Third and Long: Trade-Kandidaten - und brauchen die 49ers einen neuen Quarterback?

Von Adrian Franke
13. Oktober 202010:06
SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet die Leser-Fragen nach dem Spieltag.imago images/Paul Kitagaki Jr.
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Mit dem ersten Saisonviertel im Rückspiegel und der Trade-Deadline zunehmend in Sichtweite stellt sich die alljährliche Frage: Wer könnte noch getradet werden? Außerdem: Brauchen die 49ers einen neuen Quarterback? Wie geht es weiter bei den Atlanta Falcons? Und sind die Carolina Panthers unterschätzt? SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet in seiner Kolumne Eure Fragen zum Spieltag.

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Trade-Deadline: Wo gibt es die Last-Minute-Shoppingtour?

Fünf Spieltage sind vorbei, und das Bild in der NFL wird klarer, zumindest was die Extreme angeht.

Will sagen: Die Giants und Jets werden mit den Playoffs genauso wenig zu tun haben wie die Jaguars, Broncos und Falcons. Die Packers, Bills und Seahawks dagegen sollten mögliche Urlaubspläne im Januar schonmal nach hinten verschieben.

Diese Szenarien werden sich über die kommenden Wochen zuspitzen und auf noch mehr Teams ausweiten, und bis zum 3. November kann diesen Entwicklungen Rechnung getragen werden - dann nämlich steht die Trade-Deadline in der NFL an.

Und Jahr für Jahr stellt sich somit die gleiche Frage:

Der Huub, Victor Hugenay, Sebastian von Horn: Wer sind mögliche Trade-Kandidaten?

Um das zu beantworten, müssen einige Parameter geklärt sein, beginnend mit einer simplen Frage: Welche Teams wollen überhaupt mitten in der Saison Spieler abgeben?

Es sind einerseits natürlich die Teams, deren Saison nirgendwohin mehr läuft. Wo sportlich klar ist, dass man schlicht keine Chance nach oben hat. Ein zusätzlicher Katalysator kann es dann sein, wenn ein genereller Umbruch bevorsteht. Etwa, wenn wie bei den Falcons und Texans bereits der Head Coach und der GM gefeuert wurden und ein alterndes, teures Team einen Neustart benötigt.

Und dann ist da der klassische Fall des einstigen Superstars, der den Zenit zwar überschritten hat, in einer ergänzenden Rolle bei einem starken Team aber noch einen Impact haben könnte - aktuell aber noch bei einer Franchise entweder im Umbruch oder im Niemandsland der Liga ist.

Mit diesen Ideen im Hinterkopf, einige Namen, die man Richtung Trade Deadline im Kopf behalten sollte:

A.J. Green, Wide Receiver, Cincinnati Bengals

Greens Comeback-Saison nach langer Verletzungspause war bislang enttäuschend. Bei den Bengals ist er mehr oder weniger nur noch der Nummer-3-Receiver, und Cincinnati als Team wird noch einige Zeit brauchen, bis man wieder angreifen kann - so vielversprechend Joe Burrow sich auch weitestgehend als Rookie präsentiert. Doch wenn die Bengals als Team für den nächsten Schritt bereit sind, wird A.J. Green kein Faktor mehr sein. Er wird dann auch gar nicht mehr im Team sein, Green ist 32 Jahre alt, sein Vertrag läuft aus.

All das macht ihn zum idealen Kandidaten für einen Trade zu einem Contender, das einen Nummer-2-Receiver braucht und Green als Role-Player einsetzen kann. Wie die Green Bay Packers, vielleicht auch die New England Patriots oder die Philadelphia Eagles.

David Johnson, Running Back, Houston Texans

Die Texans sind der ideale Kandidat, um einen großen Verkauf zu starten: Houston hat keinen Erst- oder Zweitrunden-Pick im kommenden Jahr, einen aktuell sehr teuren Kader, vier der ersten fünf Spiele verloren und den bisherigen Football-Alleinherrscher Bill O'Brien entlassen, was einen klaren Kurswechsel nahelegt. Johnson könnte ohne Dead Cap und mit Cap-Einsparungen in Höhe von neun Millionen Dollar für 2021 getradet werden.

Auch wenn man vermutlich keinen hohen Pick erhalten würde: Johnson spielt eine solide Saison, Houston könnte einen Day-3-Pick zurückerhalten und würde damit anfangen, Cap Space für nächstes Jahr zu kreieren. Die Frage wäre nur, welches Team als möglicher Abnehmer überhaupt in Frage kommt und kurzfristige Running-Back-Hilfe sucht.

