Das Tal der Tränen läuft über

Von Adrian Franke
27. September 201609:15
Für Fans der Cleveland Browns war es wieder einmal ein schmerzhafter Sonntaggetty
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Durchatmen! Eine völlig verrückte Week 3 (das SPOX-Tippspiel kann das bezeugen) ist vorbei, es wird Zeit für die Analyse. Der Hangover weint mit den gebeutelten Browns-Fans, fühlt Odells Schmerz und gibt zu, dass wir eigentlich nichts wissen. Außerdem: Hype-Train in Philly, Matt Ryan trifft eine weise Entscheidung und jede Menge Notizen!

Rex will Belichick sacken: Ja, es war eine beeindruckende Vorstellung: Wieder einmal hat es Rex Ryan geschafft, seinem Team die "Wir-gegen-alle"-Mentalität einzuimpfen und so seine extrem von Verletzungen gebeutelten Bills zu einem teilweise dominanten Sieg über die Cardinals geführt.

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Wenig überraschend also, dass die Augen anschließend blitzten, Rex auf der Pressekonferenz direkt in allerbester Feuer- und Feierlaune war - und in altbekannter Manier schlug er natürlich auch wieder über die Stränge.

So holte Ryan nämlich schon einmal vorsorglich zum ersten Angriff gegen den nächsten Gegner New England aus - völlig egal, ob am Ende Bill Belichick himself Under Center stehen würde, Buffalo wird Jagd auf ihn machen! Es könnte eines dieser klassischen Rex-Zitate ("Ich garantiere euch die Playoffs!") werden, das ihm in einer Woche um die Ohren fliegt.

You are a Factory of Sadness! Jetzt sitze ich hier, der Hangover ist fast fertig - aber diesen Punkt habe ich bis zum Schluss aufgehoben. Warum? Ganz ehrlich? Weil ich langsam nicht mehr weiß, wo man bei dieser wandelnden Tragödie genannt Cleveland Browns beginnen soll.

Aber hilft ja nix, also starten wir doch einfach am Anfang eines verrückten Spiels in Miami. Da erzwingt die Defense nach ein paar Sekunden einen Turnover, die Offense direkt in guter Ausgangslage. Rein kommt Cody Kessler, weil sich die ersten beiden Quarterbacks natürlich schon verletzt haben. Sein Auftakt: Delay of Game, Sack, Fumble. Da war der Ball auch schon wieder weg.

Doch die Browns spielten hart und kamen mehrfach in die Dolphins-Hälfte, wo sie zwei Field Goals vergaben. Trotzdem holte Cleveland im Schlussviertel elf Punkte auf, und dann passierte es: Strip-Sack Tannehill, Browns-Football! In der Dolphins-Hälfte! Unmittelbar vor dem Ende! Aber natürlich hat Cleveland in dem Spiel, in dem ein Game-Winning-Field-Goal ansteht, einen Kicker auf dem Feld, der am Freitag verpflichtet wurde und überhaupt nicht mit dem Team trainiert hat. Weil sich der eigentliche Kicker Patrick Murray am Freitag verletzt hatte.

So ballerte der arme Cody Parkey auch ein drittes Mal daneben. Natürlich. In der Overtime gewannen dann die Dolphins. Natürlich. Da half auch die historische Leistung von Terrelle Pryor, der als Quarterback, Running Back und Receiver eingesetzt wurde, nicht. Selbst Dolphins-Quarterback Ryan Tannehill tat Cleveland am Ende so leid, dass er sich zu diesem Statement hinreißen ließ: "Ich glaube nicht, dass wir den Sieg heute verdient haben." Aber hey, liebe Browns-Fans: Es gibt ja immer noch 2017!

Ach, Eli...: "So zerfahren es teilweise auch war: Am Ende hatten wir dennoch eine Chance", resümierte Eli Manning nach der Pleite gegen Washington. Die hatten sie auch - doch dann kam Bad Eli. Manning leistete sich zwei seiner bittersten Fourth-Quarter-Würfe seit einer ganzen Weile. Zunächst ein schlechter Pass auf Will Tye, den Dunbar an Washingtons Goal Line abfing.

