27.02.2012 um 23:52 Uhr
Geschrieben von vanGaalsNase
modernes Training I
differenzielle Lehr- und Lernmethode
In Mannschaftssportarten nimmt die Technik die wohl bedeutendste Rolle ein. Je besser die Technik des Spielers ist, desto größer wird der Erfolg auch im Hinblick auf die Umsetzung der Taktik sein. Zur Verbesserung der Technik gibt es zwei vorherrschende Lehrmethoden, die unterschiedliche Ansätze haben. Der differenzielle Lernansatz (diff. LM) bildet das Gegenmodell zu der konservativen Trainingsmethode des motorischen Wiederholens; das sogenannte "Einschleifen". Während es beim ständigen motorischen Wiederholen darum geht, ein bestimmtes technisches Bewegungsideal ohne Fehler anzutrainieren, kommt es bei der diff. LM insbesondere zu einer Neubewertung ebenjener Bewegungsfehler (Schwankungen). Diese Fehler, die nach traditionellen Trainingsmethoden zu vermeiden sind, werden bewusst in den Trainingsprozess integriert.
Die diff. LM folgt dabei zwei Grundideen: Bewegungen unterliegen ständigen Schwankungen und können nicht (exakt) wiederholt werden. Darüber hinaus sind Bewegungen individuell bzw. personenspezifisch, was bedeutet, dass sich niemand auf die gleiche Weise bewegt wie ein anderer Mensch. Bei traditionellen Lernmethoden hingegen wird eine schrittweise Annäherung an ein vorgegebenes Ziel durch entsprechend hohe Wiederholungszahlen mit ständigem Soll-Ist-Vergleich angestrebt. Dabei soll die Abweichung vom Ideal nach und nach verringert werden, bis die Zieltechnik erreicht ist.
Diese angestrebte Zieltechnik muss jedoch im Fußball in Bezug auf die ständig wechselnden Anforderungen von Raum-, Gegner- und Zeitdruck, sowie äußerer Umstände (Bsp.: Wetter, Platzverhältnisse) angepasst werden und lässt die individuelle Motorik außer Acht, sodass die Anwendung der reinen Zieltechnik nur selten oder nie stattfindet. Durch das ständige Konfrontieren mit unterschiedlichen Aufgaben (Differenzen) soll die Fähigkeit, sich an neue Situationen im Bereich des Lösungsraums schneller adäquat zu reagieren, erlernt werden.
Der Zielbereich der jeweiligen Technik wird bei der diff. LM also nicht mehr als eng und stabil betrachtet, sondern als weiter Lösungsraum, innerhalb dessen sich die optimale Lösung in jeder Situation ändert und niemals wiederholt. Durch die diff. LM wird auch der Randbereich des Lösungsraums abgetastet, was dazu führt, dass mehrere Aspekte von technisch-taktischen Bereichen automatisch (mit)geübt werden. Somit wird nicht die theoretisch optimale und konkrete Lösung (Idealtechnik) geübt und gegen Lösungen anderer Bewegungsgegenstände stabil gemacht, sondern ein möglicher Lösungsraum umkreist, der es dann erlaubt, die auf jeden Fall neue und situativ optimale Lösung auszuführen.
Bei sich ständig verändernden Anforderungen ist es wenig effizient, die einzelnen Handlungen mit einem feststehenden Technikleitbild zu vergleichen. Der differenzielle Lernansatz stellt daher ein personenunabhängiges Bewegungsideal bzw. allgemeines Technikleitbild in Frage. Gerade bei einer solch situationsabhängigen und von Zufällen geprägten Sportart wie Fußball ist ein derartiger Denkansatz sinnvoll. Denn jeder soll in einem individuellen autonomen Prozess sein eigenes Bewegungsoptimum finden. Korrekturen durch den Trainer zugunsten einer allgemeinen Zieltechnik sind dabei zu vermeiden.
