In Super Bowl XLIX (Mo, 0.30 Uhr im LIVE-TICKER) treffen mit den Seattle Seahawks und New England Patriots die derzeit unzweifelhaft besten Teams der NFL aufeinander. Gecoacht werden sie nicht ganz zufällig von den Besten ihres Fachs. Auf den ersten Blick sind Pete Carroll und Bill Belichick von Grund auf verschieden, doch von Social Media und all dem neumodischen Zeug abgesehen findet SPOX dennoch ein paar grundlegende Ähnlichkeiten.
Der 15. November 1999 geht in die Geschichte ein als der vielleicht ultimative Startpunkt der Erfolgsgeschichten zweier großer Coaches. Monday Night Football im alten Foxboro Stadium. Die New England Patriots standen bei 6-2 und waren damit zum dritten Mal in Serie unter Pete Carroll auf Playoff-Kurs. Zu Gast waren die New York Jets unter Coaching-Legende Bill Parcells, der die Patriots vor Carroll trainierte und in den Super Bowl führte.
Doch es war letztlich die Defense von einem gewissen Coordinator namens Bill Belichick, die Star-Quarterback Drew Bledsoe zur Verzweiflung brachte.
Die Jets gewannen 12:7 und starteten damit den Abrutsch der Patriots, die am Ende mit 8-8 die Postseason verpassten. Carroll wurde entlassen, wenig später übernahm Belichick. Am kommenden Sonntag stehen sich nun beide im Super Bowl gegenüber.
Super Bowl XLIX
Belichicks Patriots treffen nach einer 12-4-Saison als Nummer eins der AFC auf Carrolls Seattle Seahawks, die das Jahr ebenfalls mit 12-4 und dem Top-Seed der NFC abschlossen. Ihre Methoden sind verschieden, doch unter dem Strich stehen beide Teams und beide Coaches für großen Erfolg. Seit 2012, dem Rookie-Jahr von Russell Wilson, haben beide Teams in der Regular Season eine Bilanz von 36-12, womit sie führend in der NFL sind.
Während die Patriots in den letzten Jahren eher wegen der Offense um Tom Brady so erfolgreich waren, setzten die Seahawks auf Defensive und führten ihre Offense langsam heran. Heute stehen wohl beide auf ähnlichem Level, gerade defensiv.
Dabei ist klar, dass die Patriots ihre Defense, speziell die Secondary, dem Vorbild der Seahawks nachempfunden haben: herausragende, physisch starke Cornerbacks, dazu ein allgegenwärtiger Free Safety. Einzig der hammerharte Strong Safety a la Kam Chancellor fehlt. Doch dafür bringt man offensiv mehr Feuerpower auf den Rasen.
Carrolls Ende war der Anfang
Nachdem Carroll Foxborough verließ und Belichick dort begann, trennten sich die Wege der beiden. Belichick verschwendete keine Zeit, das Team auf seine Vorstellungen umzubauen und gewann bekanntlich schnell drei Super Bowls. 2015 steht er nun zum sechsten Mal im größten Spiel des Jahres.
Carroll wiederum nutzte die Zeit nach seiner Entlassung zur Reflexion. Er war damals bekannt als der personifizierte "Nice Guy". Kicker-Legende Adam Vinatieri sagte einmal: "Er war ein großartiger Kerl, das Training hat Spaß gemacht." Doch er schränkte ein: "Wenn einer was falsch gemacht hat, gab er ihm eine zweite Chance. Wenn einer Mist baute, sagte er im Grunde: 'Ach, egal. Macht nichts.' Und das war nicht das, was wir zu dem Zeitpunkt als Team gebraucht haben."
Das erkannte auch Carroll selbst: "Es war das erste Mal, dass ich wirklich etwas Zeit hatte. Ich war zehn Monate lang Halb-Rentner und hatte die Chance, mich hinzusetzen und in einen anderen Modus zu wechseln. In dieser Zeit ist der Wettkämpfer in mir erwacht. Ich musste alles dafür tun, mich so gut wie möglich vorzubereiten. Ich bin seither nicht mehr derselbe. Es war ein großartiger Wandel."