Gut eine Minute vor Schluss wurde es noch dramatischer: Die Giants hätten für den Sieg nur ein Field Goal gebraucht, aber Manning wollte den Pass zu Vereen erzwingen und Su'a Cravens ging spektakulär dazwischen. Game Over

Und während Eli Giants-Fans weiterhin zum Schwärmen und zur Weißglut bringt, sorgt sein Bruder Peyton für haarige Schlagzeilen: Der Ex-Broncos-Quarterback posiert nämlich für seine aktuellste Werbe-Kampagne mit unterschiedlichem Haar-Ansatz! Oh, die Wunder von Photoshop...

Beckham vs. Norman, Part 2: Und wir bleiben in New York, denn Mannings erste Interception machte Odell Beckham so sauer, dass er in Tränen ausbrach, sich mit dem Kicking-Netz an der Seitenlinie anlegte - und verlor. Natürlich kennen wir alle den Evergreen "I fought the net, but the net won", aber Beckhams emotionaler Ausbruch war doch etwas zu viel des Guten. Ein Superstar wie er, auf den permanent die Kameras gerichtet sind, muss sich in einer solchen Situation schlicht professioneller verhalten.

Das Week-3-Roundup: Eagles zerlegen Steelers - Wilson verletzt

Folgerichtig gab es dann auch prompt den Anschiss von Manning persönlich, wie er der Daily News verriet: "Ich habe versucht, herauszufinden, was los war und warum er so frustriert war. Er hat Catches bekommen, er hatte seine Plays, und es muss einfach jeder ruhig bleiben. Wir brauchen diese Verunsicherung nicht."

Aber: Schwamm drüber, und weil man ja mit etwas Positivem schließen soll: Die von vielen befürchtete zweite Kampf-Runde zwischen Beckham und Norman kam - abgesehen von einer Szene - überhaupt nicht zustande. Die Refs hatten die beiden Vorjahres-Streithähne schon vor dem Kick-Off eindringlich ermahnt und rein sportlich zeigte Beckham Norman in der Schlussphase die Grenzen auf. Anschließend aber gab es ausgesprochen faire Gesten. SPOX sagt: Daumen hoch!

Wir. Wissen. NICHTS. Wenn uns Week 3 eines gezeigt hat, dann die Tatsache, dass wir nach zwei Spielen eigentlich doch immer noch versuchen, die Puzzle-Teile der einzelnen Teams zusammenzusetzen. Im Dunkeln. Mit den Händen auf den Rücken gebunden. Natürlich zerlegen die Bills Arizona mal eben mit 33:18 und zwingen die Cardinals zum Start des Spiels zu fünf 3&Outs in Folge. Klar, die Jets, die gerade noch Buffalo dominiert hatten, gehen mit sechs (!) Interceptions von Ryan Fitzpatrick in KC völlig baden.

Analyse: Shutout! Patriots erdrücken Texans

Und ganz logisch: Philadelphia schlägt die Steelers nicht nur, Pittsburghs Offense bekommt ganze drei Punkte zustande - was immer noch drei Punkte mehr sind, als die Texans in New England. Achso, die vier Touchdown-Pässe von Trevor Siemian in Cincinnati haben sicher ebenfalls alle kommen sehen.

Immerhin: Patrick Peterson lieferte die vielleicht beste Interception dieser Saison. Viel kaufen können sich die Cardinals davon aber nicht.

Wähle deine Gegner weise: Okay, first things first: Jalen Ramsey ist in einer bisher massiv enttäuschenden Jaguars-Defense ohne Frage der Lichtblick. Der Rookie-Cornerback lässt Woche für Woche kaum Catches zu und leistet mehr als nur seinen Beitrag.

