Third and Long: Free Agency - Gewinner und Verlierer, Tops und Flops

Von Adrian Franke
20. März 201811:35
Richard Sherman könnte sich als eine der Top-Verpflichtungen dieser Free Agency herausstellen.getty
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Die erste heiße Phase der Free Agency ist vorüber, von den ganz dicken Fischen ist lediglich Ndamukong Suh noch auf dem Markt. Höchste Zeit also für ein erstes umfassenderes Zwischenfazit: In seiner Kolumne blickt SPOX-Redakteur Adrian Franke auf einige sehr gute und einige zu teure Verpflichtungen, genau wie auf potentielle Steals. In einem ausführlichen Mailbag werden unter anderem die Patriots, die Browns, die Texans und die Seahawks thematisiert.

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Free Agency: Meine 5 Top-Verpflichtungen

Kirk Cousins zu den Vikings

Vertrag: 3 Jahre, 84 Mio. Dollar, 84 Mio. garantiert

Ja, Cousins war teuer - aber nicht so horrend teuer, wie im Vorfeld mitunter vermutet. Minnesota hat sich auch mit Blick auf den restlichen Kader keine langfristigen Handschellen angelegt, unter dem Strich hat man sich für die nächsten drei Jahre auf Cousins festgelegt. Nicht mehr und nicht weniger.

Für die Vikings ist das die beste Chance, um einem Contender-Kader die bestmögliche Chance auf den Titel zu geben. Zwar wäre etwa Keenum günstiger gewesen - bei Cousins zahlt man eben die "Steuer" dafür, dass er sich über mehrere Jahre und unter verschiedenen Bedingungen bewiesen hat und die sicherere Variante darstellt. Jetzt All-In zu gehen - der Deal für Sheldon Richardson fällt ebenfalls in diese Kategorie - ist die richtige Entscheidung für Minnesota.

Allen Robinson zu den Bears

Vertrag: 3 Jahre, 42 Mio. Dollar, 25,2 Mio. garantiert

Wie bereits geschrieben: Ich bin ein großer Fan der Bears-Offseason bisher. Wenn man sich - das gilt auch für die Teams, bei denen es in diesem Jahr so weit ist - auf einen Quarterback festgelegt und den gegebenenfalls noch erst durch einen teuren Draft-Trade bekommen hat, wäre man dumm, wenn man ihm nicht die bestmögliche Chance auf Erfolg geben würde. Der Quarterback ist der mit Abstand wichtigste Spieler und die einzige Position, auf der sich jedes Team, das keinen Top-12-Kandidaten hat, permanent auf der Suche befindet.

Chicago hatte Trubisky in der vergangenen Saison viel zu häufig im Regen stehen gelassen, das ändert sich jetzt. Unter Matt Nagy und Mark Helfrich erwarte ich eine moderne, durch Run Pass Options und Play Action geprägte Offensive, welche Trubiskys Stärken betont. Robinson war bereits in Jacksonville zu seinen besten Zeiten einer der gefährlichsten Play-Action-Receiver der Liga, während der neue Bears-Tight-End Trey Burton die Vielseitigkeit mitbringt, um aus Run-Formationen zu passen und aus Pass-Formationen zu laufen.

Richard Sherman zu den 49ers

Vertrag: 3 Jahre, 27,1 Mio. Dollar, 7 Mio. garantiert

Durch die Art des Vertrags ist das Risiko für die Niners mit Blick auf Shermans Achillessehnenverletzung mehr als überschaubar und alles andere passt einfach zu perfekt: San Franciscos Defensive Coordinator Robert Saleh hat von 2011 bis 2013 als Defensiv-Co-Trainer in Seattle gearbeitet, die 49ers spielen eine Art der altbekannten Seahawks-Defense. Schematisch passt Sherman also voll rein, während er gleichzeitig nahe an der Heimat bleibt - und extrem motiviert sein wird, es Seattle in der eigenen Division zu zeigen. Nicht nur mit Blick auf die anderen Cornerback-Deals dieser Free Agency könnte den Niners hier ein Steal gelungen sein.