Pleite als Initialzündung
Die besagte 7:12-Pleite der Patriots hatte letztlich weitreichende Konsequenzen. Nicht nur schickte sie die Patriots in eine Abwärtsspirale, die letztlich Carroll den Job kostete. Es folgte auch die Entlassung von General Manager Bobby Grier, der mit schlechten Drafts von sich reden machte. Belichick wurde geholt und Bledsoe erstmals in Frage gestellt. Wenig später wiederum landete Carroll in Southern California als Coach von USC.
Belichick revolutionierte die Art und Weise, wie das Spiel auf und neben dem Platz in der NFL gespielt wird, während Carroll im Grunde das Gleiche mit dem College-Sport machte. Er setzte Maßstäbe, gewann zwei nationale Meisterschaften, erreichte ein drittes Championship Game und brachte eine Reihe von Heisman-Gewinnern hervor. Beide werden als beste Coaches ihrer Klassen des Jahrzehnts angesehen.
Unterschiedliche Persönlichkeiten?
Auf den ersten Blick sind Belichick und Carroll dabei vollkommen verschieden. Belichick, dessen Markenzeichen der Hoodie mit den abgeschnittenen Ärmeln ist und der mitunter den Charme des Imperators aus "Star Wars" versprüht, tritt gerade im Umgang mit der Presse in seiner stets monotonen Stimme auf. Kann man mehr Abneigung und Desinteresse demonstrieren?
Auf der anderen Seite steht der stets gut gelaunte Sunny Boy, der immer einen Spruch auf den Lippen hat und mit den Medienvertretern gerne kommuniziert. Er sieht die Dinge nicht so eng und ist immer locker. Selbst potenziell kritische Fragen umschifft er elegant. Sein Defensive Back Jeremy Lane etwa bezeichnete Rob Gronkowski, den besten Tight End der NFL, als "nicht so gut". Carrolls Reaktion darauf: "Er hat wohl den Game-Film noch nicht gesehen..." Mediale Krise abgewendet!
Der immerhin ein Jahr jüngere Belichick (62) hält so gar nichts von moderner Technik, Social Media und dergleichen: "MyFace, YourFace, InstantFace. Sprecht mit denen, die dieses Zeug benutzen. Ich hab keine Ahnung." Das sieht bei Carroll ganz anders aus. Er war einer der ersten Coaches überhaupt, die sich auf Facebook präsentierten. Und er hat einen eigenen Twitter-Account.
Ähnliche Substanz
Doch unter diesen sehr unterschiedlichen Oberflächen sind sie sich eigentlich doch sehr ähnlich. Bledsoe, der unter beiden Coaches in New England gespielt hat, sagt: "Die Unterschiede sind rein stilistisch, aber die Substanz ist sehr, sehr ähnlich."
Konkret heißt das: "Wenn man Petes Pressekonferenzen sieht und hört, wie er spricht, bekommen Leute wohl den Eindruck, er sei ein Luftikus, ein verrückter Typ. Aber Pete hat auch Ecken und Kanten."
Was Bledsoe aber vor allem unterstreicht: "Was beide machen, ist, eine Kultur des extremen Wettbewerbs auf dem Trainingsplatz zu kreieren. Beide geben ihren Spielern zu verstehen, dass es nichts umsonst gibt. Es wird immer Leute geben, die deine Position einnehmen wollen."
Der QB bemerkte bei einem Besuch des Miami-Spiels seines Ex-Teams aber auch: "Ich war an der Seitenlinie, er kam lächelnd zu mir, umarmte mich und wir unterhielten uns für eine Minute. Ich glaube, Bill genießt den Ritt jetzt mehr als früher."
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The Art of War - or Tennis?
Belichick zieht seine Inspiration unter anderem aus Sun Tzus "The Art of War" mit dem Grundsatz, zunächst einmal den Gegner zu studieren und besser zu verstehen als jeder andere. Dies spiegelt sich in seiner Gameplan-basierten Herangehensweise an jedes einzelne Spiel wider.
Während die Patriots gegen die starke Lauf-Defense der Ravens irgendwann beschlossen hatten, gar nicht mehr zu laufen, bekam Running Back LeGarrette Blount gegen die Colts 30 Mal den Ball und überrannte den Gegner regelrecht im Wissen, dass Indy den Lauf nicht stoppen kann.
