ALABAMA CRIMSON TIDE

Der Draft ( ab Fr., 2 Uhr, live auf DAZN) ist das größte Offseason-Ereignis in der NFL: nicht selten wird hier die Geschichte einer Franchise umgeschrieben. Die größte Talentschmiede der vergangenen Jahre ist Alabama, das beste College-Football-Team unserer Zeit. SPOX lädt ein zu einer Reise durch die Geschichte, von einem Receiver-Pionier über den großen Bear Bryant bis hin zu Nick Saban.

Football in den Südstaaten ist nicht quasi Religion. Es ist Religion.

Der Freitagabend, wenn die Friday Night Lights auf die High-School-Felder in Alabama, Georgia, Texas und Co. scheinen, sowie der Samstagnachmittag, wenn es in den gigantischen College-Stadien zur Sache geht, sind hochheilige Termine. An diesen Tagen steht das Leben im Süden still.

Alteingesessene Fans eines Teams aus der SEC - der Southeastern Conference im College-Football - wie etwa LSU, Texas A&M, Auburn, Georgia, Mississippi, Tennessee oder eben Alabama, werden immer der Meinung sein, dass die Colleges im Norden, Osten und Westen es, wenn es um Toughness und Härte geht, mit dem Süden ohnehin nicht aufnehmen können.

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Im Süden spielt insbesondere College-Football auch eine größere Rolle als die NFL: Während Letztere noch eine vergleichsweise "junge" Liga ist, hat College-Football eine deutlich weitreichendere Geschichte. Und eine ganz eigene Symbolkraft für die Südstaaten.

Über die großen Titel-Spiele der 20er und 30er Jahre wird noch immer gesprochen, die Rivalitäten zwischen den SEC-Teams sind riesig. Völlig egal, ob das Spiel gerade auf Augenhöhe stattfindet oder nicht. 

Von all den Teams im Süden bringt Alabama wohl den größten Mythos mit: maßgeblich geprägt durch den großen Coach Paul "Bear" Bryant sowie durch schon frühere historisch gesehen für den Süden wichtige Erfolge. Die Crimson Tide ist heute unter Nick Saban das dominanteste College-Team unserer Zeit - und die größte, konstanteste Talentschmiede für die NFL. 

891 Siege hat Alabama in der NCAA Division I vorzuweisen, genau wie 30 Conference Championships und 19 Spielzeiten, die mit zehn Siegen und ohne Niederlage begonnen wurden. Geprägt wurden diese Spielzeiten durch 68 All-Americans, zwei Heisman-Trophy-Sieger (Auszeichnung für den besten College-Spieler) und bis heute 343 NFL-Draft-Picks.

Vor dem anstehenden Draft reist SPOX zurück in die Geschichte und blickt auf die ruhmreiche aber teilweise auch kritisch betrachtete Bama-Historie - sowie auf die größten Legenden, die Alabama hervorgebracht hat.

Don Hutson und die neue Kraft im Süden

Wenn man weiß, wie sehr die Rivalitäten zwischen den College-Teams im Süden toben können, dann kommt eine Anekdote um das College-Titel-Spiel - den Rose Bowl - nach der 1925er Saison besonders überraschend. Alabama reiste damals als erstes Team aus dem Süden zum Rose Bowl nach Kalifornien, gegen das dominante Washington räumte Bama kaum jemand eine Chance ein.

Es war ein Spiel, auf das der ganze Süden blickte.

Das ging so weit, dass Auburns Präsident ein Telegramm an den eigentlich verhassten Rivalen schickte. Darin stand: "Ihr verteidigt die Ehre des Südens, und Gott wird nicht zulassen, dass ihr das Spiel verliert."

Bis heute ist diese Partie als "Das Spiel, welches den Süden veränderte" bekannt. Alabama schlug Washington mit 20:19. Es war ein Sieg, der nicht nur sportlich Wellen schlug. Vielmehr gab dieses Spiel dem Süden ein neues Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl.

Der Bürgerkrieg war damals gerade einmal 60 Jahre her, und seine Auswirkungen noch deutlich spürbar. Die einstigen Konföderierten Staaten im Süden waren wirtschaftlich durch den Krieg enorm mitgenommen und im Zuge der Abschaffung der Sklaverei fand im Süden eine Neuordnung der Welt, wie man sie bis dato kannte, statt. Das hatte gesellschaftliche, aber auch ganz nüchtern große wirtschaftliche Auswirkungen.

