Tempo, Tränen, Tragödien

Von Christian Rapp
Michael Schumacher gewann in Monza insgesamt fünfmal
© imago

Am Wochenende gastiert der Formel 1-Zirkus in Monza (alle Sessions im LIVE-TICKER). Mit keiner anderen Strecke sind deutsche Schicksale so eng verbunden. Unfassbare Tragödien, aber auch monumentale Sieger brachte der Highspeed-Kurs hervor. SPOX blickt auf den Mythos Monza zurück.

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Der Königliche Park von Monza ist so vollkommen anders, als die Rennstrecken der heutigen, schnelllebigen Zeit. Es vermag den Anschein, als würde die Zeit an diesem märchenhaften Ort stehen bleiben. An manchen Ecken fällt der Putz von der Wand, Löcher in den Wegen werden zu Stolperfallen und alles wirkt wie aus einer weit, weit entfernten Zeit.

Der Park mit seiner Rennstrecke besitzt genau das, was den neumodischen Strecken fehlt. Charakter, Flair und Magie. Vor allem die imposanten Bäume prägen das Bild. Durch sie entsteht ein Wechselspiel von Licht und Schatten, welches seinesgleichen sucht auf den Rennstrecken dieser Welt.

Licht und Schatten. Triumphe und Tragödien. Heroen fanden hier ihr tragisches Ende. Neue Legenden entstiegen wie Phönix der Asche. Immer dabei die mächtigen Bäume als stille Zeitzeugen der denkwürdigen Vergangenheit dieses Kurses.

Prädestiniert für Tragödien

Eigentlich ist die Streckenführung des Autodromo Nazionale di Monza simpel. Drei Schikanen, vier Kurven, ansonsten im Höllentempo geradeaus. Doch Monza hat mit der Parabolica die bekannteste Kurve des F1-Zirkus zu bieten. An ihren Leitplanken zerschellten Autos, Triumphe und auch Leben. Insgesamt werden 70 Prozent der Strecke "full throttle" gefahren. Wer bremst, verliert.

Die Gier nach dem Geschwindigkeitsrausch fordert schon bald das erste Todesopfer. 1922 wurde die Strecke offiziell freigegeben. Sofort zeigt das Autodromo seine hässliche Fratze und krallt sich sein erstes Opfer. Bereits im Training zum Grand Prix am 9. September 1922 endet die Trainingsfahrt von Gregor Fritz tödlich.

Ein gebrochenes Speichenrad an seinem Astro-Daimler besiegelt sein Schicksal. Das erste Opfer, gleich ein Deutscher. Es sollte nicht der letzte Rennfahrer aus Bundesrepublik bleiben, der sein Leben an diesem magisch-dunklen Ort ließ.

Deutschland im Trips-Fieber

Es ist das Jahr 1961 und ganz Deutschland im Motorsport-Fieber. Der charismatische Wolfgang Graf Berghe von Trips, Frauenschwarm und Wunschschwiegersohn sämtlicher Mütter der Nation, fährt dem ersten deutschen Titelgewinn entgegen. Mit einem Sieg in Monza könnte er sich zum König der Königsklasse krönen.

Doch bereits in den Jahren zuvor macht Trips unliebsame Erfahrungen mit dem Autodromo. 1956 verhindert ein schwerer Trainingsunfall Trips' Debüt in Monza. Ein Lenkhebel bricht, der Ferrari macht einen Doppelsalto und ist Schrott. Trips kommt mit dem Schrecken davon.

Zwei Jahre später kollidiert er während dem Rennen mit Harry Shell. Beide Boliden fliegen in den Wald. Doch auch diesen Horror-Unfall überlebt der Graf. Der Park verschont ihn ein weiteres Mal, um dann 1961 mit seiner gesamten Grausamkeit zuzuschlagen.

Dreimal ist einmal zu viel

Das Rennwochenende steht unter keinen guten Voraussetzungen. Unter der Woche hat Trips bei Reifentestfahrten in den Steilkurven Probleme mit seiner Lenkung. Dort bringt er den Ferrari aber sicher zum Stehen. Stirling Moss erinnert sich mit Schaudern an die damaligen Streckenverhältnisse.

"Monza in diesen Tagen war schrecklich. Die Kombination von zwei unterschiedlichen Streckentypen machte es schwierig, die optimale Fahrzeugabstimmung zu treffen. Wenn du ein gutes Setup für den Straßenkurs gefunden hattest, passte es nicht für die Steilkurven."

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Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich die Piloten bewegen. Am Rennsonntag überschreitet Berghe von Trips diesen, als er bei einem Überholmanöver zu früh einschert und den linken Vorderreifen von Jim Clark touchiert. Danach führt das Schicksal grausam Regie.

Der Ferrari hebt ab, überschlägt sich und schleudert den Grafen mit voller Wucht aus dem Boliden. Trips bricht sich das Genick und ist auf der Stelle tot. Mit in den Tod nimmt er 15 Zuschauer, da sein Bolide die spärlichen Sicherheitszäune durchschlägt und in die Publikumsränge fliegt. Deutschland steht unter Schock und weint um seinen rasenden Grafen.

Düstere Vorausahnungen

1970, neun Jahre nach Trips' Tod, erobert ein gebürtiger Deutscher namens Jochen Rindt die Formel 1-Bühne. Rindt, als Kind Vollwaise geworden und in Österreich von seinen Großeltern erzogen, startet für die Alpenrepublik.

Er fährt die Konkurrenz in Grund und Boden. Immer am Limit und knallhart gegen sich und seine Mitstreiter. Im Zusammenhang mit seinem Aussehen und Auftreten auf der Piste, trägt er bald den Spitznamen "James Dean". Ironie des Schicksals nennt man wohl so was.

Angst hat Rindt keine, er fürchtet nur technische Probleme, die ihm später einen verhängnisvollen Strich durch die Rechnung machen sollten. "Meine größte Sorge ist, dass am Auto nichts bricht. Ich fühle, dass ich persönlich gut genug bin, keinen Fehler zu machen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich das Auto kontrollieren kann, falls etwas am Auto schiefgeht."

Legende vom leeren Krankenwagen

Die Prophezeiung erfüllt sich. Im Training fährt er auf die Parabolica zu, als seine rechte vordere Bremswelle bricht und Rindt die Kontrolle über sein Gefährt verliert. "Er bremste bei der 200-Meter-Tafel, das Auto scherte nach links und rechts aus, dann noch einmal und schlug links in die Leitplanken ein", erinnert sich der dahinterfahrende Denis Hulme.

Rindt, der aus Angst vor einem Feuertod seinen Gurt nicht komplett angelegt haben soll, rutscht unter die Lenkung und wird von der Leitplanke zerdrückt.

Was dann folgt, trägt bis heute zum Mythos Monza und Mythos Rindt bei. Laut Bernie Ecclestone, einer der ersten am Unfallort, wurde Rindt nicht fachmännisch erstversorgt. "Jochen hätte nicht sterben müssen. Als ich zur Unfallstelle kam, sah ich ihn auf dem Rücksitz eines Volkswagen liegen. Jemand hat auf seinem Brustkorb rumgetrommelt."

Danach wird er mit dem Rettungswagen zunächst in das falsche Krankenhaus gefahren. Später, auf dem Weg in das richtige Krankenhaus, geht dem Wagen der Sprit aus. Die Legende um den Tod Jochen Rindts ist geboren. Am Ende der Saison ist sein Vorsprung so groß, dass er posthum Weltmeister wird.

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