REAL MADRID CLUB DE FUTBOL

Die Geschichte von Europas König

Real Madrid ist der wohl berühmteste, schillerndste und erfolgreichste Fußballklub der Welt. Die Königlichen gewannen von 1956 bis 1960 die ersten fünf Austragungen des Europapokals der Landesmeister und sind der einzige Klub, der die UEFA Champions League verteidigte. Am 26. Mai 2018 steht Real Madrid gegen den FC Liverpool vor dem Hattrick in der Königsklasse. SPOX blickt auf die zwölf bisherigen Titel zurück - la Duodecima.

"Wir wollen die Copa - und den Kopa", stand am Morgen des ersten Endspiels des Europapokals der Landesmeister auf der Titelseite der L'Equipe. "Wir", das war natürlich Real Madrid. Die Königlichen sind nach Paris gereist, um als erster Verein den Henkelpott zu holen und außerdem den größten Star des Finalgegners Stade Reims: den französischen Nationalstürmer Raymund Kopa. Sie sollten beides bekommen.

Kopa, das muss man dazusagen, hatten sie eigentlich schon zuvor. Bereits zwei Wochen vor dem Finale lief er bei einem Freundschaftsspiel für Real gegen den brasilianischen Verein Vasco Da Gama auf und erzielte zwei Tore. Streng geheim natürlich. Real-Präsident Santiago Bernabeu gefiel, was er sah, und was ihm gefiel, wollte er verpflichten. Sechsmal so viel Gehalt wie in Reims bot er Kopa der Legende nach, und der konnte es nicht glauben. So viel? Ja, so viel! Kopa unterschrieb.

Das Finale zwischen Reims und Real wurde also zu seiner Abschiedsvorstellung und beinahe hätte er sich bei seinem neuen Arbeitgeber unbeliebt gemacht. Angefeuert von den französischen Landsleuten im Pariser Prinzenparkstadion führte Reims bereits nach zehn Minuten mit 2:0. Real glich aus - und geriet wieder in Rückstand. Kopa traf zwar nicht, bereitete aber zwei Treffer vor.

"Das war das schwierigste von all den Finals, die wir gespielt haben", sagte Reals Francisco Gento Jahre später. Und das soll was heißen, denn er spielte schließlich einige davon. Angeführt von Alfredo di Stefano drehte Real das Spiel und gewann mit 4:3. "Es war die Geburtsstunde der größten Mannschaft der Fußballgeschichte", erklärte Kopa und machte sich auf nach Madrid, um ihr beizutreten - ohne zu wissen, was er dort sollte. "Ich habe keine Ahnung, warum mich Real braucht", sagte er. "Die Mannschaft ist komplett." Mit ihm wurde sie eben noch kompletter.

1954 hatte der französische Journalist Gabriel Hanot eine Idee: eine Europameisterschaft für Vereinsmannschaften. Alle europäischen Landesmeister sollten an dem Turnier teilnehmen, die Spiele wochentags an Abenden unter Flutlicht ausgetragen werden. Revolutionär! Hanot bekam dafür Ablehnung wie Zustimmung und in Real-Präsident Santiago Bernabeu den vielleicht mächtigsten Fürsprecher des Weltfußballs.

Bernabeu sah das Potenzial des Turniers als einer der ersten. Spiele gegen aufregende Mannschaften aus dem Ausland und vor allem Spiele, die zusätzliche Ticketeinnahmen bedeuten würden. Als hätte er es geahnt, hatte Bernabeu einige Jahre zuvor ein Stadion in Madrid bauen lassen, dass das beeindruckendste seiner Zeit werden sollte. Nuevo Estadio Chamartin hieß es zunächst, aber 1955 benannten sie es nach seinem Auftraggeber: Estadio Santiago Bernabeu. Ein Stadion, das förmlich nach internationalen Flutlichtspielen schrie.

"Das Projekt sagt mir und meinem Freund Santiago Bernabeu enorm zu", ließ der Präsident des spanischen Fußballverbandes, Juan Touzon, also eilig in Richtung Hanot ausrichten. Bernabeu hatte die Fußballpolitiker seines Landes fest im Griff. "Wir sind bereit, alle Top-Teams aus Europa in einem Stadion zu empfangen, das für mehr als 100.000 Zuschauer Platz hat."