Damit einhergehend war ein wachsender Minderwertigkeitskomplex feststellbar, der stolze Süden suchte krampfhaft nach Möglichkeiten, sich ein neues Selbstbewusstsein zu schaffen.

Er sollte sie im Football finden.

Das begann mit dem genauso unerwarteten wie bemerkenswerten Lauf, den Alabama nach jenem Rose Bowl startete. Bama gewann die Titel 1926 sowie 1930 und stand nach der 1934er Saison schon wieder im Rose Bowl, dieses Mal gegen Stanford.

Die Cardinals gingen zwar in Führung, doch wurde es am Ende eine weitere Machtdemonstration des Südens. Alabama gewann die Partie 35:19, für das Highlight sorgte Don Hutson mit einem 54-Yard-Touchdown-Catch. Running Back Young Boozer fasste die damalige - und heute wohl noch immer gültige - Herangehensweise später so zusammen: "Die klare Philosophie in Alabama lautet: Man leistet etwas mehr, als man leisten kann."

Das 1892 ins Leben gerufene Football-Programm in Alabama hatte zu dem Zeitpunkt schon einen steinigen Aufstieg hinter sich. Von mehreren einflussreichen Männern rund um die Universität als Bedrohung für die akademischen Ziele sowie den Ruf der Schule kritisiert, unterlag Football in Alabama früh sehr strengen Regeln. Diese gingen so weit, dass es 1898 kurzzeitig überhaupt kein Team gab.

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Es dauerte bis in die späten 1910er Jahre, ehe Football in Alabama etabliert war und sich konstant wachsender Beliebtheit erfreute.

Auf der Suche nach dem Start der NFL-Pipeline aus Alabama ist dieses Team ein überaus passender Ausgangspunkt. Auch wenn es die NFL wie wir sie heute kennen - lange vor dem Zusammenschluss mit der AFL - damals noch nicht gab, genauso wenig wie einen Draft; College-Spieler durften frei entscheiden, für welches Profi-Team sie spielen wollten.

Wenn sie das denn überhaupt in Erwägung zogen, denn professioneller Football hatte zu dieser Zeit längst nicht den gleichen Stellenwert wie sein College-Pendant - und im Süden erst recht nicht. Bei Weitem nicht jeder College-Star wollte Football-Profi werden.

Hutson ging es zunächst genauso, erst als ihm Packers-Head-Coach Curly Lambeau eine ungewöhnlich hohe Franchise-Rekord-Summe bot, änderte er seine Meinung. "Ich hatte damals Briefe von etwa zehn verschiedenen Profi-Teams bekommen", berichtete Hutson lange nach seiner aktiven Karriere im Milwaukee Sentinel. "Ich entschied mich für Green Bay, weil die Packers mit das meiste Geld boten - 300 Dollar pro Spiel."

Für die meisten Teams und Fans damals eine obszöne Zahl, wie Hutson weiter ausführte: "Sie haben mir damals je 150 Dollar von verschiedenen Konten überwiesen, damit niemand wusste, wie viel ich tatsächlich verdiene. Für mich aber lag das Glück letztlich nicht im Geld, sondern in der Pass-lastigen Offense von Curly Lambeau. Und er hatte den einzigen wirklich großartigen Passer in der Liga damals: Arnie Herber."

Hutsons erster Profi-Catch 1935 war ein 83-Yard-Touchdown, er gilt noch heute als einer der besten Receiver aller Zeiten und vor allem als einer der revolutionären Spieler auf dieser Position: Mit seiner Geschwindigkeit und seiner Präzision wurde er einer der ersten dominanten Route-Runner und legte so einen gewaltigen Grundstein für modernere Pass-Patterns.

In neun seiner elf NFL-Spielzeiten bei den Packers wurde er zum All-Pro ausgezeichnet, in acht Saisons führte er die Liga in Receptions an. Dazu kamen zwei MVP-Titel. Als Hutson seine Karriere 1945 beendete, hatte er über 200 Pässe mehr auf dem Konto als die damalige All-Time-Nummer-2. Er war der erste Receiver, der in einer Saison 50 Pässe fing. Sein Career-Touchdown-Reception-Rekord hatte fast 50 Jahre Bestand und wurde erst 1989 durch Steve Largent abgelöst.

