Medienlandschaft, irgendwann nach 10 Uhr. Die "BILD" veröffentlicht einen Bericht, nachdem Klopp um seine Vertragsauflösung gebeten haben soll. Kurz darauf lädt Borussia Dortmund zu einer Pressekonferenz um 13:30, der Abschied wird offiziell gemacht. Klopp wird noch bis zum 30.06.2015 Trainer des BVB bleiben, nach dann 7 Jahren endet eine Ära. Die Fans sind tieftraurig, wollen es nicht verstehen und prangern teilweise die Mannschaft an, die Klopp vertrieben habe. Ein BVB ohne Klopp, so glauben viele, sei nicht vorstellbar. Die Frage ist: Warum eigentlich?
Für manch einen ist heute eine kleine Welt zusammengebrochen. Klopp nicht mehr beim BVB? Unvorstellbar. Und so sieht es in den sozialen Medien auch entsprechend trist oder frustriert aus, Klopp sei der BVB sagen viele, die Mannschaft habe versagt, nicht jedoch der Trainer, die Einkaufspolitik habe versagt, Klopp sei daran ja nicht beteiligt.
Diese Äußerungen zeigen das Problem eindrucksvoll auf, er selbst nannte es auf der Pressekonferenz als einen entscheidenden Faktor. Der Name Klopp ist viel zu groß geworden. Größer gar, als ihm zusteht. Ein Verein ist immer größer als seine handelnden Personen, dieser Spruch wird schon von der Logik diktiert. Doch in Dortmund scheint er nicht mehr zu stimmen. Umso mehr muss man Respekt haben, vor Klopps Selbstreflektion aber noch viel mehr vor seinem tatsächlichen Handeln. Er hätte es sich leicht machen können, seinen hoch dotierten Vertrag weiter behalten können und ein Umfeld gehabt, in dem er über jeden Zweifel erhaben war. Doch er entschied sich anders, löst seinen Vertrag auf und gibt den Verein frei für die Zukunft.
Ein notwendiger Schritt wie ich finde. Entgegen vieler Behauptungen aus dem eigenen Fanlager zeigte seine Mannschaft seit 2013 wiederkehrende Schwächen, den Entwicklungen im Fußball und dem veränderten Verhalten der Gegner wurde nicht ausreichend Rechnung getragen. Nachdem die 3er-Kette in Italien ihre Renaissance bereits erlebt hatte, wurde sich auch in der Bundesliga langsam populärer. Ihre Wiedergeburt zielt dabei genau auf das Problem ab, welches Dortmund so vielen Teams stellte: Gegenpressing und Umschaltspiel. Dieses Konzept ist mittlerweile so sehr Standardhandwerk geworden, dass es kein Alleinstellungsmerkmal mehr sein kann und es sich entsprechend lohnt, die eigene Mannschaft verstärkt mit einem System gegen dieses Phänomen auszustatten. Klopp hingegen wollte an dieser Art Fußball um jeden Preis festhalten. Sowohl nach dem CL-Finale 2013, als auch nach der bereits durchwachsenen Saison 13/14 lautete seine Antwort auf die Probleme: Verstärkter Fokus auf das Umschaltspiel und unser Pressing. Ein Fehler, und zwar einer mit Ansage. Nun wäre es idiotisch zu behaupten, Klopp wäre nicht dazu in der Lage solche Fehler grundsätzlich zu erkennen. Er war und ist ein großer Trainer, daran sollte man auch nach dieser Saison nicht zweifeln. Aber vielleicht war Klopp zu nah an seiner eigenen Philosophie und der Mannschaft dran, um tatsächlich den vollen Umfang seiner Entscheidung überblicken zu können. Und vielleicht ist genau das auch ein Grund, warum er nun beschlossen hat Abstand zu suchen. Er fühle sich nicht mehr zu 100% als der richtige Trainer, sagte er auf der Pressekonferenz. Womöglich genau deswegen, weil er nach 7 Jahren zu nah am BVB und zu weit vom allgemeinen Fußball ist, um tatsächlich noch das Spiel entscheidend zu verändern.
Und auch die (angeblich) fehlgeschlagene Einkaufspolitik kann man nicht nur an Zorc festmachen. Es wurde immer wieder betont, wie nah Watzke, Zorc und Klopp zusammenarbeiten. Glaubt also wirklich jemand, dass Klopp bei sämtlichen Neuverpflichtungen nicht genauestens im Bilde war und sie vorher mit seinem okay abgesegnet hat? Diese Vorstellung wäre schon ziemlich grotesk und würde so gar nicht in das Bild, welches das Führungstrio mit viel Bedacht vermittelt hat, passen wollen. Also muss Klopp sich teilweise auch diesen Schuh anziehen und auch hier ist es wieder durchaus möglich, dass dies Teil seiner Selbstreflektion wurde.