Ein gewisses Maß an Frustration ist somit nachvollziehbar - doch wie er das kanalisiert, muss Ramsey noch lernen. Er habe es, so Ramsey nach der Pleite gegen Baltimore, geschafft, Ravens-Receiver Steve Smith - ausgerechnet - mental aus dem Konzept zu bringen. "Er ist ein alter Mann und verhält sich auch so", plärrte Ramsey und fügte hinzu: "Er ist noch immer ein guter Spieler. Aber als Mann respektiere ich ihn nicht."

Smiths Antwort via Social Media: "In fünf bis zehn Jahren ist deine Karriere vorbei und dann messen sie mich für etwas aus, für das sie dich nie ausmessen werden #HallofFamer." To be continued...

Believe the Hype!Party-Time in Philly! Im Vorfeld noch hieß es, dass die Browns und Bears nette Aufbaugegner waren. Gegen Pittsburgh würde Carson Wentz dann schon sein erstes blaues NFL-Wunder erleben. Allein - auf dem Platz war davon am Sonntag nicht allzu viel zu sehen.

Wentz bewegt sich nach wie vor erstaunlich gut in der Pocket, liest die Defense und bringt den Ball dahin, wo er hin muss - und wenn es einen kurzen Pass auf Darren Sproles braucht, dann bitte! Sicher, früher oder später wird es ein schlechtes Spiel von Wentz geben und wir alle wissen, wie launisch Eagles-Fans sein können. Aber eines lässt sich nicht von der Hand weisen: Der Rookie ist deutlich weiter, als wir alle vor der Saison gedacht haben.

P.S.: Ein kleiner Tipp an Eagles-Coach Doug Pederson, der ansonsten bislang herausragende Arbeit leistet: Zu sagen, dass Wentz' Tape-Studium an Peyton Manning erinnert, ist nicht unbedingt der schlauste Umgang mit dem Hype. Stichwort Erwartungshaltung und so.

Wichtige Notizen:

  • Erlaubt mir, ein letztes Mal nach Miami zurück zu gehen - denn Dolphins-Quarterback Ryan Tannehill darf sich nicht nur über einen Sieg freuen, er hat zudem den großen Hangover-Ehrenpreis für diese Woche abgeräumt: Die beste Darstellung des eigenen Team-Logos auf dem Feld! Glückwunsch!
  • Last but not Least, und damit schließen wir den Bogen zum ersten Punkt: Hut ab vor dieser Vikings-Defense! Carolina riss das Spiel früh an sich - und dann? Punt, Missed Field Goal, Punt, INT, Punt, INT, Punt, INT, Turnover on Downs. Wer jetzt noch nicht glaubt, dass Minnesotas Defense dieses Team ganz weit bringen kann, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Öh - Saints? Was für ein völliges Debakel war das denn bitte...? Die Saints-Defense ging gegen Atlanta mal eben komplett baden und die Frage muss schon erlaubt sein: Wann gibt's das große Aufräumen in New Orleans? So oder so sei gesagt, dass derartige Selbstzerstörungs-Aktionen nicht akzeptabel sind, wenn der Draft-Pick im kommenden Jahr nicht ein ganz hoher werden soll.

Die lustigste Szene beim Monday Night Game gehörte aber Matt Ryan, der sich lieber fast den Knöchel brach, als Nick Fairley zu blocken (und damit Recht hatte!).

Die Zitate der Woche: Ja, kein Tippfehler, heute gibt's gleich zwei: Da war zum einen Seahawks-Defensive-End Michael Bennett, der gefragt wurde, welche Herausforderung Niners-Quarterback Blaine Gabbert für die Defense bedeutet habe. Seine Antwort: "Es gab keine Herausforderung. Er hatte 100 Yards."

Und wir schließen mit einer Elway-Bombe. Denvers Vizepräsident erklärte nach dem Texans-Debakel in New England, als die Offense um den im Frühjahr aus Denver verpflichteten Brock Osweiler ohne Punkt blieb, bei KOA Radio: "Manchmal sind die Deals, die du nicht machst, die besten Deals." RUMMS. (Übersetzung: Elway mag Siemian.)

Week 3 im Überblick