Doch war Hutson, der nebenbei auch als Green Bays Kicker fungierte, nicht der einzige Name, der von dem 1934/35er Championship-Team in Erinnerung bleiben sollte. Dessen Team- und Receiver-Kollege damals nämlich war niemand anderes als Paul "Bear" Bryant.

Paul "Bear" Bryant

Die 40er und 50er Jahre standen unweigerlich unter dem Einfluss des Zweiten Weltkriegs. Neben dem 41er Team war Alabamas Auswahl 1944 und in den Folgejahren, angeführt von seinem Halfback und Quarterback sowie dem späteren Rose-Bowl-MVP und Nummer-1-Draft-Pick Harry Gilmer, das bekannteste Alabama-Team dieser Zeit. Eine Auswahl, die später den Titel "The War Babies" erhielt, da sie aus Spielern bestand, die (noch) nicht in den Militärdienst konnten.

Die Krönung dieses Teams war eine 34:14-Demontage der USC Trojans im Rose Bowl 1946, dessen Ergebnis der Bama-Dominanz in diesem Spiel nicht ansatzweise gerecht wurde. USC hatte zuvor acht Spiele in Folge gegen Alabama gewonnen, Bama aber trat so dominant auf, dass der Spitzname "The Wooden Horse" - in Anlehnung an Homers antikes Werk - aufkam. 351 Offense-Yards standen am Ende derer 41 gegenüber.

In den 50er Jahren ging es dann jedoch endgültig bergab. Vier Jahre lang hatte man bei der erfolgsverwöhnten Crimson Tide schon auf eine Saison mit zumindest positiver Bilanz gewartet, ehe 1958 ein Coup gelang, der die Geschichte Alabamas und des College Footballs nachhaltig verändern sollte: Paul "Bear" Bryant, der in den 30er Jahren selbst für Alabama gespielt hatte, wurde von seinem Head-Coaching-Posten bei Texas A&M losgeeist und zurückgeholt.

Seine Entscheidung sollte er später mit einem berühmten Zitat begründen: "Mama hat gerufen, und wenn Mama ruft, dann musst du einfach angerannt kommen." Wenn der Titelgewinn im Januar 1926 "den Süden veränderte" und in vielerlei Hinsicht den Mythos Alabama so richtig startete, dann war die Paul-Bryant-Ära ohne jede Frage das Herzstück dieses Mythos.

In den 1960er und 70er Jahren gewann kein College-Team mehr Spiele als Alabama (193 Siege bei 32 Niederlagen). In 25 Jahren unter Bryant gewann Alabama sechs Mal den National Title, drei Mal in den 60ern und drei Mal in den 70ern, sowie 13 SEC Championships. Bryant wurde zwischen 1958 und 1981 elf Mal SEC Coach des Jahres sowie drei Mal College Coach des Jahres. Und es dauerte nicht lange, ehe Bryant das Ruder herumgerissen hatte.

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Schon in seiner ersten Saison beendete Alabama den Negativtrend und gewann bei vier Niederlagen zumindest fünf Spiele. Es folgte ein lange herbeigesehnter Triumph über Erzrivale Auburn in der anschließenden Saison sowie das erste große Ausrufezeichen 1961: Bama marschierte durch die Regular Season und gewann alle zehn Spiele, geprägt erstmals maßgeblich durch eine Bear-Bryant-Defense: Alabama ließ in den zehn Spielen nur 22 Punkte zu und kassierte in den fünf Partien vor dem Sugar Bowl gegen Arkansas keinen einzigen Zähler.

Jener Sugar Bowl wurde eine weitere Defensivschlacht - 10:3 hieß es am Ende, nachdem Alabama mit späten Interceptions den Deckel draufmachte. Bryant gab anschließend zu Protokoll, dass ihm das Spiel "beinahe neun Herzinfarkte" gegeben hätte.

Sein Credo dabei: "Ich will keine normalen Leute. Ich will Leute, die bereit sind, Opfer zu bringen und ohne die Dinge auskommen, die normale Studenten genießen können. Das ist es, was es braucht, um Spiele zu gewinnen."

Segregation im Süden

Aussagen wie jene über das eigene Credo und welche Spieler er bevorzugt wurden später rückblickend allerdings auch nicht selten gegen Bryant verwendet. Denn wie seit jeher wurde auch in Alabama, damals geprägt von Rassenunruhen, der Bürgerrechtsbewegung und der noch immer gerade im Süden starken Unterdrückung von Afroamerikanern, der Sport als politisches Mittel instrumentalisiert.