1955 wurde der Wettbewerb schließlich eingeführt. Wie versprochen empfing Real Top-Teams - und besiegte sie. Jeweils drei in der ersten und drei in der zweiten Saison. Ungeschlagen war Real im eigenen Stadion und durfte im Mai 1957 das Finale ausrichten. 124.000 Menschen kamen ins Estadio Santiago Bernabeu, um Real gegen den AC Florenz siegen zu sehen. Und sie wurden nicht enttäuscht: ein Elfmeter von Alfredo di Stefano, ein Lupfer von Francisco Gento, 2:0, Titelverteidigung. So in etwa hatte sich das Bernabeu vorgestellt.

Für viele Experten waren die Busby Babes von Manchester United die neue, aufstrebende Macht im europäischen Fußball, die an der Vormachtstellung Reals rütteln sollte. Bis zu jenem tragischen 6. Februar, als die Maschine der Red Devils nach Zwischenstopp in München bei widrigen Bedingungen über die Landebahn hinausschoss, mehrere Gebäude rammte und vollständig zerstört wurde. 

23 Menschen starben, darunter acht Spieler. Bis ins Mark erschütterte das Unglück den europäischen Fußball, auch 60 Jahre später bleibt die Tragödie unvergessen.

Aber schon damals hatte der Fußball eine unerbittliche, eine eiskalte Wahrheit verinnerlicht: The Show must go on. Und so schlug Milan ein verwundetes United im Halbfinale und forderte wenig später den Champion, nur wenige Meter vom für die Expo 1958 errichteten Atomium entfernt.

Wer keine Eintrittskarte für das Heysel-Stadion ergattert hatte, konnte sich die Partie also für ein Eintrittsgeld von 30 belgischen Franc aus dem Restaurant der obersten Atomium-Kugel ansehen. Eine Partie, in der Milan nur 25 Prozent Ballbesitz hatte, aber durch Juan Schiaffino in Führung ging: Der argentinische Spielmacher, vier Jahre zuvor für die Weltrekordsumme von 72.000 Pfund Sterling gekommen, marschierte in bester Lothar-Matthäus-Manier durch das gesamte Mittelfeld und traf aus der Distanz. 

Aber er war eben nicht der einzige Superstar auf dem Platz. Di Stefano glich per Volley-Hammer aus, nach erneutem Rückstand traf Hector Rial. Der hatte sich nur wenige Stunden zuvor beim Besuch des Atomiums den Knöchel verstaucht, wovon die Italiener allerdings nichts wussten. 

Die Verlängerung musste her - zum ersten Mal überhaupt in der Europapokal-Geschichte. Real hatte den längeren Atem: Zunächst traf Gento den Pfosten, wenig später schickte er einen Ball ins lange Eck. Ein Schuss, das dürfte auch Milan-Keeper Soldan zugeben, der nicht gerade unhaltbar war. Egal, Soldan griff ins Leere. Und Real zum dritten Mal in Folge nach dem Pokal.

Es war die Neuauflage des ersten Endspiels - und wieder zog der französische Herausforderer den Kürzeren. "Wir hatten einfach Pech, zur gleichen Zeit wie diese unglaubliche Mannschaft von Real Madrid zu spielen", sollte sich Reims-Keeper Dominique Colonna nach dem Finale ärgern. "Wenn sie nicht wären, hätten wir Europa vielleicht über Jahre dominiert." 

An Colonna lag es übrigens nicht: Er war zwar schon in der ersten Minute gegen den Außenrist-Abschluss von Mateos machtlos, parierte zwölf Minuten später aber einen Strafstoß des Torschützen und hielt sein Team im Spiel. 

Den Abgang Raymond Kopas drei Jahre zuvor hatte Reims weggesteckt, mit Just Fontaine (WM-Torschützenkönig 1954) und weiteren Nationalspielern bot man fast schon ein All-Star-Team auf. Aber gegen Real und Di Stefano, der seine Trefferserie in Endspielen fortsetzte, war kein Kraut gewachsen - und das, obwohl Neuzugang Ferenc Puskas, mittlerweile 31 und bei seiner Ankunft in Madrid mit einem "prallen Senatorenbauch" ausgestattet, verletzt fehlte.