Muhammad Wilkerson zu den Packers

Vertrag: 1 Jahr, 5 Mio. Dollar

Wilkerson war in New York letztlich eine riesige Enttäuschung. Statt des erhofften Leaders wurde er nach seiner großen Vertragsverlängerung ein ernsthaftes Problem innerhalb des Teams, war unpünktlich, hatte eine schlechte Arbeitseinstellung und verletzte Team-Regeln. Die Packers bieten jetzt den idealen Neustart: Ein klassischer One-Year-Prove-It-Deal unter Green Bays neuem Defensive Coordinator Mike Pettine, der Wilkerson schon zu Beginn dessen NFL-Karriere trainiert hat und in dessen aggressiver Defense Wilkerson sich wohlfühlen sollte. Das bedeutet: Low-Risk-High-Reward für die Packers, die plötzlich eine der besseren Defensive Lines in der NFL aufbieten könnten.

Vinny Curry zu den Buccaneers

Vertrag: 3 Jahre, 27 Mio. Dollar, 11,5 Mio. garantiert

Selten hat man in den vergangenen Jahren ein Team gesehen, das so schmerzhaft offensichtlich Defizite im Pass-Rush hatte wie Tampa. Der zweitschwächsten Pressure-Rate im Vorjahr (12,7 Prozent) ging 2016 die sechstschwächste Pressure-Rate ohne Blitzing voraus. Die Bucs müssen mit ihrer 4-Men-Front viel dominanter werden und mit Curry hat man sich den mit Abstand besten Defensive End, der in diesem Jahr verfügbar war, geschnappt. Bessere Tage liegen vor den Buccaneers.

Free Agency: 5 Spieler die zu teuer waren

Nate Solder zu den Giants

Vertrag: 4 Jahre, 62 Mio. Dollar, 34,8 Mio. garantiert

Ja, der Tackle-Markt war mehr als dünn besetzt und auch im Draft gibt es nicht den nächsten Homerun-Tackle. Die Giants brauchten zwar dringend Hilfe für die Offensive Line, haben dafür aber unverhältnismäßig viel auf den Tisch legen müssen - Solder ist jetzt der bestbezahlte Offensive Lineman in der NFL. Gleichzeitig hat New York Richburg und Pugh in der Mitte seiner Line verloren und bei Andrew Norwell, dessen Wechsel nach New York über Wochen als quasi sicher galt, den Kürzeren gezogen.

Star Lotulelei zu den Bills

Vertrag: 5 Jahre, 50 Mio. Dollar, 27 Mio. garantiert

Bei keinem Spieler lag ich vor dem Start der Free Agency so daneben. Ich hatte für Lotulelei finanziell etwa die Hälfte prognostiziert. Ein solider Defensive Tackle, keine Frage; Ein Spieler, der Räume für Linebacker schafft. Das hat einen gewissen Wert - ohne konstanten Einfluss insbesondere auf das Passing Game aber liegt dieser Wert nicht in den finanziellen Höhen, die Lotulelei ab sofort in Buffalo kassiert.

Trumaine Johnson zu den Jets

Vertrag: 5 Jahre, 72,5 Mio. Dollar, 45 Mio. garantiert

Johnson mag nach Butler der beste Cornerback auf dem Markt gewesen sein (auch wenn man in anderer Rolle für Robinson oder Colvin argumentieren kann) und seine Verpflichtung gibt den Jets defensiv zunehmend eine Identität. Aber: Johnson ist die Art Spielertyp, die vieles gut aber wenig auf Elite-Level kann. Dazu kommt die Tatsache, dass er für einen Cornerback zu häufig Aussetzer hat. Nicht umsonst hat er laut Pro Football Focus in der vergangenen Saison 759 Yards in Coverage zugelassen, der fünfthöchste Wert aller Cornerbacks. In der Vorsaison war A.J. Bouye der Top-Cornerback auf dem Markt. Bouye erhielt von den Jags 26 Millionen garantiert. Die Jets haben hier massiv überbezahlt.

Jordy Nelson zu den Raiders

Vertrag: 2 Jahre, 15 Mio. Dollar, 13 Mio. garantiert

Jordy Nelson ist noch eine solide Red-Zone-Waffe, das hat er in der vergangenen Saison gezeigt. Aber ist er noch viel mehr? Ehrlicherweise glaube ich es nicht - es sei denn, die Raiders sehen in ihm einen potentiellen physischen Slot-Receiver. Outside fehlt ihm zu deutlich die Explosivität. Dass Nelson nach seiner Entlassung noch einen zweistelligen Millionen-Betrag garantiert bekommt, hätte ich mir nicht träumen lassen. Will man es positiv drehen: Nach den Drop-Debakeln in der vergangenen Saison gibt Nelson Derek Carr zumindest ein paar sichere Hände.