Inmitten der anstehenden und andauernden radikalen gesellschaftlichen Umbrüche nämlich wurden Bryants erste Titel-Teams - die ausschließlich aus weißen Spielern bestanden - als Symbole für die White-Supremacy-Ideologien missbraucht.

Jeder Bereich des damaligen öffentlichen Lebens wurde aus einem rassistischen Blickwinkel betrachtet, und Football als das ultimative Kräftemessen stand in vielerlei Hinsicht im Mittelpunkt.

Hier hatte sich der Süden bereits - ebenfalls maßgeblich definiert durch Alabamas Erfolge auf dem Gridiron - sein Selbstvertrauen und Selbstverständnis gegenüber dem Norden zurückholen können; die Bedeutung von sportlichem Triumph und athletischen Helden in der Bevölkerung war auch damals schon ein genauso mächtiges wie gefährliches Werkzeug in den Händen der Politiker.

1961 waren Alabama und Mississippi die einzigen US-Bundesstaaten, in denen es keine einzige öffentliche Schule gab, in der die Rassensegregation abgeschafft worden war. Es dauerte bis 1966, ehe die ersten Afroamerikaner in der SEC zu sehen waren und erst 1967 gab es die ersten SEC-Stipendien für Afroamerikaner.

Dieser hässliche Part der Historie ist somit unweigerlich ein Teil auch der Alabama Crimson Tide sowie von Bear Bryant und die Geschichte wäre nicht komplett ohne ihn. Denn auch Bryant selbst wurde noch lange Rassismus vorgeworfen, jahrelang hatte Bryant keine Afroamerikaner für sein Football-Programm rekrutiert.

Bryant begründete das später mit der generellen sozialen Stimmung und den Umständen insbesondere in Alabama, sowie dem Einfluss von Gouverneur George Wallace, ein großer Befürworter der Segregation. Die Marschrichtung bei Bama änderte sich letztlich erst, als im Eröffnungsspiel 1970 Sam Cunningham - der afroamerikanische Running Back der University of Southern California - 150 Yards und drei Touchdowns beim 42:21-Sieg gegen Alabama erlief.

Nach jener Saison kam mit Wilbur Jackson der erste afroamerikanischer Scholarship-Spieler nach Alabama, innerhalb weniger Jahre folgten viele weitere und bis Mitte der 70er Jahre waren zahlreiche Bama-Starter Afroamerikaner.

Sportlich waren die 60er Jahre allerdings von Erfolgen geprägt - und von zwei großen Quarterbacks. Von 1962 bis 1964 hielt "Broadway Joe" Namath das Zepter in der Hand, von 33 Spielen verlor Alabama mit Namath nur vier.

Bryant sollte den schon damals durch seine rebellische Art auffallenden Quarterback, der sich für Alabama und gegen die finanzstarken Angebote von sechs Baseball-Teams entschied, später als "den größten Athleten, den ich jemals gecoacht habe" bezeichnen.

Mit Namath sowie dem herausragenden Lee Roy Jordan, der Center und Linebacker spielte, gewann Alabama 1962 den Orange Bowl, 1963 den Sugar Bowl und 1964 die National Championship mit einem 21:17-Sieg über Texas. Dabei gingen die gesellschaftlichen Entwicklungen der Zeit aber auch an Namath nicht spurlos vorüber.

"Meine Familie hat in einem Teil von Beaver Falls gelebt, der "Lower End" genannt wurde, ein armer Teil der Stadt. Die meisten Jungs, mit denen ich abhing, waren schwarz. In der High School war ich der einzige weiße Junge, der im Basketball-Team gestartet ist. Die anderen vier Jungs waren schwarz, und sie waren alle meine Freunde", berichtete er später in einem Interview.

Dieses Miteinander änderte sich zwangsläufig im College: "Als ich nach Alabama kam - wow! Ich konnte es kaum glauben. Die Wasserspender für die Weißen waren weiß angemalt. Es gab unterschiedliche Toiletten für Weiße und Schwarze. Schwarze mussten im Bus hinten sitzen, Weiße vorne. Ich habe das alles überhaupt nicht verstanden. Als ich dort angefangen habe, gab es auch noch keine schwarzen Studenten."