Ryan Kerrigan, Edge, Washington Football Team

Nach vier Spielen hat Washington fünf Defensive Linemen mit acht oder mehr Pressures - Ryan Kerrigan ist keiner von ihnen. Er ist in der internen Hackordnung zunehmend hinter die Youngster Montez Sweat und Chase Young gerutscht, und man kann davon ausgehen, dass sich dieser Trend eher noch intensiviert.

Aber Kerrigan ist kein schlechter Pass-Rusher, und vor allem wäre er eine sofortige Verstärkung für Teams, die Pass-Rush-Hilfe benötigen. Arizona könnte so ein Kandidat sein, infolge der Verletzung von Chandler Jones. Seattles Pass-Rush ist schlicht nicht vorhanden. Kansas Citys Front kreiert zu wenig Druck außerhalb von Chris Jones. Bedarf sollte es geben.

Dwayne Haskins, Quarterback, Washington Football Team

Dwayne Haskins hat nicht nur nach vier Spielen unter dem neuen Regime in Washington seinen Startplatz verloren - er wurde prompt zur Nummer 3 degradiert und erhielt in einer Trainingseinheit unter der Woche Berichten zufolge nicht einmal Snaps.

Es ist komplett offensichtlich, dass Ron Rivera in Washington nicht langfristig (oder kurzfristig) mit Haskins plant. Washington ist ein ernsthafter Kandidat, um im kommenden Draft einen Quarterback auszuwählen und sollte das der Plan sein, dann wird Haskins' Value ab jetzt Woche für Woche runter gehen.

Haskins hat Talent, er ist noch für einige Jahre sehr günstig und auch für ein Team, das potenziell "nur" perspektivisch einen Nachfolger sucht. Wie die Colts, wie die Steelers, wie potenziell die Lions oder Chicago.

Le'Veon Bell, Running Back, New York Jets

Das Le'Veon-Bell-Experiment bei den Jets ist krachend gescheitert, und auch wenn es dafür zahlreiche Faktoren gibt, kann man nicht sagen, dass Bell selbst seinen Teil geleistet hätte und schlicht Pech hatte.

Könnte er anderswo eine gute Rolle finden? Vielleicht, doch ähnlich wie bei David Johnson fällt es schwer, Abnehmer zu finden. Die Jets in jedem Fall stehen vor einem tiefgreifenden Umbruch, es sollte der größte Umbruch ligaweit über die nächsten zwei Jahre werden. Einen alternden Running Back mit einem Cap Hit über 13,4 Millionen Dollar in der kommenden Saison werden sie dafür nicht brauchen.

Marco Hdm und AlighatorMilch: Sollten die 49ers nach der Saison versuchen, einen guten Quarterback zu bekommen, um mit dem Team in der Division nochmal angreifen zu können?

Ehrlicherweise war das nicht mein primärer Takeaway zu diesem Spiel. Garoppolo war schlecht, das ist unbestreitbar. Für mich die Kernfrage in diesem Spiel bleibt jedoch: Warum hat Garoppolo überhaupt gespielt? Er hat nicht voll trainiert, er war für jeden vom Start weg sichtbar nicht fit - warum haben die Niners ihn direkt wieder reingeworfen, um dann zur Halbzeitpause festzustellen, dass er doch nicht gesund genug ist? Diese Nachfragen und Vorwürfe müssen sich John Lynch und Kyle Shanahan gefallen lassen.

Was die Position generell angeht: San Francisco würde ab 2021 finanziell problemlos aus dem Vertrag rauskommen. Aber das ist immer leichter gesagt als getan, denn was wäre denn die Alternative? Jameis Winston? Versuchen, Prescott mit sehr viel Geld aus Dallas loszueisen? Ich sehe da Stand heute kein realistisches Szenario, mit dem die Niners ein Upgrade, das zudem noch in Shanahans Offense passt, finden würden.

Wenn wir vom Draft reden, ist es eine andere Situation. Hier sollten die 49ers absolut die Augen offenhalten und schauen, ob sich eine Gelegenheit bietet. Auch in der ersten Runde. Aber meine Meinung zu Garoppolo bleibt unverändert: Ein guter Game Manager, den Shanahan bei all seiner Genialität nach wie vor braucht, um seine Offense auch auf dem Feld umzusetzen.

Insofern ist es schnell gesagt, dass man einen besseren Quarterback als Garoppolo braucht - aber man muss auch erst einen besseren Kandidaten finden, der dann auch zu Shanahan passt.