Jerick McKinnon zu den 49ers

Vertrag: 4 Jahre, 30 Mio. Dollar, 15,7 Mio. Dollar garantiert

Ich verstehe, warum San Francisco es gemacht hat: McKinnon kann ein idealer Komplementär-Back in der Offense von Kyle Shanahan sein - aber hat er die Qualität für mehr? Kann er konstant Leistung zeigen, wenn er der Starter ist? In Minnesota war er selten mehr als ein Role Player, dafür ist der Vertrag enorm. Die Niners haben den Cap Space und haben die finanzielle Belastung dementsprechend heftig nach vorne geladen. Trotzdem ist das ein Vertrag, dem McKinnon erst einmal gerecht werden muss.

Free Agency: Meine 3 Top-Steals

Tyrann Mathieu nach Houston

Vertrag: 1 Jahr, 7 Mio. Dollar, 6,5 Mio. Dollar garantiert

Nachdem Mathieu eine Gehaltskürzung in Arizona scheinbar kategorisch ablehnte - übereinstimmenden Berichten zufolge hätte er damit noch immer mehr als sieben Millionen Dollar im Jahr kassiert - gelang den Texans ein sehr guter Deal: Mathieu wird sich nach dem Aus bei den Cardinals umso mehr beweisen und sich jetzt für einen neuen Deal empfehlen wollen.

Mit Watt, Clowney und Mercilus vor sich könnte Mathieu in Houston rund um die Line of Scrimmage die Allzweckwaffe werden, die er zu besten Tagen in Arizona war. Das bedeutet auch: Ein brandgefährlicher Blitzer, während der ebenfalls neu verpflichtete Aaron Colvin die Man-Coverage-Aufgaben im Slot übernehmen kann, die Mathieu zuletzt in Arizona doch immer wieder Probleme bereiteten.

Chris Baker nach Cincinnati

Vertrag: 1 Jahr, 3 Mio. Dollar, 300.000 Dollar garantiert

In Tampa floppte Baker komplett, doch dass er das Potential hat, konnte er zuvor in Washington zeigen: sieben Sacks, elf QB-Hits und 25 QB-Hurries 2015 gefolgt von sechs Sacks, sechs QB-Hits und 30 Hurries 2016 - Baker hat das Potential, um von seinem Interior-Spot auch das Passspiel konstant zu beeinträchtigen. In der heutigen NFL eine Kernkompetenz. Die Bengals können eine solche Präsenz neben Geno Atkins bestens gebrauchen und findet Baker seine Redskins-Form wieder, wäre er ein absolutes Schnäppchen.

Teddy Bridgewater zu den Jets

Vertrag: 1 Jahr, 6 Mio. Dollar, 1 Mio. Dollar garantiert

Die Jets wollen im Draft einen Quarterback, das ist inzwischen klar. Das macht die Bridgewater-Verpflichtung etwas verwunderlich, hätte man doch mit Josh McCown eine ideale Übergangslösung, ehe der Rookie übernimmt. Auf der anderen Seite: Bridgewater hat, sofern er fit ist, Franchise-Quarterback-Potential und das bringt die Jets in eine potentiell hochspannende Situation.

Bekommt man tatsächlich im Draft den Wunsch-QB, könnte Bridgewater ein heißer Trade-Kandidat werden. Umso mehr, falls sich im Laufe der Saisonvorbereitung anderswo ein Quarterback verletzt. Die Jets haben jede Menge Cap Space, mussten sich den Trade nach oben aber mit teuren Picks erkaufen. Sollte man hier etwas zurückbekommen können, hätte sich der Deal voll gelohnt. Und Bridgewaters Vertrag ist mehr als Trade-freundlich.

Quarterback-Draft, Patriots, Houston, Cleveland, Seattle - eure Fragen

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Markus: Welche Teams draften einen Quarterback, obwohl sie sich einen passablen in der Free Agency geholt haben (Broncos, Browns, Jets, Bills, Cardinals fallen mir da vor allem ein)?