Sportlich indes war Alabama weiter auf dem aufsteigenden Ast, der Übergang von einem legendären Quarterback zum nächsten war fast nahtlos: Ken "The Snake" Stabler, der später mit den Raiders im Mittelpunkt zahlreicher legendärer Spiele ("The Immaculate Reception", "The Sea of Hands", "The Ghost to the Post") stand, war 1964 und 1965 bereits im Team und übernahm den Starter-Job schließlich 1966. Und das mit durchschlagendem Erfolg: Stabler und Bryant führten Bama zu einer 11-0-Bilanz mit einem 34:7-Sieg über Nebraska im Sugar Bowl zum Abschluss.

Entsprechend gewaltig waren die Erwartungen vor Stablers letzter College-Saison 1967 - allein: Stabler sollte zumindest Teile der Saison verpassen, nachdem ihn Bryant zwischenzeitlich für das Schwänzen von Unterricht und den Hang zu Partys aus dem Team geworfen hatte. Eine letzte Legende aber hatte Stabler noch im Ärmel.

Als "The Run in the Mud" wird der 67er Iron Bowl gegen Erzrivale Auburn bis heute in Alabamas Folklore bezeichnet.  Es war der erste Iron Bowl, der am Abend unter Flutlicht gespielt wurde, heftiger Regen hatte das Feld in eine Schlammpfütze verwandelt. Dementsprechend lief auch das Spiel: Defense dominierte auf beiden Seiten, erst im dritten Viertel ging Auburn via Field Goal mit 3:0 in Führung.

Dann kam Kenny Stabler.

Stabler lief bei einem Read-Option-Spielzug selbst mit dem Ball und kämpfte sich in seinem von Schlamm verdreckten Shirt durch die rutschenden Auburn-Verteidiger - sobald er im offenen Feld war, war er auf und davon. Dieser "Run in the Mud" über 47 Yards bescherte Alabama einen 7:3-Sieg.

Bryants Legacy ging anschließend noch 15 Jahre lang weiter. Sie brachte große NFL-Spieler wie Guard John Hannah (Draft-Klasse 1973) oder Tight End Ozzie Newsome (1978) hervor, genau wie drei weitere Titel in den 70er Jahren, mit einem weiteren letzten, denkwürdigen Legenden-Spiel.

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1978 pflügte Bama mit zehn Siegen und nur einer Niederlage mal wieder durch die Saison, im Sugar Bowl kam es zum absoluten Kracher gegen Penn State. Bis heute erinnert man sich in Alabama an diese Partie mit dem Namen "The Goal Line Stand".

Mit 14:7 führte Bama im Schlussviertel, Penn State stand an der 1-Yard-Line. Third Down, ein Run durch die Mitte - die Defense hielt. Alles entschied sich also mit dem anschließenden Fourth Down, als es kurz so schien, als könnte Penn State in die Endzone gelangen - doch der Hit von Linebacker Barry Krauss Zentimeter vor der Endzone beendete die Titelträume für Penn State.

Gegen Ende seiner Karriere hatte Bryant bereits mit gesundheitlichen Problemen - nicht zuletzt bedingt durch seinen starken Tabak- und Alkoholkonsum - zu kämpfen. Nach der 82er Saison, eine enttäuschende Spielzeit unter anderem mit Pleiten gegen LSU, Auburn und Tennessee, trat er im Alter von 69 Jahren zurück.

Fünf Wochen nach seinem Rücktritt starb Bear Bryant nach einem schweren Herzinfarkt.

Die Nick Saban Ära

Weitere große Spieler folgten auch in den Jahren nach Bryant, Derrick Thomas und Cornelius Bennett Ende der 80er stechen ganz besonders heraus. Doch erlebte Bama eine längere Periode des Umbruchs: Nach Bryants letztem National Championship Titel 1979 dauerte es bis 1992, ehe Coach Gene Stallings die Crimson Tide wieder zum ganz großen Wurf brachte.

Es war gleichzeitig der letzte nationale Titel für fast 20 Jahre.

Zu Beginn der 2000er blieben dann auch die Bowl-Erfolge der 90er Jahre aus, unter Mike Shula konnte sich Bama nie konstant stabilisieren und 2006, nach einer Bilanz von 26 Siegen und 23 Niederlagen, war die Shula-Ära beendet. Es war gleichzeitig der Startschuss für die größte Dominanz im modernen College-Football.

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Davon ausgehend, dass die Erfolge in den 20er Jahren der Startschuss und die lange Ära unter Bear Bryant das Herzstück des Alabama-Mythos bilden, kann man die seit 2007 anhaltende Ära unter Nick Saban gewissermaßen als sein Wiederaufleben bezeichnen. Und gleichermaßen war die Talent-Pipeline von Alabama in die NFL nie größer, als in den vergangenen fünf bis zehn Jahren.

