NBA: Der Beginn der ShaKobe-Lakers-Dynastie und der epische Einbruch der Portland Trail Blazers

Robert Arndt
04. Juni 202008:10
Shaquille O'Neal machte in Spiel 7 gegen Portland 18 Punkte.imago images
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Die Los Angeles Lakers waren zu Beginn des Jahrhunderts mit Shaquille O'Neal und Kobe Bryant die dominierende Kraft in der NBA. Zwischen 2000 und 2002 gelang der Threepeat, dennoch standen die Titel teils auf der Kippe, vor allem im ersten Jahr. Nur ein furioses Comeback in Spiel 7 der Western Conference Finals gegen die Portland Trail Blazers verhinderte ein vorzeitiges Scheitern. Es war ein Spiel für die Ewigkeit, auch aufgrund einiger Kontroversen.

Eigentlich war alles angerichtet für Shaq und Kobe. Nach einer überragenden Regular Season mit 67 Siegen, elf mehr als das beste Team im Osten Indiana und acht mehr als die zweitplatzierten Portland Trail Blazers im Westen, gingen die Lakers als turmhoher Titel-Favorit in die Playoffs.

Nach einer jahrelangen Durststrecke mit vielen Enttäuschungen, unter anderem setzte es Sweeps in den Playoffs gegen Utah und San Antonio, sollten nach neun Jahren wieder die Finals her und nach zwölf langen Jahren wieder die Larry O'Brien Trophy nach Tinseltown geholt werden.

Shaq und Kobe in den West-Finals 2000 kurz vor dem Kollaps

Am 4. Juni 2000 wackelte dieses Unterfangen aber gewaltig. Nach einer 3-1-Serienführung gegen die Portland Trail Blazers gaben die ShaKobe-Lakers die nächsten beiden Spiele ab und auch im Entscheidungsspiel in der neuen Lakers-Heimat Staples Center betrug der Rückstand tief im dritten Viertel plötzlich 16 Punkte.

Es rumorte in der Halle, in der sich die Stars und Sternchen Hollywoods die Klinke gaben. Was die komplette Saison klappte, schien nun zu implodieren. Portland war dabei mitnichten ein leichter Gegner, im Gegenteil. Die Blazers stellten das tiefste und dank Microsoft-Mitgründer Paul Allen auch teuerste Team der Liga (73 Millionen Dollar).

Mit Arvydas Sabonis, Brian Grant und dem jungen Jermaine O'Neal standen gleich drei Center im Kader, die gegen MVP Shaq hart verteidigen und im Zweifel auch zusammengerechnet 18 Fouls geben konnten. Ein Luxus, den sich damals kein anderes Team leisten konnte.

Keiner war tiefer als die Portland Trail Blazers

Darüber hinaus zog Scottie Pippen die Fäden und mit Rasheed Wallace, Steve Smith, Bonzi Wells sowie Zaubermaus Damon Stoudamire standen weitere potente Scorer im Kader. Der alternde Detlef Schrempf sah so nicht einmal mehr 20 Minuten pro Spiel.

Trotz aller Tiefe trauten die meisten Portland aber nicht die Überraschung zu. Nach einem starken 45-11-Start gingen zum Ende der Saison zwölf der letzten 26 Spiele in die Binsen. Immer wieder gab es Gerüchte, dass die Spieler nicht auf Coach Mike Dunleavy hören, zudem sorgte Wallace mit seinen zahlreichen technischen Fouls immer wieder für Aufsehen. Es waren die Anfänge des wenig schmeichelhaften Labels Jail Blazers, welches sich in den kommenden Jahren in den Köpfen der NBA-Fans festsetzen sollte.

Nun führten die Blazers aber kurz vor Ende des dritten Viertels mit 16 Punkten, Shaq stand gerade einmal bei mickrigen 9 Zählern und nur zwei Field Goals. Vieles sprach dafür, dass Coach Phil Jackson in seiner ersten Lakers-Saison nach sechs Titeln mit Jordans Bulls tatsächlich scheitern würde.

Lakers 2000: Zweifel an Star-Coach Phil Jackson

Schon im Laufe der Saison gab es einige Stimmen, die den Triangle-Papst in Frage stellten. "Ich hätte gern mal gesehen, ob sein Zen-Zeug auch in Dallas oder Vancouver funktioniert hätte", hatte auch Spurs-Guard Terry Porter einen Monat zuvor angemerkt. Auch Dunleavy versuchte vor der Serie den Mythos Jackson ein wenig zu entkräften. "Jedes Team hat Elemente der Triangle Offense, das ist keine Hirnforschung."

Die Kritik an Jackson war vor allem nach Spiel 2 gegen die Blazers lauter geworden. Im Staples Center hatte Portland 20 Punkte in Folge erzielt, doch Jackson nahm während dieses Laufs keine einzige Auszeit. Die Lakers gaben so zunächst den Heimvorteil ab - um dann aber die nächsten beiden Spiele in Portland zu gewinnen.