Wie erging es Kopa im Finale gegen seine alten Kollegen? Der Ballon-d'Or-Gewinner des Vorjahres humpelte nach einer fiesen Grätsche von Jean Vincent nur noch über den Platz, er hatte sich das Knie überdehnt. Ob es die nette Geste von Reims-Trainer Albert Batteux war, der ihm höchstselbst einen Stützverband anlegte? Auf jeden Fall schlug Kopa nach seinem dritten Pokaltriumph einen Fünfjahresvertrag von Real aus und wechselte zurück in die Heimat: "Ich glaube, meine zukünftigen Kollegen haben mich gewinnen lassen."

"Wir saßen da und haben unseren Augen nicht getraut. Wir hatten so etwas zuvor noch nie gesehen. Real war von einem anderen Planeten. Von diesem Fußball waren wir Engländer Tausende Lichtjahre entfernt."

Der spätere englische Weltmeister Jimmy Greaves erinnerte sich daran, wie er gemeinsam mit den Nationalmannschaftskollegen den fünften Europapokal-Erfolg der Königlichen gesehen hatte. In einem Hotel in Budapest bereiteten sich die Three Lions auf ein Länderspiel gegen Ungarn vor. Und sie wollten das Finale sehen. 

Weil das ungarische TV die Partie nicht übertrug, fummelte der Kellner an der Antenne auf dem Dach herum, um irgendwie das Signal eines Schweizer Senders zu bekommen. Also saßen die Engländer da und schauten ohne Ton. Was sie sahen, war eine Demonstration.

"Mein erster Gedanke war: Dieses Spiel ist verschoben, gescriptet, ein Film. Die Spieler haben Dinge gemacht, die nicht möglich sind, nicht menschlich", staunte Bobby Charlton. Was die Engländer im Fernsehen sahen, erlebten im Hampden Park in Glasgow beinahe 130.000 Zuschauer. Europapokal-Rekord bis heute. 

Dabei war es alles andere als klar, ob die Eintracht überhaupt antreten würde. In den Jahren nach dem Wunder von Bern hatte es Dopingvorwürfe gegen Deutschland gegeben. Ungarns Starspieler Ferenc Puskas hatte diese in einem Interview befeuert. Deswegen verbot der DFB Spiele gegen Teams, in denen Puskas spielte. Erst nach einer schriftlichen Entschuldigung des Angreifers im Jahr 1960 hob der Verband diese Anordnung auf.

Also spielte die Eintracht. Aber Puskas spielte eben auch - und wie. Er traf viermal, die anderen drei Tore erzielte Alfredo di Stefano. In Erinnerung blieb die Partie aber nicht nur wegen des Resultats. Reals Spielweise war ein Blick in die Zukunft: schnelle, technisch anspruchsvolle Kombinationen, wie man sie zuvor noch nie gesehen hatte.

Die BBC zeigt das vielleicht prägendste Finale der Europapokal-Geschichte jedes Jahr in voller Länge. Mittlerweile müssen Sir Bobby Charlton und Jimmy Greaves also nicht mehr auf das Schweizer Fernsehen zurückgreifen. 

1956 nahm Miguel Munoz als erster Spieler überhaupt die größte Trophäe des europäischen Fußballs entgegen. Als Kapitän von Real Madrid, als Sieger des ersten Europapokals der Geschichte.

Gerade einmal drei Jahre später - und ein Jahr nach dem Ende seiner Laufbahn als Spieler bei den Blancos - wurde Munoz Reals neuer Trainer. Er selbst war noch Teil einer Generation, die das Spiel in eine neue Welt gehievt hatte, sodass man in ganz Europa nur staunend zusehen konnte - deren Zeit sich aber auch dem Ende neigte. 

Munoz war der Mann für den radikalen Umbruch. Legenden wie di Stefano und Puskas musterte Munoz aus und ersetzte sie mit jungen, talentierten Spielern - fast ausschließlich aus Spanien. Trotz der ungebrochenen Dominanz in der Liga sollte es bis zur nächsten Krönung auf europäischem Grund sechs Jahre dauern.