Doch sollte das nach diesem peinlichen Auftritt gegen Miami nicht im Vordergrund stehen. Sondern eben eher die Tatsache, dass Garoppolo offensichtlich weit weg von voller Gesundheit vorschnell reingeworfen wurde. Oder die Tatsache, dass die Niners in der Kaderplanung die Secondary abermals komplett ignoriert haben. Oder auch die Tatsache, dass die Offensive Line längst nicht so stark spielt wie letztes Jahr und gerade Mike McGlinchey eine ziemlich durchwachsene Saison spielt.

All das sehe ich nach dieser Niederlage noch vor der Quarterback-Diskussion auf der Agenda.

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Kevin Penning: Wer ist jetzt der Favorit in der NFC East?

Selbst vor der Prescott-Verletzung war das gegen die Giants ja ein weiterer besorgniserregender Auftritt - und dennoch hätte ich rein aufgrund der offensiven Feuerkraft die Cowboys weiterhin als Favorit eingeplant, in der Hoffnung, dass die Defense irgendwann zumindest ein wenig stabiler auftreten würde.

Das muss man jetzt selbstredend relativieren. Dallas hat nicht nur seinen Quarterback verloren, die Cowboys werden auch den Rest der Saison ohne ihren Left Tackle Tyron Smith (Nacken) und ohne ihren Right Tackle La'el Collins (Hüfte) bestreiten müssen. Aktuell fehlt auch Center Joe Looney, und das merkt man. Die Offensive Line war über Jahre die absolute Stärke dieses Teams, inzwischen ist sie eine Schwachstelle.

Und das führt zu Prescotts Vertreter. Andy Dalton für diesen Worst Case als Notfallplan in der Hinterhand zu haben, ist ein echtes Pfund und schlägt die Quarterback-Notfalloptionen von so ziemlich jedem anderen Team. Aber Dalton ist eben auch nicht auf Prescotts Level, und gerade mit dem Wissen im Hinterkopf, dass die Cowboys in der Offensive Line wackeln, muss man auch die Erwartungen an Dalton entsprechend anpassen.

Die Cowboys haben nach wie vor tolle Waffen und Dalton hat häufig genug gezeigt, dass er gute Waffen auch gut in Szene setzen kann. Auf die muss Dallas sich jetzt noch mehr stützen.

Doch selbst dann sehe ich mit Prescotts Verletzung die Philadelphia Eagles langfristig als Favorit in der Division. Die Eagles haben gegen die 49ers und jetzt vor allem gegen die Steelers - auch wenn es am Ende nicht ganz reichte - definitiv positive Tendenzen gezeigt. Carson Wentz spielt etwas besser, die Offensive Line zeigte sich leicht verbessert und auch die Defense spielte besser. Es ist noch ein weiter Weg für die Eagles, bis sie auf dem Niveau sind, das man erhofft hatte, beginnend mit Wentz. Aber aktuell haben sie leichten Aufwind, und Dallas vertraue ich angesichts der Defense und mit dem offensiven Handicap nicht.

Die Giants spielen hier ohnehin keine Rolle, und bei Washington - bei aller Emotionalität rund um Alex Smith - sehe ich offensiv einfach viel zu wenig, um letztlich um die Division mitzuspielen.

Jamar Lackson: Was für ein Plan würde dir als GM der Falcons für die nächsten Jahre vorschweben?

Ich sehe bei den Falcons zumindest vorerst keinen tiefgreifenden Umbruch, keinen harten Cut mit totalem Ausverkauf und Neustart über mehrere Jahre, wie wir es zuletzt bei den Browns oder Dolphins gesehen haben. Atlanta wird finanziell für 2021 nur aus den Verträgen von Matt Ryan und Julio Jones rauskommen, wenn man gewaltige Dead-Cap-Hits in Kauf nimmt. Auch mögliche Defense-Trade-Assets wie Deion Jones oder Grady Jarrett würden je über zehn Millionen Dollar an Dead Cap hinterlassen - und beide sind noch unter 28 und sollten eher Teil des Rebuilds und des "neuen" Falcons-Teams sein.

Sollte Atlanta also den krassen Umbruch wählen, dann müsste das mit einem neuen Head-Coach- und GM-Gespann stattfinden, die sehr langfristige Verträge erhalten. Denn die Falcons müssten sich dafür kurzfristig in die komplette Cap-Hölle begeben und mutmaßlich 2021 sowie potenziell auch 2022 gewissermaßen abschreiben - und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Falcons so ihren Kader einschätzen.