Nun hat Klopp also von sich aus die Reißleine gezogen. Er sei nicht müde, er habe keine Probleme mit der Mannschaft und er liebe den Verein ließ er verlauten, man kann nicht anders, als ihm zu glauben. Damit sind die Gründe für den Abschied relativ schnell festzumachen: Klopp ist nicht sicher, der Mannschaft nochmal eine entscheidende Wende geben zu können, zumindest keine drastische. Sein Name fordert Erfolg, so sagt er selbst, und zwar großen und schnellen. Wenn dies ein Grund ist zurückzutreten, dann sind seine Gedanken ziemlich eindeutig. Großen und schnellen Erfolg sieht er sich nicht in der Lage zu garantieren. Nochmal sei betont, dass dies eine sehr große Erkenntnis ist, vor der man absolut Respekt haben sollte.
Gleichzeitig ist der Zeitpunkt seines Rücktritts perfekt für den Verein und auch diese Tatsache dürfte eine Rolle spielen:
Zum einen wäre da ein möglicher Nachfolger: Thomas Tuchel. Der wohl mit riesigem Abstand beste deutschsprachige Trainer auf dem Markt, zumindest theoretisch. Dieser kann nun lückenlos übernehmen, sollte man sich einigen, Tuchel wäre an der Aufgabe mit Sicherheit hochgradig interessiert. Er verließ Mainz, weil er das Ende des Möglichen erreicht sah. Bei Dortmund findet er einen Großclub mit riesiger Tradition, stabiler - guter Finanzlage und gigantischen Potenzial vor. Ein Verein wie gemalt, um sich und das im vergangenen Jahr dazu gelernte zu zeigen. Aber auch andere Trainer könnten bei vorsichtiger Auswahl und einem genauen Plan sicher einen Positivschub geben und das Interesse an einem Job bei Borussia Dortmund dürften wohl fast alle Kandidaten haben.
Zum anderen wäre da die Mannschaftssituation: Ein neuer Trainer wird so oder so einen gewissen Umbruch bekommen und damit eine Mannschaft nah an den eigenen Vorstellungen bauen können. Die bislang weniger überzeugenden Neuzugänge bekämen eine neue Chance in einer höchstwahrscheinlich angepassten Taktik und könnten doch noch einschlagen. Die Karten werden neu gemischt, gerade in der etwas festgefahrenen Kadersituation des BVB ein großes Pfund. Und obendrein kommen aus der Jugend einige viel versprechende Talente nach, die ein neuer Trainer ebenfalls einbauen könnte, sollten sie in seine Vorstellungen schon so jung passen. Für viele Kandidaten wäre diese Situation sicher ein absoluter Luxus und auch für viele bereits vorhandene Spieler ergeben sich damit große Möglichkeiten.
Der BVB braucht neue Impulse. Diese Saison hat das so brutal gezeigt, wie es sich wohl kaum jemand gewünscht hätte. Sie war das etwas zu heftige Ende einer mittlerweile wohl rund zwei bis zweieinhalb Jahre anhaltender Periode des Stillstands und letztendlich sogar des Rückschritts. Der Patient atmet, aber er war schonmal fitter. Es ist im Fußball nicht untypisch, dass sich ein Trainer nach einer gewissen Periode von meist 3-5 Jahren auch bei Erfolg ein wenig abnutzt und die Mannschaft nicht mehr recht von der Stelle kommen will. Dass Klopp es 7 Jahre durchgehalten hat ist entsprechend aller Ehren wert. Die BVB-Fans müssen hingegen dringend aufwachen. Personenkult war noch nie gut, in Dortmund hat er aber das gesamte Denken bestimmt, auch in der Führungsetage. Es war richtig und fair, Klopp nicht zu feuern, als man ganz unten stand. Die ständigen Jobgarantien waren allerdings unnötig und brachten den Verein in eine schwierige Lage. Aus dieser Erfahrung sollten Fans und Verein lernen. Der Verein steht über allem, keine Person. Und genau deshalb musste der größte Kopf rollen.