Im Brüsseler Heysel-Stadion wartete 1966 Partizan Belgrad. Eine Mannschaft, die in der jugoslawischen Heimat Anfang der Sechzigerjahre den Spitznamen "Dampfwalze" bekommen hatte. Unter der Leitung des deutschen Schiedsrichters Rudolf Kreitlein hielten die Belgrader auch lange Stand, führten nach einem wuchtigen Kopfball von Velibor Vasovic sogar.

Doch der Abend des 11. Mai sollte Munoz und seiner Mannschaft gehören, die er sorgsam aufgebaut hatte mit Spielern wie Amancino Amaro, der vier Spielzeiten zuvor als 22-jähriges Talent gekommen und mittlerweile zu einer Ikone geworden war. El Brujo, den Hexer, nannten sie den Außenstürmer, einen der technisch Besten, die es jemals gab.

Mit einem Sololauf besorgte er in der 70. Minute den Ausgleich. Fünf Minuten später schoss Fernando Serena, ein Spieler aus der eigenen Jugend, der in fünf Jahren bei Real gerade einmal etwas mehr als 50 Ligaspiele absolvierte, die Königlichen mit einem Volley zum Sieg.

Es war die Geburt einer weiteren legendären Madrider Mannschaft, die als Ye-ye in die Real-Geschichte eingehen sollte, nachdem sich einige Spieler im Anschluss an das gewonnene Endspiel als Beatles verkleidet fotografieren ließen. Ye-ye - in Anlehnung an das "Yeah, Yeah, Yeah" im Beatles-Hit "She Loves You".

Raul, Clarence Seedorf, Fernando Hierro, Roberto Carlos - alle tragen einen Mann auf Händen: Jupp Heynckes. In seinem ersten Jahr als Real-Trainer ist ihm das gelungen, was seine Vorhänger zuvor 32 Jahre lang verpasst hatten. Er hat Madrid La Septima geschenkt, den siebten Champions-League-Titel.

Acht Tage später ist es trotzdem vorbei. Morgens erhält Heynckes einen Anruf von Reals technischem Direktor, Jose Martinez Pirri. Als er der Einladung in dessen Haus folgt, ist Präsident Lorenzo Sanz bereits anwesend. Das Gespräch ist kein Rapport, sondern ein Entlassungsgespräch.

Heynckes' Freistellung war eine der kuriosesten der Geschichte. Für den damals 52-Jährigen allerdings kam sie nicht überraschend: "Erstens hatte der Präsident die Trennung bereits nachts in einem Radio-Interview verkündet und zweitens hatte ich sowieso schon beschlossen, nicht weiterzumachen."

Die Amtszeit des ersten deutschen Real-Trainers dauerte also nur ein Jahr. Seit der ersten Trainingseinheit hatte Heynckes alles dem Ziel La Septima untergeordnet - aus einer vereinsinternen Drucksituation heraus. Darunter litten die Leistungen in den nationalen Wettbewerben. Im Pokal war ein Drittligist Endstation, in der Liga reichte es nur für Platz vier.

Seine wenig schillernde Persönlichkeit fiel Heynckes in den spanischen Medien auf die Füße. Früh musste er lesen, dass seine Position schwach sei und er die Mannschaft nicht erreiche. 

Über Leverkusen und Dortmund erreichte Real dennoch das Finale der Königsklasse. Das große Ziel war zum Greifen nah, doch Juventus schien übermächtig. Die Truppe um Alessandro Del Piero und Zinedine Zidane stand zum dritten Mal in Folge im Finale, sie war eine Art Übermannschaft. Keiner glaubte an Real.

Der Legende nach verletzte sich Stürmer Predrag Mijatovic wenige Tage vor dem Spiel, doch er verschwieg es seinem Trainer aus Angst, nicht aufgestellt zu werden. Schließlich spielte er - und erzielte das goldene Tor.

Die Euphorie war Wahnsinn. Erst in der Nacht von Amsterdam, wenige Tage später auf den Straßen und am Plaza de Cibeles in Madrid. 100.000 Fans feierten die Mannschaft und skandierten minutenlang Heynckes' Namen. Wenigstens bei ihnen hatte er einen guten Stand.