Doch das Momentum wechselte erneut, Shaq wurde in Spiel 6 bei mageren 17 Punkten gehalten, der behäbige, aber ebenso kräftige Sabonis beackerte den Diesel wie kein anderer in dieser Saison.

Probleme hatte auch Kobe Bryant, der in dieser Saison endgültig seinen Durchbruch geschafft hatte. In der regulären Saison legte die Black Mamba über 21 Punkte im Schnitt auf und in der ersten Runde gegen Sacramento steigerte er gleich zweimal seinen Playoff-Bestwert (32 beziehungsweise 35 Punkte).

Kobe Bryant war 2000 gerade erst 21 Jahre alt.imago images

Kobe Bryant leitet die Wende für die Lakers ein

"Er macht nicht mehr die Dinge, die ihn und uns in Probleme bringen. Er spielt nicht mehr sein eigenes Spiel", lobte Lakers-Forward Rick Fox die Entwicklung des jungen Kobe. Doch die Blazers hielten den 21-Jährigen in vier der ersten sechs Spielen unter 20 Zählern und auch der Start in das Entscheidungsspiel war mehr als wacklig.

Im ersten Viertel startete Kobe mit zwei Airballs, einmal dribbelte er sich den Ball selbst auf den Fuß, einen Freiwurf setzte er auf den Ring. Und doch zeigte eben jenes Spiel eine Entwicklung beim jungen Bryant. In den Jahren zuvor erzwang er trotz solcher Phasen zu viel und schadete seinem Team, im Jahr 2000 leitete er zusammen mit Shaq die Wende und eines der größten Comebacks der Playoff-Geschichte ein.

Nachdem Pippen kurz vor dem Ende des dritten Viertels auf 71:55 für die Blazers gestellt hatte, zog Kobe mit ablaufender Uhr den zweiten Gegenspieler, der offene Brian Shaw versenkte von Downtown mit Brett und sollte die Aufholjagd einläuten.

Einerseits tat Bryant dies offensiv, aber auch am hinteren Ende, als er Wells als Help Defender übel abräumte. So blieben die Blazers nach einem Jumper von Smith nach 13 Sekunden im vierten Viertel fast neun weitere Minuten ohne Field Goal, in dieser Zeit wurden 14 Würfe in Folge vergeben. Jüngere NBA-Fans dürften sich an dieser Stelle an die Houston Rockets in den Conference Finals 2018 erinnert fühlen, sie vergaben gegen die Warriors 27 Dreier am Stück.

Shaq vs. Sabonis: Duell der Giganten

Der eigentliche Knackpunkt des Spiels war aber das fünfte Foul von Sabonis, welches gelinde gesagt sehr zweifelhaft war. Der Litauer musste für vier Minuten auf die Bank, der Vorsprung schmolz von neun auf gerade einmal drei Zähler.

"Arvydas machte drei Viertel lang ein unglaubliches Spiel, so wie er Shaq verteidigte", erinnerte sich der damalige Assistant Coach Jim Eyen gegenüber oregonlive.com später. "Shaq hatte solch einen Respekt vor ihm, dass er ihn auch am Perimeter nie frei stehen ließ. Phil Jackson schrie immer, dass er absinken solle, um bei Drives zu helfen, doch Shaq weigerte sich."

Doch Sabonis sollte nur fünf Minuten im Schlussabschnitt spielen, nach drei Pfiffen gegen sich foulte der Litauer schließlich 164 Sekunden vor dem Ende aus. In 33 Minuten verbuchte der 35-Jährige zwar nur 6 Punkte und 5 Rebounds, im Teamverbund war der Center aber nicht zu ersetzen.

Kobe auf Shaq: Der legendäre Alley-Oop der beiden Mega-Stars

Stattdessen glich O'Neal von der Freiwurflinie aus und zwei Minuten später sollte das ikonische Play folgen, welches die ShaKobe-Ära in Los Angeles für immer definieren sollte. 41 Sekunden vor dem Ende zog Bryant in die Zone, die Defense verengte sich und Kobe warf einen Lob auf Shaq, den dieser mit all seiner Wucht durch die Reuse jagte. 85:79 Lakers.

Das Staples Center verwandelte sich in ein Tollhaus, wie ein kleines Kind rannte Shaq mit ausgestreckten Armen und weit geöffnetem Mund zurück zur Lakers-Bank. Es folgte ein demonstratives High-Five mit Assistgeber Bryant. Wallace verkürzte zwar noch einmal auf drei Zähler und Bryant vergab sogar noch zwei Freiwürfe in Folge, doch Robert Horry brachte das Spiel in bester Big-Shot-Bob-Manier von der Linie in den Hafen.

