Im Namen des Maschinengewehrs

Marcus Blumberg
23. Mai 201509:26
Roger Federer wartet immer noch auf seinen zweiten French-Open-Titel nach 2009getty
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Die French Open 2015 stehen vor der Tür und SPOX blickt durch das Hawk-Eye auf das Herren-Turnier. Der Sandplatz-Gott ist nicht der Favorit, für die Deutschen sieht's düster aus und Roger Federer steht einer gemähten Wiese gegenüber. Und wer ist eigentlich dieser Roland Garros?

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Der Top-Favorit: ...befindet sich in beeindruckender Verfassung. Novak Djokovic hat bereits die Australian Open in Melbourne gewonnen und in dieser Saison schon fünf Titel insgesamt eingefahren, darunter den ultimativen Frenchie-Test, das Masters Series 1000 von Rom. Überhaupt ist er auf Sand 2015 noch tadellos und hat alle seine Matches für sich entschieden.

Der achtmalige Grand-Slam-Gewinner ist die Nummer Eins der Welt und hat in seiner herausragenden Karriere nur einen Makel: Roland Garros! Er stand zwar in den letzten drei Jahren zweimal im Finale, unterlag jedoch jeweils Rafael Nadal. In diesem Jahr jedoch könnte sich das Blatt wenden.

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Vor einem möglichen Viertelfinale gegen Nadal wären die dicksten Brocken, die der Djoker aus dem Weg zu räumen hätte, Bernard Tomic in der dritten Runde sowie Richard Gasquet oder Kevin Anderson im Achtelfinale. Alles machbar.

Der Titelverteidiger: Traditionell ging Rafael Nadal als haushoher Favorit in die französische Hauptstand. Kein Wunder, hat er doch seit 2005 Roland Garros neun Mal für sich entschieden - nur 2009 nicht, da unterlag er irgendwie Robin Söderling.

In dieser Saison jedoch steht der Sandplatz-Gott nicht ganz oben auf der Kandidatenliste, wenn es darum geht, die Musketier-Trophäe in Empfang zu nehmen. Ihm fehlt die Form, vielleicht auch die letzte Fitness. Der Spanier gewann erst ein Turnier: das 250er in Buenos Aires. Ansonsten unterlag er bei den 1000ern von Monte Carlo im Halbfinale gegen Djokovic, im Finale von Madrid gegen Andy Murray sowie im Viertelfinale von Rom gegen Stan Wawrinka. Erschreckend für Rafa: In Entscheidungssätzen hat er lediglich eine Bilanz von 4-4. Also in jenen, die er sonst immer dominiert hat.

Erschwerend kommt hinzu, dass Nadal eines der schwersten Draws überhaupt vor der Brust hat. Vom Viertelfinale an drohen Duelle mit Djokovic, Murray und Federer. Will er den zehnten Paris-Titel, muss er richtig hart arbeiten!

Beste Vorbereitung (abgesehen vom Djoker): Ähnlich wie die Nummer Eins der Welt, Djokovic, hat auch die derzeitige Nummer Drei, Andy Murray, eine nahezu makellose Vorbereitung auf Sand hingelegt. Wie der Djoker ist der Schotte noch ungeschlagen, wobei er in Rom vor dem Achtelfinale aus Kraftmangel ausgestiegen ist. Zuvor jedoch gewann er München und Madrid in aufeinanderfolgenden Wochen. Kein Wunder also, dass er nach dann zehn Spielen in knapp 14 Tagen eine Pause benötigte.

Im Finale von Madrid schlug er Nadal deutlich in zwei nicht mal hart umkämpften Sätzen (6:3, 6:2) und gab damit schon früh ein Statement ab, dass er mit der Elite auf dem Belag mithalten kann. Einziges psychologisches Manko bei ihm: Er trat in diesem Jahr zwei Mal gegen Djokovic an, verlor einmal im Halbfinale von Indian Wells und natürlich das große Finale von Melbourne am Anfang des Jahres.