Saban benötigte nur drei Jahre, um das stolze College wieder in ein Football-Powerhouse zu verwandeln: Der 2009er Alabama-Kader war spektakulär, mit Spielern wie Mark Ingram, Dont'a Hightower, Julio Jones und Rolando McClain, sowie der Recruiting-Klasse mit unter anderem Trent Richardson, D.J. Fluker und Eddie Lacy.

Die Defense in jener Saison ließ ganze 11,7 Punkte pro Spiel zu, im Schnitt gewann Bama seine Spiele mit einem Abstand von 22,6 Punkten pro Spiel. Das inkludierte sechs Erfolge über gerankte Teams, mit den Highlights im SEC Championship Game - ein 32:13 über Tim Tebow das ebenfalls ungeschlagene Florida - sowie dann im National Championship Game, als das als zweitbestes Team gerankte Texas mit 37:21 geschlagen wurde.

Alabama war zurück.

Mario Campos Neves über Alabama

In der Saison 2016 durfte Mario Campos Neves unter Nick Saban als Coach-Assistent wertvolle Erfahrungen sammeln, Campos Neves assistierte in der kompletten Spielzeit primär dem Tight-End-Coach. Gegenüber SPOX gewährte er exklusiv Einblicke.

SPOX: Was für ein Typ ist Coach Saban? Was ist bei Ihnen besonders hängen geblieben?

Mario Campos Neves: Er ist - Coach Saban! Er ist der erfolgreichste und beste Coach im College Football. Ich hatte nicht tagtäglich mit ihm zu tun, ich hatte mein Aufgabengebiet und meinen direkten Ansprechpartner. Wir haben schon manchmal kurz gequatscht, inhaltlich musste ich mich allerdings nicht direkt an ihn wenden. In den Meetings, da kann es mal lauter oder mal leiser werden, je nachdem, wie das Spiel oder das Training gelaufen sind. Aber das ist ja bei uns auch nicht anders. Generell ist er sehr ruhig, er hat eine gewisse Ausstrahlung, natürlich ist er unangefochten im gesamten Staat Alabama der prominenteste und wichtigste Mann. Ich finde aber außerdem, dass er einen sehr guten Humor hat - aber den kennen nicht viele, weil er nach außen anders wahrgenommen wird. Ich glaube, dass er das auch bewusst hochhält; immerhin ist er der Head Coach einer Uni im Süden.

SPOX: Der Football im Süden hat einen ganz besonderen Stellenwert. Wie haben Sie das damals erlebt? 

Campos Neves: Ich kann natürlich nicht für die ganzen USA sprechen, aber es gibt einen geschichtlichen Grund dafür, dass College Football im Süden eine so große Bedeutung hat: Nach dem Bürgerkrieg wurde der Süden vom Norden ja auch ausgenommen, der Süden war nach dem Krieg arm. In den 1920er Jahren hat Alabama dann in einem wichtigen Bowl erstmals gegen Michigan gewonnen, und das war ein wichtiges Ereignis für den Süden. Natürlich gibt es hier auch einige Profi-Teams, aber das ist kein Vergleich zum College. Das ist einfach eine ganz andere Identifikation - College generell, und im Süden dann nochmal ganz besonders. Wenn man es nicht gesehen hat, glaubt man es eigentlich nicht.

SPOX: Und Alabama ist dann innerhalb der SEC für viele nochmals der größte Mythos...

Campos Neves: Ja. In den vergangenen Jahren hat die SEC insgesamt ja etwas geschwächelt, auch wenn Bama selbst relativ erfolgreich war. In diesem Jahr waren dann zwei SEC-Teams, Georgia und Alabama, im College Title Game, mit Jeremy Pruitt in Tennessee, Jimbo Fisher bei Texas A&M und so weiter glaube ich schon, dass die SEC insgesamt wieder stärker wird. Und das ist auch gut! Als wir damals das Eröffnungsspiel gegen USC oder das Halbfinale gegen Washington hatten, hat das ganze Stadion "SEC, SEC!" skandiert. Dieser Südstaaten-Football, das ist einfach eine andere Mentalität.

SPOX: Wie könnte man beschreiben, wo sich Alabama sportlich am ehesten von anderen Teams unterscheidet?