Ganz Saragossa blickte nach Paris. Und ganz Saragossa hoffte an diesem 24. Mai, an dem es zum ersten Mal in der Geschichte zu einem Finale zwischen zwei Teams aus demselben Land kam, auf eine Niederlage von Real Madrid.

Vier Tage zuvor war die Saison in der Primera Division zu Ende gegangen. Eine bis heute einzigartige Spielzeit, in der die Meisterschaft erstmals nach Galicien (La Coruna) und der Pichichi erstmals nach Kantabrien (Santander) gegangen waren. Bis heute ist es die letzte Saison, in der es weder Barcelona noch Real gelang, heimische Silberware einzuheimsen. Zwei Spieltage vor Schluss hatten noch sechs Teams die Chance auf den Meistertitel.

Saragossa gehörte zu diesem Kreis. Anfang Dezember 1999 schlug es Real Madrid im Bernabeu mit 5:1, die Königlichen rutschten auf Rang 17 ab. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie zwar bereits Trainer John Toshack durch den unerfahrenen Vicente del Bosque ersetzt, die Probleme blieben jedoch.

Allerdings nur in der Liga. Zusammen mit Valencia und Barca zog Real als dritter spanischer Klub ins Halbfinale der Champions League ein. Der Gegner hieß Bayern München. In der Gruppenphase hatte der deutsche Rekordmeister Real in zwei Partien noch acht Buden eingeschenkt, doch jetzt war Madrid Endstation. 3:2 nach Hin- und Rückspiel. 

Womit nach dieser turbulenten Saison niemand rechnen konnte: Das Endspiel, das man in Madrid als Revanche für die 1981 in Paris erlittene Finalpleite gegen Liverpool ausrief, entpuppte sich als eines der einfachsten in Reals Geschichte.

Valencia kam während der gesamten Spieldauer zu keiner hochkarätigen Torchance. Die internationale Erfahrung gab im Stade de France den Ausschlag. 

Der Abend geriet zur Geburtsstunde zweier Legenden. Da wäre zunächst Del Bosque, der seinen ersten Titel als Trainer holte und anschließend fast alles abräumte, was es zu gewinnen gibt. Und dann natürlich Iker Casillas: Wenige Tage nach seinem 19. Geburtstag bestritt er als jüngster Torhüter aller Zeiten in einem CL-Finale das erste Endspiel seiner Karriere.

In Saragossa war Trauer angesagt. Schließlich musste man trotz Platz vier und den wenigsten Niederlagen aller Teams in der Liga den Champions-League-Platz an den Gewinner und Tabellenfünften Real abtreten. Im UEFA-Pokal der Folgesaison scheiterte Saragossa in der ersten Runde an Wisla Krakau.

Alles, was vor diesem 15. Mai passierte, war eine Katastrophe für Real Madrid. Die Königlichen feierten ihren 100. Geburtstag und Präsident Florentino Perez schenkte dem Klub mit Zinedine Zidane den teuersten Spieler aller Zeiten.

Die 75 Millionen Euro, die Perez an Juventus überwiesen hatte, machten sich lange nicht bezahlt. Real beendete die Saison hinter Valencia und La Coruna nur auf Rang drei, das Pokalfinale ging ebenfalls verloren. Der Druck auf Madrid, besonders auf Zidane, war riesig. 

"Sein erstes Jahr war ziemlich verhalten. Er spielte auf fünf verschiedenen Positionen, da man versuchte, ihn irgendwo unterzukriegen", erinnerte sich Mitspieler Steve McManaman. "Wir holten den größten Spieler der Welt, aber er kämpfte etwas um seine Form und sein Selbstvertrauen. Da es sein erstes Jahr war und wir die Meisterschaft nicht holten, war der Druck groß."

Das machte sich auch in den 90 Minuten im Hampden Park bemerkbar. Außenseiter Leverkusen stellte sich als hartnäckiger Kontrahent heraus und hatte zahlreiche Chancen auf den Ausgleich.

Doch am Ende des Abends war die Geschichte eine andere. Es war die Geschichte von Zidanes Apotheose. Im Hampden Park stieg der Franzose endgültig zum Fußballgott auf. Der eine Moment in der 45. Minute vervollständigte diesen Status nach den beiden Titelgewinnen (WM und EM) mit der Equipe Tricolore 1998 und 2000. 