Zweifellos werden gute Bewegungsleistungen mit sämtlichen Lern- und Trainingsansätzen erzielt. Entscheidende Unterschiede ergeben sich aber in Bezug auf die Dauer, bis das Ziel erreicht wird, also die so genannte Lernrate (Lernfortschritt pro Zeit) und die Dauer über die das Gelernte behalten wird. Ausschließliches Wiederholen enthält dabei zwar ein Mindestmaß an Verbesserungen, dafür jedoch auch auf die Dauer nur eine relativ geringe Lernrate und nur einen stark begrenzten Zeitraum, in dem das Gelernte weiterhin im Gedächtnis bleibt. Sowohl die Verbesserungen als auch die Lernraten nehmen laut bisheriger Studien beim diff. Lernen zu.
Praxis
Für die Trainingsarbeit im Fußball bedeutet dies, dass grundsätzlich wettkampf- oder spielnah geübt werden sollte. Denn insbesondere in Spielformen kann man die Anforderungen und Rahmenbedingungen derart variieren, dass vielfältige Schwankungen provoziert werden, wodurch eine große Lernrate entsteht. Gerade in Mannschaftssportarten stehen Technik, Kondition und Taktik in engem Zusammenhang und beeinflussen sich gegenseitig. Taktische Ziele erfordern besondere technische Anforderungen.
Schwankungen können unter anderem durch Veränderung der Größe des Spielfeldes und/oder der Anzahl an individuellen Ballkontakten provoziert werden. Jede Veränderung muss dabei bestimmte Ziele verfolgen, die zur Erreichung einer angestrebten Spieltaktik oder Strategie führen sollen (will man Dribblings üben, wäre es bspw. kontraproduktiv, die individuellen Ballkontakte auf 2 zu beschränken). Es kann auch die Qualität der Bälle geändert werden. Bälle der Größe 4 oder Futsalbälle sind kleiner und weisen jeweils ein anderes Gewicht und Sprungverhalten auf, sodass die Spieler sich bei der Ballführung umstellen müssen. Auch die Spielfeldgrundlage (Halle, Natur- oder Kunstrasen, Sand, Asche) kann variieren. Die unterschiedliche Qualität von Bällen und Spielfeldern wirkt sich direkt auf die allgemeine Technik aus.
Treffen die ballorientierten Spielweisen von Offensive (Passspiel) und Defensive (Pressing) aufeinander, entsteht ein zunehmend enges, schnelles und somit besonders intensives Geschehen auf dem Platz, in dem es immer mehr darauf ankommt, unter Zeitdruck Entscheidungen zu treffen und entsprechend zu agieren. Die Bedeutung des Dribblings nimmt dabei sukzessive ab, während der Pass und das aktive Spiel ohne Ball an Bedeutung gewinnen. Das mannschaftlich geschlossene Spiel ist die logische Folge, was ferner dazu führt, dass individuelles Techniktraining in Form des Einschleifens weiter an Sinn verliert. Technik steht nunmehr immer im Zusammenhang mit der Gruppen- oder Mannschaftstaktik, sodass das Techniktraining zwingend in Spielformen stattfindet.
Dementsprechend sind auch die Parameter im Training auszurichten. Vorgaben, dass die Spieler höchstens zweimal den Ball berühren dürfen oder innerhalb von 10 Sekunden nach Balleroberung zum Torabschluss kommen sollen, sind mittlerweile unabdingbar, um den Anforderungen des heutigen Fußballs gerecht zu werden. Je geringer die Zeit ist, um den Ball zu verarbeiten, desto schwieriger ist eine "perfekte" Zieltechnik zu erreichen. Gerade dann empfiehlt es sich, weniger auf eine perfekte technische Ausführung zu achten als vielmehr auf das Erreichen der Ziele (Bsp.: Flachpass zum Mitspieler bringen → sichere Ballannahme), indem die Anpassungsfähigkeit auf neue Situationen im Fokus der Trainingsarbeit steht.
