BSC den nächsten Rückschlag. Er muss erneut am linken Knie operiert werden.

Zu Beginn der laufenden Saison wagt der heute 24-Jährige schließlich den Neuanfang in Emden. Doch der Verein ist knapp bei Kasse und kann Banecki nur als 165-Euro-Kraft anstellen. Der ehemalige U-20-Nationalspieler lebt von Arbeitslosengeld. Zu wenig, um die junge Familie und den kleinen Sohn zu ernähren. Banecki scheint am Tiefpunkt angelangt. Immerhin steht er aber endlich wieder auf dem Platz, das Knie hält.

Zurück in die Zukunft

In der Winterpause hat Banecki erneut den Verein gewechselt. Mittlerweile spielt er beim FC Oberneuland Bremen, wo er wieder angemessen bezahlt wird, sodass er nicht auf Staatskosten leben muss.

Trainer des Regionalligisten ist ein alter Bekannter: Mike Barten. Der Ex-Profi kennt Banecki aus gemeinsamer Reha-Zeit in Bremen und erhofft sich von der erfahrenen Verstärkung mehr Stabilität für den Defensivverbund.

"Das Fußballspielen habe ich nach all den Verletzungen nicht verlernt. Ich will mich Schritt für Schritt wieder rankämpfen", sieht Banecki den Vereinswechsel als ersten Schritt zurück in die Zukunft.

Es dürfte schwer werden, dem Champions-League-Einsatz in seinem Lebenslauf noch weitere Notizen aus dem Profi-Fußball hinzuzufügen. Doch Banecki gibt sich kämpferisch: "Ich kann mich mit dem, was ich bis jetzt erreicht habe, nicht zufrieden geben."

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