Insofern reden wir vermutlich von einem soften Umbruch, in dem alle Möglichkeiten offen sein müssen. Heißt konkret beispielsweise: Ryan und Julio Jones stehen auch 2021 im Kader - sind aber nicht unantastbar. Sollte Atlanta einen Top-5-Pick im kommenden Draft haben, wäre es fahrlässig, sich nicht mit den Quarterbacks zu beschäftigen, um sich für 2022 und darüber hinaus aufzustellen.

Kurzfristiger Erfolg sollte nicht das primäre Ziel sein, denn das Fenster für den alternden Kern des Teams hat sich vermutlich geschlossen. Und während man dafür nicht das Team komplett einreißen muss, sollten Veterans wie Ricardo Allen (mögliche Cap-Einsparungen: 6,2 Mio. Dollar), Allen Bailey (4,5 Mio.) oder James Carpenter (4 Mio.) "einfache" Opfer sein, um das Team für die Zukunft und den Übergang neu auszurichten.

Das ist die eine Seite der Medaille - wie wollen die Falcons sich kurz- und dann mittelfristig aufstellen? Die andere Seite, und die muss dazu passen, ist selbstredend die Frage nach dem Head Coach. Kansas Citys Eric Bieniemy dürfte der heißeste Kandidat auf dem Markt sein, und verkauft er sich gut, kann er vielleicht sogar sein Team auswählen. Baltimores Greg Roman etwa könnte ich mir allerdings auch gut in Atlanta vorstellen, um mit einem neuen GM dann ein neues Falcons-Team mit einer neuen Identität aufzubauen.

Andreas Spooky: Sind die Steelers for real?

Jein?

Zugegeben, eine unbefriedigende Antwort. Ich formuliere es mal andersherum: Ja als Playoff-Team - Nein als Contender. Pittsburghs Secondary ist ein Problem, und das schon die ganze Saison über - gegen die Eagles war das abermals zu beobachten.

Der Pass-Rush ist exzellent, die Passing-Offense ist solide bis gut und mit Big Ben, den Wide Receivern und den Lines auf beiden Seiten des Balls hat Pittsburgh eine Base Line, die hoch genug ist, um den Sprung in die Playoffs zu schaffen. Umso mehr natürlich, wenn ein Spieler wie Chase Claypool eine Breakout-Rookie-Saison hinlegt.

Aber aktuell sehe ich Base-Line und Ceiling bei den Steelers ziemlich nah beieinander. Zumindest, solange die Secondary so anfällig bleibt und die Offense auf der anderen Seite gut, aber nicht mehr ist - gerade mit Blick auf die Big Plays im vertikalen Passspiel. Das ergibt unter dem Strich für mich ein Team mit zweistelligen Siegen, das aber einige perfekte Tage benötigt, um in den Playoffs auch für Alarm zu sorgen.

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Ploppi19: Die Panthers führen die NFC South an. Geht da noch mehr? Ist Carolina unterschätzt?

Es ist eine etwas ausweichende Antwort, aber im Kern: Ich will noch mehr von den Panthers sehen. Gerade die letzten beiden Siege gegen Arizona und Atlanta waren gegen wirklich schwache Defenses, gegen die Carolina seinen offensiven Stil spielen und damit sehr ordentlich punkten konnte. Die Bears-Defense sollte da schon eine andere Hausnummer sein, dann warten über die kommenden Wochen die Saints, die Chiefs, die Buccaneers - Carolina wird dann zeigen müssen, wie flexibel man auch gerade offensiv sein kann.

Was sich aber schon jetzt sagen lässt, ist, dass Joe Brady ein Treffer zu sein scheint, die Verpflichtung von Robby Anderson wie ein Treffer aussieht und defensiv gerade einige der jungen Spieler hervorstechen. Und es lässt sich festhalten, dass Carolina unter Rhule allem Anschein nach ein gutes Fundament aufbaut, nicht nur was die jungen Spieler auf dem Platz angeht.

Gegen Atlanta am Sonntag verloren die Panthers Brian Burns, Yetur Gross-Matos, Donte Jackson und Kawann Short im Laufe der Partie verletzungsbedingt - und dennoch knickte die Defense nicht ein. Die Falcons in ihrem aktuellen Zustand sind dafür vermutlich ein dankbarer Gegner, aber dieses Panthers-Team zeigt in jedem Fall bereits eine Stabilität, die ich an diesem frühen Punkt in der Saison und innerhalb des Umbruchs in Carolina nicht erwartet hatte.