Die Jets sind hier eine Garantie, diesen teuren Draft-Trade nach oben macht man nur für einen Quarterback. Wie schon gesagt, das macht Bridgewater zu einem Trade-Kandidaten. Cleveland wird ebenfalls einen Quarterback draften. Tyrod Taylor ist für die Browns die perfekte Übergangslösung; nicht nur, weil sein Vertrag nur noch für die kommende Saison läuft, sondern auch, weil er ein idealer Game Manager ist und Cleveland 2018 so auf der Position endlich spielerische Stabilität gibt.

Buffalo zähle ich fast schon in die gleiche Kategorie. Die Bills gehen schrittweise im Draft nach oben, ähnlich wie Philadelphia damals für Wentz. Ich gehe fest davon aus, dass Buffalo versuchen wird, noch deutlich weiter zu klettern. Die Giants sind noch schwer einschätzbar, stimmen aber die Gerüchte, wonach sie ein teures Angebot der Jets ausgeschlagen haben, liegt hier auch die Vermutung nahe, dass New York den Nachfolger von Eli Manning draftet. Es halten sich aber auch Meldungen, wonach die neue Team-Führung Eli zwei bis drei weitere Jahre zutraut und man mit dem hohen Pick jetzt eher All-In geht.

Dann wird es schon dünn, ich sehe vier Quarterbacks etwa in der Top-6 (je nachdem wo Buffalo am Ende steht), Clevelands Nummer-4-Pick wird für alle Teams auf Quarterback-Suche der heiß begehrte Spot. Denver auf 5 nämlich ist fraglos auch ein Kandidat für einen Quarterback, hier glaube ich aber, dass die Broncos in eine andere Richtung gehen. Ein Team wie Arizona ist dennoch außen vor: Die Cardinals haben nicht die Munition wie Buffalo und werden sich wohl auf die zweite QB-Welle - Lamar Jackson oder Mason Rudolph etwa - beschränken müssen.

Rock4ever und Christian: Die Patriots sind wohl der bisher eindeutigste Verlierer der Free Agency, oder? Wie werden die Patriots die Abgänge verkraften? Wird sich das Spiel spürbar verändern?

Im Prinzip sehen wir bei den Patriots das, was wir so häufig sehen - mit dem Vorjahr als prominente Ausnahme. New England gibt nur selten teure Deals raus, defensiv haben die Pats aktuell zwei (!) Spieler in der Top-64 was jährliches Gehalt angeht (Stephon Gilmore und Devin McCourty) - auf den Rängen 28 und 64. Offensiv ist in der gleichen Kategorie ligaweit in der Top-75 nur Tom Brady. Die Verträge, die Amendola, Solder, Butler und auch Lewis anderswo bekommen haben, hätten sie in New England niemals erhalten.

Die Patriots haben so jetzt schon hohe Compensatory Picks quasi garantiert, während sie gleichzeitig mit genauso cleveren wie günstigen Trades - McCourty hatte in Cleveland eine gute Saison und kann direkt New Englands Nummer-2-CB sein, Patterson gibt den Pats einen der besten Kick-Off-Returner der Liga und Shelton eine enorme und benötigte Präsenz in der Interior Line gegen den Run - Baustellen angehen. Die Verpflichtung von Adrian Clayborn gibt New England einen soliden Spieler für die Edge.

Unter dem Strich sind die Patriots heute natürlich schlechter, als noch vor 3 Wochen und nach den ersten ein, zwei Tagen gehörten sie für mich ebenso zu den Verlierern. Letztlich aber sehe ich jetzt hier wieder ein Team, das ein solides Kollektiv zusammenstellt und dessen Spieler anderswo gnadenlos überbezahlt werden. Der Solder-Abgang wird in meinen Augen am schwersten zu kompensieren sein, könnte aber ein hohes Draft-Ziel sein. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass Fleming oder Waddle am Ende in New England bleibt und hier auch im Draft investiert wird.

Sascha Quast: Wie siehst du die Jets in der AFC East nach den Zugängen in der Free Agency aufgestellt? Reicht es diese Saison für einen Winning-Record, gegebenenfalls vielleicht sogar für eine Wildcard in den Playoffs?