Carroll setzt auf "The Inner Game of Tennis" von W. Timothy Galloway. Daraus zieht er seine Philosophie: "Es geht darum, das Wirrwarr in den Interaktionen zwischen deinem Bewusstsein und Unterbewusstsein aufzuräumen. Das gelingt durch überlegenes Training und eine klare Herangehensweise. Fokus, Klarheit und der Glaube an einen selbst sind die Faktoren, die es uns erlauben, unsere Fähigkeiten auszuleben, ohne abschweifende Gedanken und Bedenken." Und genau das verkörpern wohl derzeit die Seahawks am besten. Oder demonstriert jemanden deutlicher Selbstvertrauen als ein Richard Sherman?
Zwei Alleinherrscher
Im Spiel sind sich beide zudem ähnlich, was Offensiv-Entscheidungen angehen. Schon zu USC-Zeiten ließ Carroll häufig Fourth Downs ausspielen. Dort nannte man ihn nicht umsonst "Big Balls Pete". Eine Haltung, die auch einem Belichick nicht fremd ist.
Defensiv wiederum könnten sie nicht verschiedener sein. Während Belichick immer wieder versucht, seine Formationen zu verschleiern und Quarterbacks zu verwirren, was selbst gegen Peyton Manning dann und wann funktioniert hat, macht Carroll keinen Hehl aus seiner Defensive.
Im letzten Super Bowl wurde nichts verschleiert, man verteidigte gewohnt aggressiv und diszipliniert und zerlegte so die vielleicht beste Offense in der Geschichte der Liga.
Seattles Legion of Boom: Das vierköpfige Monster
Die größte Gemeinsamkeit aber ist die Tatsache, dass beide Alleinherrscher sind. Weder Belichick noch Carroll haben jemanden außer den Teameignern über sich. Bill hat Personal-Experte Nick Caserio an seiner Seite, während Pete auf General Manager John Schneider setzt, der ihm allerdings eher zuarbeitet. Ein Punkt, der der entscheidende Faktor gewesen ist, vom College zurück in die NFL zu kommen.
SpyGate und Doping
Auch negative Geschichten sind beiden nicht fremd. Bei Belichick ist es "SpyGate", das ihn bis heute verfolgt. Im Rahmen seiner fast legendären "Deflate-Gate"-PK stellte er kürzlich noch mal klar: "Da gibt einer Signale vor 80.000 Zuschauern. Wir haben diese Signale vor 80.000 Zuschauern gefilmt, wie es viele andere Teams auch gemacht haben, okay? Vergessen Sie das! Wenn das falsch war, wurden wir dafür bestraft."
Carroll wurde zwar nicht direkt erwischt, aber dafür bewies er kurios gutes Timing beim Abgang aus Kalifornien. Nur wenige Monate nach seinem Antritt in Seattle wurde bekannt, dass die Trojans gegen zahlreiche NCAA-Regularien verstoßen hatten und besonders Heisman-Gewinner Reggie Bush im Mittelpunkt stand. Das führte zur Aberkennung eines Meistertitels, zahlreicher Siege und der Rückgabe der Heisman-Trophäe von Bush.
Der Coach wollte davon natürlich nichts gewusst haben. Carroll hüllt außerdem den Mantel des Schweigens über die hohe Anzahl von Dopingsperren gegen seine Spieler für die Einnahme des Amphitamins Adderall. Beide bewegen sich also auch öfters am Rande der Legalität.
SPOXEin Blick in die Zukunft
Der kommende Super Bowl wird nur einen Sieger sehen, aber zwei herausragende Coaches, die trotz ihres Alters noch lange nicht fertig sind. Carroll wird mit seinem noch sehr jungen Quarterback noch einige Schlachten bestreiten und nun erstmals richtig vor der Herausforderung Free Agency stehen.
Belichick auf der anderen Seite muss sich mit dem Gedanken befassen, was nach Brady kommt, der nicht mehr ewig spielen wird. Übernimmt Jimmy Garoppolo oder doch ein ganz anderer? Doch eines dürfte klar sein: Dies wird nicht das Ende der Erfolgsgeschichten dieser beiden Coaches sein. Und wer weiß, womöglich sehen sich beide schon nächsten Februar wieder - vielleicht in Santa Clara.
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Die NFL-Playoffs im Überblick