Insofern ja: Die Panthers waren vor der Saison unterschätzt, von mir in jedem Fall. Ich hatte sie für diese Saison unter den fünf schlechtesten Teams der Liga vermutet. Als Playoff-Team sehe ich sie jetzt nicht auf einen Schlag, aber Carolina kann sehr wohl Richtung 8-8-Saison gehen.

Manu: Warum hat Minshew nicht das Standing, das er verdient? An seinen Leistungen liegt es auf jeden Fall nicht.

Zwei Dinge fallen mir hier sofort ein: Draft-Pedigree - und die Angst vor dem Quarterback-Niemandsland.

Ganz salopp gesagt könnte man behaupten, dass Minshews Standing deutlich positiver wäre, wenn er ein Erstrunden-Pick gewesen wäre. Das ist etwas, das sich in der NFL häufig beobachten lässt - auch wenn es darum geht, welche Spieler noch eine dritte oder vierte Chance erhalten, nachdem sie anderswo krachend gescheitert sind. Der einstige hohe Draft-Pick wird da gegenüber dem Late-Rounder in der Regel bevorzugt.

Und so ist es auch mit der öffentlichen Wahrnehmung. "Er war ja nicht grundlos ein Sechstrunden-Pick" dürfte da, ob bewusst oder unbewusst, in so manchem Hinterkopf sein. Minshew spielt besser als Daniel Jones, besser als Dwayne Haskins, und war in Phasen besser als Kyler Murray.

Allerdings, und das wiederum spielt dann in den zweiten Punkt mit rein, ist Minshew eben auch gerade wenn man den Murray-Vergleich zieht in puncto Ceiling limitierter. Und das bringt den Sorgenpunkt "Quarterback-Niemandsland" auf den Tisch.

Ich denke, dass Minshew in den richtigen Umständen ein besserer Game Manager sein kann, der gelegentlich auch Off-Skript Offense kreiert. Aber eben auch nicht viel mehr, und dann reden wir vielleicht von einer Platzierung irgendwo zwischen Platz 10 und 15. Was viele Teams mit Handkuss nehmen würden - und gleichzeitig ist es eine Situation, in der eine Franchise weiter versuchen muss, ein Upgrade zu finden.

GerryG: Haben es Hybrid-Spieler, die auf mehreren Positionen gut sind, in der NFL schwerer?

Sie haben es insofern schwerer, als dass sie einen Coach brauchen, der genau weiß, wie man sie einsetzt. Es muss einen konkreten Plan geben, der gleichzeitig aber auch nicht zu starr sein darf - wie das Beispiel Isaiah Simmons in Arizona aktuell zeigt.

Defensive Coordinator Vance Joseph hatte von Anfang an die klare Idee, Simmons als Linebacker heranzuführen und dann gegebenenfalls seine Aufgabenfelder schrittweise zu erweitern. Klingt in der Theorie nicht schlecht, doch wenn er dann selbst als Linebacker kaum Snaps sieht und Joseph gleichzeitig nicht gewillt ist, trotz zahlreicher Safety-Ausfälle Simmons dort zumindest Spielpraxis sammeln zu lassen und selbst zu sehen, was der Rookie dort womöglich leisten kann, dann ist ein sehr niedriger Deckel auf dem Potenzial dieses Picks.

Generell nämlich entwickelt sich die Liga in meinen Augen mehr und mehr in eine Hybrid-Liga, offensiv wie defensiv. Die Frage ist dann, wie viele Coaches auch wirklich bereit sind, das, was sie kennen und seit Jahren oder Jahrzehnten coachen, anzupassen und sich umzustellen. Mal Woche für Woche, mal auch längerfristig.

Kein Coach beherrscht das besser als Bill Belichick - und sehr viele Coaches haben hier Defizite. So gesehen haben es Hybrid-Spieler wie Simmons tatsächlich schwerer in der NFL, wo letztlich doch viele ähnliche Ideen und Konzepte gespielt werden, mit einigen Ausnahmen natürlich. Wer über den Tellerrand schaut und neue Dinge ausprobiert, muss sich dann viel eher darauf gefasst machen, dass es ihm in der Öffentlichkeit um die Ohren fliegt, sollte es nicht klappen.

Im nächsten Gedankenschritt sagt uns das auch etwas darüber, wie Spieler wie Simmons im Pre-Draft-Prozess eingeschätzt werden müssen. Dass er eben bei all seinem Talent im Vakuum ein Top-10-Spieler sein mag - das aber hat keinen Wert, wenn das Team, das ihn nimmt, dann unflexibel und übervorsichtig agiert.