Die Playoffs sehe ich für die Jets noch etwas weiter weg, aber zumindest ist erkennbar, dass New York einen klaren Plan verfolgt: Die Defense soll wieder über eine dominante Secondary definiert werden, neben dem jungen Safety-Duo bilden Trumaine Johnson und Mo Claiborne ein gutes Cornerback-Tandem, ergänzt durch Nickel-Corner Buster Skrine. Mit Avery Williamson kam zudem einer der Top-Linebacker auf dem Markt nach New York. Wenn die Jets jetzt noch früh im Draft einen Pass-Rusher finden, kann das schnell eine sehr gute Defense werden.

Die Bills, genau wie die Jets, haben diesen Draft ganz offensichtlich als den Draft identifiziert, in dem sie ihren Franchise-Quarterback finden. Ansonsten gibt's bei den Bills doch einige Baustellen inklusive der Offensive Line und dem Receiver-Corps, die Defensive Line zumindest sollte klar verbessert sein. Zu den Patriots habe ich mich ja gerade ausführlich geäußert, lediglich bei Miami fehlt mir ehrlicherweise die Idee, wie dieses Team 2018 aussehen soll. Ich rechne Stand heute mit den Dolphins als Schlusslicht in der Division und sehe 2018 als Umbruch-Jahr in South Beach.

Alexander Schäfer: Wie viele Siege traust du den Browns zu? Werden sie endlich den Turnaround schaffen, oder werden sie wieder an schlechtem Coaching scheitern?

Natürlich kann auch hier der Draft das Bild noch verändern, ich sehe Cleveland aktuell mit etwa fünf Siegen und damit natürlich einer deutlichen Verbesserung zum Vorjahr: Die Browns haben ligaweit eine der besseren Defensive Fronts und auch in der Offensive Line ist Cleveland, selbst ohne Joe Thomas, stabil aufgestellt. Vor allem aber wird Tyrod Taylor sportlich im krassen Gegensatz zu dem stehen, was die Browns in der vergangenen Saison hatten.

Statt kostspieliger, frustrierender Interceptions gibt es jetzt Taylors konservativen, auf Ball-Sicherheit ausgelegten Ansatz. Das alleine wird den Browns im Vergleich zur vergangenen Saison einige Siege bescheren. Gleichzeitig würde ich nicht so weit gehen, das direkt als Turnaround auszurufen. Von dem kann man erst sprechen, wenn Cleveland seinen langfristigen Franchise-Quarterback gefunden hat. Denn ich glaube nicht, dass Taylor das für die Browns sein wird.

Chris Hook: Sind die Texans einer der großen Verlierer der Free Agency, vor allem auch wegen den anderen Verstärkungen in der Division?

Fairerweise muss ich dazu sagen, dass die Frage vor der Verpflichtung von Tyrann Mathieu kam. Aber selbst unabhängig davon hatte ich Houston eine solide Free Agency bescheinigt. Mit Kelemete und Henderson wurde Tiefe für die Offensive Line geholt, und auch wenn in der Line dringend noch nachgebessert werden muss: Der Markt hat hier in der Breite einfach nicht allzu viel Qualität hergegeben.

Mit Aaron Colvin hat man stattdessen einen der Top-Slot-Cornerbacks gefunden, Mathieu gibt Houstons Defense natürlich ebenfalls ein anderes Gesicht. Die Texans dürften im Draft neben der Offensive Line zusätzlich noch in die Secondary investieren, mit Blick auf das unglaubliche Verletzungspech im Vorjahr - Watson, Watt und Mercilus natürlich vorneweg - erwarte ich aber auch ohne Free-Agency-Splash ein klar verbessertes Texans-Team.

Sicherlich Recht hast du indes mit deiner Aussage bezüglich der Division. Über Jahre wurde die AFC South belächelt, jetzt sehe ich mit Jacksonville, Houston und Tennessee drei Teams, denen ich legitime Playoff-Chancen in der kommenden Saison einräume. Lediglich Indianapolis hinkt da etwas hinterher und das Verhalten der Colts in der Free Agency deutet klar darauf hin, dass man in Indianapolis mit einem Umbruch eher über zwei Jahre als über eines rechnet.

esso: Müssen sich die Seahawks in der NFC West erst einmal hinten anstellen? Oder reicht ein Wilson, um die Niners und Rams zu kontrollieren?