Klopp hat all das erkannt, gehandelt und dem Verein eine riesige Chance gegeben. Das ist eine seiner größten Leistungen als Trainer überhaupt. Und dafür sollte man als Fan dankbar sein. Doch man sollte nicht in Trauer verfallen, denn dieses Ende ist der Beginn einer Zukunft, deren Vorzeichen bedeutend schlechter sein könnten.
Noch 7 Spiele, mit ganz viel Glück sogar 8, wird Klopp an der Seitenlinie stehen und dirigieren, bevor es Zeit für den endgültigen Abschied ist. Die Fans werden ihm einen unvergesslichen Abschied bereiten, das ist klar. Und es werden Tränen rollen. Doch wenn es vorbei ist, dürfen die Tränen nicht in einer Depression oder Lähmung münden. Sie müssen weggewischt werden und Platz für Freude auf das Neue machen. Ich spüre diese Freude bereits. Schließt euch dem an.
Traurig zu sein, ist aber menschlich. Ich war tottraurig. Doch mit Tuchel als neuem Trainer auch extrem optimistisch und voller Vorfreude.
Auch ich schließe mich deinem letzten Satz an. Werde am Ende der Saison richtig trauern und mich danach über das neue Unbekannte freuen.
PS: Ganz klar 10 P
Schließe mich den Meinungen meiner Vorredner an.
Hoffe bisschen auf Berlin und den Pokal :D. Wäre echt der beste Abschluss! Und besser als in jedem Märchen!
Aber auch wenn das nicht klappt, war es dennoch eine super emotionale und wunderschöne Zeit die 7 Jahre!
Ich schließe mich gerne deiner Freude für das was war und das was kommt an!
Und dem letzten Satz im vorletzten Absatz ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen:
....denn dieses Ende ist der Beginn einer Zukunft, deren Vorzeichen bedeutend schlechter sein könnten
Als neutraler Beobachter wird es für mich sehr interessant zu beobachten, wie es jetzt in Dortmund weitergeht. Ich wünsche dem BVB und Jürgen Klopp alles Gute!
Der Schritt war wohl richtig.
Und dass ein Neuzugang wie Immobile nicht funktioniert, kreide ich Klopp an. Er hat versucht, Immobile in sein System zu pressen, statt das System so anzupassen, dass die bereits vorhandenen Stärken Immobiles zu tragen kommen.
Ist wohl auch ähnlich wie bei Mkitaryan.
Über Nachfolger will ich nicht spekulieren. Aber ich denke, dass Buvac und Krawiewitz (?) mit Klopp gehen.
M. E. müssten aber auch der Fitnesscoach gehen, da sich seit Bartletts Weggang einfach die muskulären Verletzungen häufen. Und der Mannschaftsarzt, da in letzter Zeit immer wieder Diagnosen von 2-3 Wochen Ausfall gestellt werden, der Spieler aber tatsächlich 3 Monate weg ist.
Und um meinen Umbruch zu komplettieren müssen wir den Torwarttrainer austauschen. Es kann einfach nicht sein, dass Weidenfeller immer noch keine adäquate Strafraumbeherrschung hat.
Was mich nur wundert: warum stimmt der Verein einer Vertragsauflösung zu? Ich mein, der BVB ist ein Wirtschaftsunternehmen, in gewisser Weise seinen Aktionären verpflichtet. Es gibt doch mit Sicherheit Lösungen, dass Klopp zwar aufhört als Trainer, aber ein interessierter Verein eine Ablöse zahlt. Sollte der BVB auch einen gebundenen Trainer wollen, müsste hier ja auch Ablöse gezahlt werden.
10P!
Hut ab. Richtig starker Text. Endlich wieder mal was aus der BVB Gruppe.
Der oft erwähnte Name Tuchel, als möglicher Nachfolger, ist für mich noch die große Unbekannte. Nicht, weil ich es ihm nicht zutraue, in die immens großen Fußstapfen von Klopp zu treten. Nein, weil mir der Hype um ihn einfach jetzt schon zu groß ist. Der aktuelle BVB ist eine andere Hausnummer als das beschauliche Mainz. Ich bin gespannt, wie es weiter geht.
Das kann ja nun beileibe auch nicht jeder und dafür gebührt ihm ebenso Respekt und Anerkennung, genauso natürlich das er uns wieder wachgeküsst hat wie Dornröschen und uns eine der geilsten Zeitspannen der Vereinsgeschichte von 2010-2013 geschenkt hat. Danke nochmal an Jürgen und hoffentlich geht es so weiter wie aktuell unter Thomas Tuchel.