Letztes Jahr: Bevor es zum Traumfinale zwischen der Eins und Zwei des Turniers kam und Rafael Nadal seine beeindruckende Serie in Paris fortsetzte, durfte ein hochkarätiges Favoritensterben bestaunt werden. Direkt in Runde eins strich Stan Wawrinka die Segel. Der Schweizer, an Position drei gesetzt, unterlag dem Spanier Guillermo Garcia-Lopez in vier Sätzen.

Landsmann Roger Federer schaffte es wenigstens bis ins Achtelfinale, wo gegen Ernests Gulbis nach Fünf-Satz-Krimi Schluss war. Der Lette wiederum war die Überraschung des Turniers und kämpfte sich bis ins Halbfinale vor, was bis heute sein bestes Karriere-Resultat überhaupt bei einem Grand Slam ist.

Die Halbfinals bestritten Nadal gegen Andy Murray sowie Gulbis gegen Novak Djokovic. Nadal machte mit dem Schotten kurzen Prozess, watschte ihn in drei Sätzen ab und gab insgesamt nur sechs Spiele ab. Gulbis schlug sich gegen den Serben etwas besser, gewann immerhin den dritten Satz.

Im Finale demonstrierte der Sand-König dann einmal mehr, warum er der wohl der beste Sandspieler in der Geschichte des Sports ist. Djokovic wehrte sich nach Kräften, doch am Ende stand ein souveräner Vier-Satz-Erfolg und Roland-Garros-Titel Nummer neun für Nadal.

Dark Horse: Roberto Bautista Agut ist einer, der immer mal wieder gute Ansätze zeigt, dann aber doch wieder Schwankungen drin hat. In den letzten Wochen und Monaten stabilisierte sich der Spanier allerdings und unterlag nur noch gegen Topleute wie Murray, Kei Nishikori oder Tomas Berdych - und gegen Thomaz Bellucci, was wieder mal eine Schwankung darstellte.

Das Potenzial zu höherem ist jedoch da und sein Draw lässt durchaus Raum für eine Serie: Nach Florian Mayer und Lukas Rosol wäre Feliciano Lopez der wahrscheinliche Gegner in Runde drei. Der erste Top-10-Gegner wiederum wäre Nishikori im Viertelfinale. Gegen Topleute steht er 2015 bei 0-4, aber auch schon ein Viertelfinale wäre eine Ansage des 27-Jährigen.

Geschichtsstunde: Das als French Open bekannte Turnier heißt offiziell "Les internationaux de France de Tennis, Roland Garros" oder kurz: "Tournoi de Roland Garros". Doch wer war eigentlich besagter Roland Garros? Er war ein Flieger, sogar der erste, der das Mittelmeer non-stop - von Frejus (Frankreich) bis Bizerte (Tunesien) - überflog. Er kämpfte im ersten Weltkrieg und sorgte für eine bahnbrechende Entwicklung: Er erfand ein Maschinengewehr, das durch seinen Propeller schießen konnte.

Auch die Stadionanlage trägt seinen Namen. Erbaut wurde sie im Übrigen 1928 als Spielstätte für die Titelverteidigung des Davis Cups gegen die USA. Es gab zu der Zeit schlicht keine andere Tennisanlage für solch einen Anlass in ganz Frankreich.

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Schwerster Draw: Zugegeben, das härteste Los hat wohl Nadal erwischt mit einem hammerharten Endprogramm. Aber einer, den es wohl noch empfindlicher trifft, ist sicherlich Lokalmatador Gael Monfils. Der Paradiesvogel fängt zwar gegen Wildcard-Inhaber Edouard Roger-Vesselin recht überschaubar an, doch schon in Runde drei droht mit Pablo Cuevas ein unangenehmer Sandplatzspezialist. Und sollte die Hürde noch nicht hoch genug gewesen sein, wartet wohl Federer im Achtelfinale. Frankreich muss wahrscheinlich auch weiterhin auf den ersten Heimerfolg seit Yannick Noah 1983 warten.