Es war ein Moment von purer Anmut und Schönheit, als Zidane den Ball nach einer eher zufällig geglückten Hereingabe von Roberto Carlos mit vollendeter Körperbeherrschung volley in den Winkel hämmerte - mit seinem vermeintlich schwächeren linken Fuß.

"Jedem Fußball-Liebhaber - nicht nur den Madridistas - muss dieses Tor gefallen haben", staunte Mannschaftskollege Raul.

Das Tor wurde für Zidane kurz vor seinem 30. Geburtstag zum Startpunkt seiner besonderen und bis heute andauernden Karriere bei den Königlichen. Es brachte ihm den Legendenstatus ein, den er andernorts schon für sich beanspruchen konnte. Er war auf dem Zenit seiner Laufbahn angekommen und hatte nach zwei vergeblichen Anläufen mit Juventus endlich den Henkelpott gewonnen.

"Ich habe versucht, später noch einmal auf diese Weise zu treffen", verriet Zidane ein paar Jahre danach. "Es ist aber nie mehr passiert. Nie mehr. An dem Tag, an dem es passierte, war es perfekt."

Es ist ein bitteres Deja-vu für Atletico. An diesem Abend werden Erinnerungen wach. Erinnerungen an das Europapokal-Finale 1974.

Damals führten die Rojiblancos im Brüsseler Heysel-Stadion gegen den FC Bayern durch einen Treffer von Luis Aragones mit 1:0. Bis zur letzten Minute der Verlängerung. Dann spielte Franz Beckenbauer das Leder auf den Schlappen von Katsche Schwarzenbeck. Der legte aus knapp 30 Metern eine Mischung aus Mut und Verzweiflung in den Schuss - und traf zum 1:1. Direkt danach der Abpfiff. Im Wiederholungsspiel hatte Atletico keine Chance und ging mit 0:4 unter.

Beinahe auf den Tag genau 40 Jahre später ist Atletico gegen den Lokalrivalen Real in Lissabon kurz davor, diesen Fluch endlich abzuschütteln. Bis zur 94. Minute hält die Truppe von Diego Simeone eine 1:0-Führung. Dann wuchtet Sergio Ramos eine Flanke von Luka Modric mit dem Kopf in die Maschen. Direkt danach der Abpfiff. In der Verlängerung hatte Atletico keine Chance. Real nutzte das Momentum und siegte mit 4:1.

"Das Tor hat uns den Stecker gezogen", sagte Atleticos Juanfran später: "Wir waren völlig am Ende und haben nur noch auf das Elfmeterschießen gehofft. " Doch es reichte nicht.

Weil die Beine von Gareth Bale nicht so schwer waren wie die der Rojiblancos. Nach einem Vollsprint köpfte er einen Abpraller aus kürzester Distanz ein und war damit der Held des Finals. Ausgerechnet Bale. Der Waliser hatte in Madrid aufgrund der Rekordablöse von 100 Millionen Euro von Anfang an einen schweren Stand. Nun entschied er innerhalb weniger Wochen zwei Finals für die Königlichen - eine Woche zuvor war er im Pokalfinale gegen den FC Barcelona der Matchwinner.

Carlo Ancelotti schaffte das, was in den zwölf Jahren zuvor große Namen wie Fabio Capello, Manuel Pellegrini oder Jose Mourinho verwehrt geblieben war und worüber diese letztlich alle stolperten: Er holte La Decima. Er befreite Real von den verdammten Fesseln dieses Ziels. Und war damit Stein des Anstoßes für eine Periode der Dominanz.

Für Cristiano Ronaldo ist ein Sieg nur dann ein Sieg, wenn Cristiano Ronaldo die entscheidende Rolle darin spielt. Wenn er es ist, der den Sieg besorgt hat.

Und so diktierte er den anwesenden Journalisten nach dem erneuten Triumph über Atletico in die Notizblöcke: "Ich hatte eine Vision. Ich wusste, dass ich heute das Siegtor erziele. Ich habe zu Zizou gesagt, dass ich auf jeden Fall den fünften Elfmeter schieße, weil ich wusste, dass ich das Spiel entscheiden werde." Ein Sieg, erklärt im pathetischen Sprech eines CR7.