Nach dem Sherman-Abgang hatte ich meine grundsätzliche Meinung zu den Seahawks ja schon ausführlicher aufgeschrieben, der Kern des Ganzen: Seattle hat in der vergangenen Saison - das haben die Trades für Brown und Richardson gezeigt - einen letzten Anlauf mit dem langjährigen Kern unternommen. Jetzt geht man zum richtigen Zeitpunkt in den Umbruch, der es für die Seahawks 2018 schwer machen wird, zumindest mit den Rams mitzuhalten.

Gleichzeitig aber rechne ich in Seattle mit einem schnellen Umbruch und einem innerhalb kürzester Zeit wieder konkurrenzfähigen Team. Ein maßgeblicher Grund dafür ist der noch immer vorhandene starke Kern rund um Wilson, Wagner, Thomas, Clark, Baldwin, Brown und Wright. In die kommende Saison gehen aktuell für mich die Rams als klarer Favorit im Westen, mit San Francisco als Unbekannte mit enormem Potential. Seattle aber kann dieses Bild schon schnell wieder verändern.

In Breesus we trust: Wer könnte die Überraschungsmannschaft in der kommenden Saison sein? Klar fehlt noch der Draft aber den Erfolg dahinter kann man nicht planen.

Das hängt immer auch ein bisschen damit zusammen, wie man "Überraschungsmannschaft" definiert. Nahezu jeder wird Mitte August auf San Francisco setzen, und das nicht ohne Grund. Wenn ich mich jetzt auf eine positive Überraschung festlegen müsste, dann wäre das Tennessee: Ich erwarte, dass Mariota unter LaFleur nach der Stagnation in der vergangenen Saison eine immense Weiterentwicklung zeigt, Dion Lewis sollte perfekt in diese Offense passen. Dass Henry endlich den entlassenen Murray als Starter ablöst, war überfällig.

Defensiv bleiben auf dem Linebacker-Level Fragezeichen, doch sehe ich eine noch immer solide Defensive Line sowie mit Logan Ryan, Adoree' Jackson und jetzt auch Malcolm Butler ein gutes Cornerback-Trio. Tennessees Defense wird aggressiver auftreten können und die Offense zeitgemäßer, explosiver und besser an die Stärken ihres Quarterbacks angepasst sein.

Phil: Gibt es Absicherungsmöglichkeiten für die NFL, falls man bei den Ravens im Medizincheck mit Grant getrickst hat? Also können oder müssen die Ravens beweisen, dass dort etwas vorliegt? Momentan sieht es fast wie vorgeschoben aus, weil Spieler wie Crabtree auf den Markt kamen.

Gibt es nicht - jedenfalls nicht, soweit mir auch nach einiger Recherche bekannt wäre. Der Knackpunkt hier ist, dass Teams bei den Medizinchecks einen gehörigen Spielraum (oder Grauzone, wenn man es anders formulieren will), haben. Insofern kann, wie jetzt bei Grant geschehen, ein neutraler Arzt den Spieler als fit deklarieren, die Team-Ärzte aber ein anderes Urteil abgeben.

Manche Teams achten dabei auf ganz andere Dinge als andere Teams, manche wollen Spieler mit bestimmten körperlichen "Vorbelastungen" oder vergangenen Verletzungen kategorisch nicht haben. Und in dem Szenario hat das Team immer das Recht, von einem vereinbarten aber nicht unterschriebenen Vertrag zurück zu treten.

Vienna Falcons: Big Picture, AFC vs. NFC: Wer sieht besser aus?

Das ist aktuell nicht einmal ansatzweise knapp für mich. Ich sehe die NFC für 2018 deutlich vor der AFC, mit vier ernsthaften Contendern (Philly, Minnesota, New Orleans und L.A.) gegen zwei (New England, Pittsburgh) sowie drei Teams in der direkten Verfolger-Rolle (Green Bay, Atlanta, Carolina) gegenüber derer zwei (Jacksonville, Houston, mit den Chargers als möglicher dritter Kandidat für die Liste). Die Qualität in der Breite ist in der NFC aktuell in meinen Augen ebenfalls klar besser, während sich in der AFC mehrere Teams scheinbar eher für 2019 in Position bringen.