Campos Neves: Das kann man vielleicht am ehesten so beantworten: Bei LSU, bei Florida oder bei Georgia steht als Credo über den Türen immer "Beat Bama". Alabama selbst aber schaut immer auf das nächste Spiel. Da ist es egal, ob man gegen den Erzrivalen Auburn oder gegen Middle Tennessee spielt - Alabama behandelt jedes Spiel gleich. Und wenn es gut war, hat Coach Saban dennoch schlechte Szenen auf Tape gefunden und gezeigt; wenn es schlecht war, hat er das Talent, zu sagen: "Warum musste das so passieren? Wir wissen doch, dass du das besser kannst." In Alabama hat man eine so starke Routine, egal, gegen wen man spielt.

SPOX: Wenn Sie eine Sache nennen müssten, die Sie von Saban gelernt und übernommen haben, was wäre das?

Campos Neves: Eine Sache, die ich versuche, anzuwenden - wenngleich wir hier in Deutschland natürlich im Ehrenamt und Amateur-Bereich sind - ist es, den Spielern alles bereit zu stellen, damit die ihre Leistung abrufen können. Das fehlt in meinen Augen in Deutschland enorm, dass sich um die Spieler gekümmert wird. Dabei meine ich auch das Drumherum, etwa darauf zu achten, dass die Spieler vernünftig trinken während des Trainings. Einfach dieser Gedanke: wir müssen viel mehr für den Spieler machen. Das geht auch mit unseren Ressourcen.

Saban hatte Alabama wieder an die Spitze geführt - es sollte erst der Anfang sein. Zwei Jahre später ging es nicht nur um den Titel, sondern gleichzeitig um eine der ältesten Bama-Rivalries überhaupt.

Die einzige Niederlage in der Regular Season hatte Alabama gegen LSU kassiert, ein wahnsinnig enges Spiel zweier Top-Teams, welches Sabans Ex-Team LSU in Overtime mit 9:6 für sich entschied. Im National Championship Game kam es zur Neuauflage des Klassikers; ein Spiel welches in Alabama gerne als "The Rematch of the Century" bezeichnet wird.

Bama dominierte. Komplett. 21:0 hieß es am Ende, es war der erste Shutout-Sieg in der Geschichte des BCS National Championship Game. Trent Richardson besiegelte mit einem späten Touchdown-Run den Sieg, die Defense um die späteren NFL-Spieler Courtney Upshaw, C.J. Mosley, Dont'a Hightower, Mark Barron und Dre Kirkpatrick aber war die dominierende Kraft.

Diese Flut an NFL-Talenten hielt an. 2012, als Alabama im Titel-Spiel die ungeschlagenen Fighting Irish von Notre Dame mit 42:14 auseinander nahm, prägten Spieler wie Eddie Lacy, Ha Ha Clinton-Dix, Reggie Ragland und Landon Collins das Bild, das Championship-Team 2015 brachte Spieler wie Derrick Henry, Calvin Ridley, Marlon Humphrey, Jarran Reed, Reuben Foster, Ryan Kelly und O.J. Howard hervor.

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Und in diesem Jahr? Alabama war einmal mehr mitten drin in einem der spektakulärsten College-Spiele der letzten Jahre. Im Championship Game - zum dritten Mal in Folge mit Bama-Beteiligung - ging es gegen Georgia bis in die Overtime, und das nicht irgendwie.

Saban tauschte in der Halbzeitpause seinen Quarterback aus, holte einen 13-Punkte-Rückstand auf und Backup-Quarterback Tua Tagovailoa gelang der dramatische Game-Winner mit einem 41-Yard-Pass - nachdem ein langer Sack unmittelbar davor Bamas Hoffnungen schon fast zu begraben schien. Es war ein unglaubliches Spiel, eine dieser Partien, über die man in Alabama wieder einmal noch lange sprechen wird.

Tagovailoa wird im jetzt anstehenden Draft noch keine Rolle spielen, der Hawaiianer wird im kommenden Jahr noch für Alabama spielen. Der Fokus der Bama-Talent-Pipeline geht auf andere Namen: Minkah Fitzpatrick, Calvin Ridley, Da'Ron Payne, Rashaan Evans, Ronnie Harrison - Alabama wird wieder einmal mehrere Spieler früh im Draft in der NFL unterbringen. Und seinen Status als größte NFL-Talentschmiede unserer Zeit abermals untermauern.