Teil 2
In Mannschaftssportarten nimmt die Technik die wohl bedeutendste Rolle ein. Je besser die Technik des Spielers ist, desto größer wird der Erfolg auch im Hinblick auf die Umsetzung der Taktik sein. Zur Verbesserung der Technik gibt es zwei vorherrschende Lehrmethoden, die unterschiedliche Ansätze haben. Der differenzielle Lernansatz (diff. LM) bildet das Gegenmodell zu der konservativen Trainingsmethode des motorischen Wiederholens; das sogenannte "Einschleifen". Während es beim ständigen motorischen Wiederholen darum geht, ein bestimmtes technisches Bewegungsideal ohne Fehler anzutrainieren, kommt es bei der diff. LM insbesondere zu einer Neubewertung ebenjener Bewegungsfehler (Schwankungen). Diese Fehler, die nach traditionellen Trainingsmethoden zu vermeiden sind, werden bewusst in den Trainingsprozess integriert.
Die diff. LM folgt dabei zwei Grundideen: Bewegungen unterliegen ständigen Schwankungen und können nicht (exakt) wiederholt werden. Darüber hinaus sind Bewegungen individuell bzw. personenspezifisch, was bedeutet, dass sich niemand auf die gleiche Weise bewegt wie ein anderer Mensch. Bei traditionellen Lernmethoden hingegen wird eine schrittweise Annäherung an ein vorgegebenes Ziel durch entsprechend hohe Wiederholungszahlen mit ständigem Soll-Ist-Vergleich angestrebt. Dabei soll die Abweichung vom Ideal nach und nach verringert werden, bis die Zieltechnik erreicht ist.
Diese angestrebte Zieltechnik muss jedoch im Fußball in Bezug auf die ständig wechselnden Anforderungen von Raum-, Gegner- und Zeitdruck, sowie äußerer Umstände (Bsp.: Wetter, Platzverhältnisse) angepasst werden und lässt die individuelle Motorik außer Acht, sodass die Anwendung der reinen Zieltechnik nur selten oder nie stattfindet. Durch das ständige Konfrontieren mit unterschiedlichen Aufgaben (Differenzen) soll die Fähigkeit, sich an neue Situationen im Bereich des Lösungsraums schneller adäquat zu reagieren, erlernt werden.
Der Zielbereich der jeweiligen Technik wird bei der diff. LM also nicht mehr als eng und stabil betrachtet, sondern als weiter Lösungsraum, innerhalb dessen sich die optimale Lösung in jeder Situation ändert und niemals wiederholt. Durch die diff. LM wird auch der Randbereich des Lösungsraums abgetastet, was dazu führt, dass mehrere Aspekte von technisch-taktischen Bereichen automatisch (mit)geübt werden. Somit wird nicht die theoretisch optimale und konkrete Lösung (Idealtechnik) geübt und gegen Lösungen anderer Bewegungsgegenstände stabil gemacht, sondern ein möglicher Lösungsraum umkreist, der es dann erlaubt, die auf jeden Fall neue und situativ optimale Lösung auszuführen.
Bei sich ständig verändernden Anforderungen ist es wenig effizient, die einzelnen Handlungen mit einem feststehenden Technikleitbild zu vergleichen. Der differenzielle Lernansatz stellt daher ein personenunabhängiges Bewegungsideal bzw. allgemeines Technikleitbild in Frage. Gerade bei einer solch situationsabhängigen und von Zufällen geprägten Sportart wie Fußball ist ein derartiger Denkansatz sinnvoll. Denn jeder soll in einem individuellen autonomen Prozess sein eigenes Bewegungsoptimum finden. Korrekturen durch den Trainer zugunsten einer allgemeinen Zieltechnik sind dabei zu vermeiden.