Leichtester Draw: Auf dem Papier hat keiner einen so leichten Weg ins Finale von Roland Garros wie der Sieger von 2009, Roger Federer. Der Rekord-Grand-Slam-Champion hat das Glück, dass er in seiner Hälfte im Grunde allen namhaften Kontrahenten aus dem Weg geht. Seine größten Herausforderungen könnten Gael Monfils im Achtel-, der formschwache Wawrinka im Viertel- sowie Kei Nishikori oder Berdych im Halbfinale sein.

Der größte Gegner des Schweizers ist somit wohl er selbst samt seiner zuletzt immer mal wieder auftretenden Formschwankungen. Aber wenn er die in den Griff bekommt, könnte er seine größte Chance auf einen Frenchie-Titel seit 2009 bekommen.

Upset Alert: Der an Position 16 gesetzte Amerikaner John Isner, seines Zeichens Aufschlag-Monster, geht zwar als Favorit ins Duell mit dem Italiener Andreas Seppi, aber allzu sicher darf sich der 2,08-Meter-Hüne nicht sein. Sand ist nicht unbedingt sein Lieblingsbelag und kommt seinem Serve-and-Volley-Stil nicht eben entgegen.

Zudem ist Seppi ein durchaus fähiger Sandspieler. Beide trafen bisher zwei Mal auf der Tour aufeinander, beide Male ging es über die volle Distanz. Isner gewann bei den Aussies 2010, Seppi wiederum auf römischem Sand 2012.

Die Deutschen: Insgesamt treten sechs Deutsche bei den French Open 2015 an. Vier waren direkt qualifiziert und mit Michael Berrer und Matthias Bachinger schafften es zwei weitere erfolgreich durch die Quali - Alexander Zverev war dort gescheitert.

Klar sein dürfte, dass keiner der Deutschen den Sprung in die zweite Woche packen wird. Läuft alles normal, dann ist für den einzigen gesetzten DTB-Spieler, Philipp Kohlschreiber (Position 22), nach einem lockeren Auftakt gegen Go Soeda (Japan) spätestens in Runde drei gegen Jo-Wilfried Tsonga Schluss. Doch auch schon in der zweiten Runde gegen Pablo Andujar könnte es schwer werden.

Ebenfalls Hoffnungen auf Runde drei darf sich Jan-Lennard Struff, dessen Chancen in Runde eins gegen Victor Troicki durchaus gegeben sind. Danach sähe es gegen Simone Bolelli oder Steve Darcis ähnlich aus. Dann allerdings droht mit David Ferrer einer der besten Sandplatz-Spieler überhaupt und ein sehr wahrscheinliches Aus.

Chancen auf die zweite Runde hat Benjamin Becker gegen Ruben Bemelmans, doch danach dürfte Fernando Verdasco Endstation sein für den Wahl-Texaner. Florian Mayer wiederum hat mit Roberto Bautista Agut unser Dark Horse erwischt und geht danach wohl schon nach Hause.

Berrer, der seine Karriere zum Beginn des neuen Jahres beenden wird, trifft auf den durchaus fähigen Sandplatzspieler Jeremy Chardy. Sollte er das überstehen, käme es zum Duell mit dem Sieger aus Isner und Seppi. Bachinger wiederum muss gegen den Marcel Granollers ran. Auch der hat eine vorzeigbare Vita auf Sand. Bei einer Überraschung ginge es im Anschluss an keinen geringeren als Federer.

Zwei Welten: Vielleicht nicht sportlich hochinteressant, aber dafür gemütstechnisch wertvoll dürfte das Erstrundenmatch zwischen dem heißblütigen Italiener Fabio Fognini und dem Japaner Tatsuma Ito werden. Fognini ist bekannt dafür, öfter mal völlig auszuticken, wenn es nicht läuft. Auf der anderen Seite sind Japaner ja doch eher von der ruhigeren Sorte. Was passiert also, wenn diese Welten aufeinander prallen? Man darf gespannt sein.

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