"Ein Spiel 7 ist immer eine nervenaufreibende Sache, aber so etwas wie heute habe ich noch nicht erlebt", sagte Jackson nach dem Spiel, der laut Shaq die Saison bereits abgeschrieben hatte. "Phil kam nach dem dritten Viertel zu uns und wünschte uns bereits einen schönen Urlaub, das hat uns noch einmal angestachelt", erinnerte sich der Diesel Jahre später bei ESPN.

Statt am Strand von Cancun fanden sich die Lakers in den Finals wieder, in sechs Spielen wurden die Pacers abgefertigt. Es sollten noch zwei weitere Titel folgen, bevor die Mini-Dynastie aufgrund von Streitigkeiten zwischen den beiden Mega-Stars letztlich im Sommer 2004 endgültig auseinanderbrach.

Spiel 7 der West-Finals: Der Boxscore der Los Angeles Lakers

SpielerMINFG3PFTREBASTSTLBLKTOVPFPTS
Kobe Bryant46:579/19

1/4

6/12117042425
Shaquille O'Neal46:565/90/08/1295014418
Glen Rice36:194/102/51/164001111
Ron Harper23:214/60/01/22400139
A.C. Green14:390/10/01/42020031
Robert Horry33:214/71/43/670012412
Brian Shaw16:464/63/40/032202211
Rick Fox12:270/20/10/01300140
Derek Fisher8:551/30/10/00000012
John Salley0:200/00/00/00000000

Blazers am Boden: "Wie Feiglinge gespielt"

Die Blazers dagegen verließen zum zweiten Mal in Folge in den Conference Finals das Parkett als Verlierer, es sollte bis 2014 dauern, bevor das Team nach dunklen Jahren gespickt mit einigen Skandalen (Stichwort: Jail Blazers) wieder eine Playoff-Runde gewann. "Wir haben wie Feiglinge gespielt", ging Pippen mit seiner Mannschaft hart ins Gericht.

Auch Reserve-Forward Antonio Harvey schlug später in die gleiche Kerbe: "Der einzige Spieler, der auf sowas vorbereitet war, war Scottie. Doch Scottie war nicht mehr der Pippen der Chicago Bulls, der die komplette Last tragen konnte. Rasheed war unser bester Spieler, aber zu diesem Zeitpunkt war der Moment für ihn zu groß."

Der Frust entlud sich aber auch in eine andere Richtung. Die Lakers marschierten 37-mal an die Freiwurflinie, mit Pippen und Sabonis foulten ausgerechnet die beiden besten Spieler aus. Alleine im Schlussabschnitt nahmen die Gastgeber 16 Freebies, so viele wie Portland im kompletten Spiel.

Spiel 7 der West-Finals: Der Boxscore der Trail Blazers

SpielerMINFG3PFTREBASTSTLBLKTOVPFPTS
Rasheed Wallace45:2413/26

2/2

2/541011430
Scottie Pippen43:183/102/64/4103203612
Steve Smith42:067/173/41/232012118
Arvydas Sabonis32:292/60/02/25310066
Damon Stoudamire19:282/61/10/01310021
Detlef Schrempf20:583/30/00/05000246
Bonzi Wells17:552/70/23/33020147
Brian Grant7:490/20/00/02100120
Jermaine O'Neal6:170/00/00/00101020
Greg Anthony4:170/00/00/00100000

Lakers vs. Blazers: Ging alles mit rechten Dingen zu?

Einige Verschwörungstheoretiker weisen gerne darauf hin, dass einer der Schiedsrichter ein gewisser Dick Bavetta war. Dieser sollte zwei Jahre später auch das kontroverse Spiel 6 zwischen den Kings und Lakers leiten. Neben Bavetta war 2002 auch Tim Donaghy an der Pfeife, er wurde später lebenslang wegen Spielmanipulation gesperrt. Donaghy erhob später Vorwürfe, dass einer seiner Kollegen einen Lakers-Sieg wollte, sogar das FBI ermittelte in dieser Angelegenheit.

In seinem Buch Personal Foul schrieb Donaghy folgendes über Bavetta: "Er nannte sich selbst den Go-to-Guy der NBA." Ein Blogger der Blazers befasste sich erst in diesem Jahr mit der Thematik und kam zu dem Ergebnis, dass es lediglich fünf schlechte Pfiffe im kompletten Spiel gab (vier schadeten den Blazers), auch wenn gerade die Fouls gegen Sabonis sehr fraglich waren.

Letztlich ging diese Pleite auf das Konto der Blazers, die im vierten Viertel keine Offense mehr generieren konnten und schlichtweg kollabierten. Es war ein absolut richtungsweisendes Spiel für den Verlauf der NBA-Historie, wie auch der frühere NBA-Coach John Lucas im Buch "Jail Blazers" befand:

"Dieses Viertel prägte beide Franchises. Kobe und Shaq starteten durch und gewannen drei Titel, während in Portland Leere herrschte. Es fühlt sich so an, als ob die Blazers sich von dieser Niederlage niemals erholen konnten."