Zweifellos werden gute Bewegungsleistungen mit sämtlichen Lern- und Trainingsansätzen erzielt. Entscheidende Unterschiede ergeben sich aber in Bezug auf die Dauer, bis das Ziel erreicht wird, also die so genannte Lernrate (Lernfortschritt pro Zeit) und die Dauer über die das Gelernte behalten wird. Ausschließliches Wiederholen enthält dabei zwar ein Mindestmaß an Verbesserungen, dafür jedoch auch auf die Dauer nur eine relativ geringe Lernrate und nur einen stark begrenzten Zeitraum, in dem das Gelernte weiterhin im Gedächtnis bleibt. Sowohl die Verbesserungen als auch die Lernraten nehmen laut bisheriger Studien beim diff. Lernen zu.
Praxis
Für die Trainingsarbeit im Fußball bedeutet dies, dass grundsätzlich wettkampf- oder spielnah geübt werden sollte. Denn insbesondere in Spielformen kann man die Anforderungen und Rahmenbedingungen derart variieren, dass vielfältige Schwankungen provoziert werden, wodurch eine große Lernrate entsteht. Gerade in Mannschaftssportarten stehen Technik, Kondition und Taktik in engem Zusammenhang und beeinflussen sich gegenseitig. Taktische Ziele erfordern besondere technische Anforderungen.
Schwankungen können unter anderem durch Veränderung der Größe des Spielfeldes und/oder der Anzahl an individuellen Ballkontakten provoziert werden. Jede Veränderung muss dabei bestimmte Ziele verfolgen, die zur Erreichung einer angestrebten Spieltaktik oder Strategie führen sollen (will man Dribblings üben, wäre es bspw. kontraproduktiv, die individuellen Ballkontakte auf 2 zu beschränken). Es kann auch die Qualität der Bälle geändert werden. Bälle der Größe 4 oder Futsalbälle sind kleiner und weisen jeweils ein anderes Gewicht und Sprungverhalten auf, sodass die Spieler sich bei der Ballführung umstellen müssen. Auch die Spielfeldgrundlage (Halle, Natur- oder Kunstrasen, Sand, Asche) kann variieren. Die unterschiedliche Qualität von Bällen und Spielfeldern wirkt sich direkt auf die allgemeine Technik aus.
Treffen die ballorientierten Spielweisen von Offensive (Passspiel) und Defensive (Pressing) aufeinander, entsteht ein zunehmend enges, schnelles und somit besonders intensives Geschehen auf dem Platz, in dem es immer mehr darauf ankommt, unter Zeitdruck Entscheidungen zu treffen und entsprechend zu agieren. Die Bedeutung des Dribblings nimmt dabei sukzessive ab, während der Pass und das aktive Spiel ohne Ball an Bedeutung gewinnen. Das mannschaftlich geschlossene Spiel ist die logische Folge, was ferner dazu führt, dass individuelles Techniktraining in Form des Einschleifens weiter an Sinn verliert. Technik steht nunmehr immer im Zusammenhang mit der Gruppen- oder Mannschaftstaktik, sodass das Techniktraining zwingend in Spielformen stattfindet.
Dementsprechend sind auch die Parameter im Training auszurichten. Vorgaben, dass die Spieler höchstens zweimal den Ball berühren dürfen oder innerhalb von 10 Sekunden nach Balleroberung zum Torabschluss kommen sollen, sind mittlerweile unabdingbar, um den Anforderungen des heutigen Fußballs gerecht zu werden. Je geringer die Zeit ist, um den Ball zu verarbeiten, desto schwieriger ist eine "perfekte" Zieltechnik zu erreichen. Gerade dann empfiehlt es sich, weniger auf eine perfekte technische Ausführung zu achten als vielmehr auf das Erreichen der Ziele (Bsp.: Flachpass zum Mitspieler bringen → sichere Ballannahme), indem die Anpassungsfähigkeit auf neue Situationen im Fokus der Trainingsarbeit steht.
Teil 2
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