Reals Superstar brauchte das Elfmeterschießen für seinen großen Moment. Zuvor hatte er 120 Minuten lang gegen das aggressive Pressing der Rojiblancos kein Land gesehen. Er war Nebendarsteller und als solcher sichtlich ausgelaugt.

Als sein Trainer Zinedine Zidane die Reihenfolge der Elferschützen aufstellte, strotzte Ronaldo dennoch vor Selbstvertrauen. Er, der bis zu diesem Zeitpunkt der einzige Spieler im Kader der Königlichen war, der in der Saison überhaupt Elfmeter geschossen hatte. Er, der sich sicher war, dass er dieses Finale entscheiden würde.

Tatsächlich kam es so, dass Juanfran als vorletzter Atletico-Schütze vergab, sodass Ronaldos Elfmeter entscheidend war. Er ging mit getriebenem Blick von der Mittellinie zum Strafraum, legte sich den Ball zurecht, machte ein paar Schritte zurück. Nach einer kurzen Konzentrationsphase haute er die Kugel bedingungslos in die Maschen.

Danach gab es kein Halten. Es dauerte keine fünf Sekunden, bis Ronaldo sich das Trikot vom Leib gerissen und von sich geschleudert hatte. Wenige Augenblicke später lag er mit Freudentränen in den Augen auf dem Boden. Nach und nach warfen sich seine Teamkollegen auf ihn. Und als er alle abgeschüttelt und es geschafft hatte aufzustehen, empfing er nach und nach jeden Einzelnen als Gratulanten.

Genau diesen Moment hatte sich CR7 vorgestellt. Der Visionär.

Das Endspiel von Cardiff war eines, das so viele Geschichten schrieb, dass man ganze Bücher damit füllen könnte. Vor allem aber war es das Finale, welches das Real der Zehnerjahre als eine der größten Fußballmannschaften aller Zeiten in die Geschichte eingehen ließ.

Denn vor diesem 3. Juni 2017 war klar: die 1992 gegründete Champions League ist nicht zu verteidigen. Das Juventus Mitte der 1990er Jahre um Del Piero und Zidane hatte es nicht geschafft, der FC Barcelona mit Messi, Iniesta und Xavi nicht und auch die Bayern, die 2013 die beste Mannschaft des Kontinents waren und dann auch noch Pep Guardiola holten, scheiterten.

Doch dann kam Real Madrid. Eine Mannschaft, die so irre gut Fußballspielen konnte und sich eine derartige Siegermentalität angefressen hatte, dass sie den Fluch der Königsklasse wegwischte.

"Wir hatten ein Rendezvous mit der Geschichte", strahlte Sergio Ramos nach dem Abpfiff, der mit einer Schauspieleinlage kurz vor Ende noch eine Rote Karte provozierte - der einzige Schandfleck eines ansonsten aus spanischer Sicht makellosen Abends.

Und das war er nicht nur für die Madrilenen, die die Champions League nun in vier Jahren dreimal gewannen und alle ihre sechs Endspiele des Wettbewerbs für sich entscheiden konnten. Ganz im Gegensatz zu Gegner Juventus, das mit dem 1:4 sein fünftes Finale in Folge verlor.

Nein, auch Cristiano Ronaldo schrieb mal wieder Geschichte. Im Gegensatz zum Vorjahr, als sein einziger Verdienst am Triumph ein Treffer im Elfmeterschießen war, war der Portugiese gegen die Alte Dame mit zwei Toren der entscheidende Mann des Abends. 

CR7 machte sich zum ersten Spieler, der in drei Champions-League-Endspielen traf, der fünfmal in Folge Torschützenkönig des Wettbewerbs wurde, der mit zehn Treffern in einer K.o.-Phase des Wettbewerbs einen neuen Rekord aufstellte.

Der beste Spieler seiner Zeit, bei der besten Mannschaft ihrer Zeit. "Wir", sagte Ronaldo nach dem Abpfiff über diesen Abend in Cardiff: "Sind alle beeindruckt".