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MySpox NBA Line der Woche


Gründer: MGoedderz | Mitglieder: 753 | Beiträge: 184
03.11.2011 um 15:40 Uhr
Geschrieben von JanBoehmer
The Legend Running Scared
Eins ist klar: Der Lockout stinkt. Da sitzt man in den USA und was passiert in der NBA? Nix. Also jedenfalls nicht auf dem Spielfeld. Eine Frechheit, sowas. Schliesslich loesen Spielabsagen beim gemeinen Sport-Junkie einen klaren Fall von medien-sportlicher Unterversorgung aus. Samt erheblicher Entzugserscheinungen wie zitternder Fernbedienung und verzweifeltem Hineininterpretieren vermeintlicher sportlicher Bedeutung in College-Hallenhalma und diverser Holz- und Angel-Wettkaempfe.

Was dagegen hilft (neben NFL, NHL und College Sport), ist das Schwelgen in Erinnerungen. Erinnerungen wie diesen hier. Und vielleicht eine kleine Wette.

Sie lautet: Jeder Leser, der sich auch nur im Entferntesten fuer nordamerikanischen Basketball interessiert, kennt Jerry West. Oder hat ihn wenigstens schon mal gesehen. Und dazu muss man nichtmal wissen, dass West als Spieler mit den Los Angeles Lakers 1972 den NBA-Titel gewann, zwoelfmal in vierzehn NBA-Jahren ins All-Star-Team gewaehlt wurde, als Manager die Lakers-Dynastie der 80er aufbaute, Olympia-Gold gewann und an der West Virginia University (wie passend) noch immer eine Legende ist. So legendaer, dass nahezu jeder, der damals in Morgantown gelebt, gearbeitet oder studiert hat, noch heute eine Geschichte ueber West erzaehlen kann.



Meist sind diese Geschichten dann nette kleine Anekdoten. Sie handeln von einem zurueckhaltenden, fast schon schuechternen Mann, der bescheiden bei einem Herrenausstatter nach einem seiner pterodactylen Spannweite entsprechenden Hemd fragt. Oder sie erzaehlen von der Bilderbuch-Ehe, die West mit seiner zweiten Frau Karen fuehrt, von seinen fuenf Soehenen, der Truthahn-Jagd oder davon, wie er in Los Angeles und West Virginia noch immer als Held verehrt wird. Besonders in seinem eigenen Steakhouse.

Selten handeln sie hingegen vom anderen Jerry West. Einem Jerry West, der seinen Erfolg nicht geniessen kann. Einem Jerry West, der kein Selbstvertrauen besitzt. Einem Jerry West, der sich selbst am meisten hasst und sogar davon spricht, dass Daemonen in seinem Kopf wohnen.

Nein, davon spricht kaum jemand. Bis auf West selbst. Der offenbart jetzt in seiner Biografie, wie er jeglichen Koerperkontakt verabscheut, selbst seine Frau und die gemeinsamen Kinder nur wiederwillig umarmt. Wie er seine Geschwister meidet, Weihnachten hasst und niemals Geschenke haben will. Wie er ausrastet, rumschreit und davonlaeuft.

"Du brauchst mehr als nur ein bisschen Bosheit und Gehaessigkeit, um in der NBA ganz oben mitzuspielen", sagt er. "Ich gehe in die Dunkelheit. Da gehoere ich hin." Er portraetiert sich als Aussenseiter mit wenigen Freunden, der nur ungern schlechte Nachrichten oder Kritik ueberbringt. Selbst Frau und Kindern laesst er Negativ-Nachrichten von Fremden ausrichten. West beschreibt sich als psychisces Wrack, das es noch heute hasst, auch nur einen Fuss auf Bostoner Boden zu setzen, weil er in den 1960ern mit den Lakers so haeufig gegen die Celtics das NBA-Finale verlor. Ein Wrack, das sich noch heute vorwirft, dass er 1959 im Finale der College-Basketball-Meisterschaft seinen Mountaineers nicht den Sieg bringen konnte.



West beleidigt andere Spieler, hadert mit der Vergangenheit und erzaehlt davon, wie haeufig er in Restaurants ausgerastet ist, weil das Steak entweder zu roh oder zu gut durch war. Und davon, wie er Kellner erst anschrie, weil sie ihm das Steak umsonst geben wollten, nur um dann noch viel mehr aus der Haut zu fahren, wenn dann tatsaechlich eine Rechnung kam.

"Ich bin froh, dass Jerry dieses Buch schreibt", sagt Magic Johnson. "Er braucht dringend eine Therapie." Therapie, um seine Kindheit in West Virginia, den pruegelnden Vater und die Leere in seinem Leben zu ueberwinden. "Ich habe ein Loch in meinem Herzen. Ein Loch, das niemals gestopft werden kann", sagt West. "Mir ist bewusst, dass ich mich damit als ewiges Opfer darstelle. Aber diese Dinge verfolgen mich noch immer."

West beschreibt sein Leben als verzaubert - aber auch als Pein und Qual. Er tut das in einer Art und Weise, die "New York Times"-Literaturkritiker Dwight Garner davon sprechen laesst, dass das Wests Biografie ("West by West") einen Nachgeschmack hinterlasse wie ein Essloeffel Teeroel. Es reibe die Nasen der Leser in Wests Verdiriesslichkeit. Darin, wie sehr einen die Kindheit praegen kann. Und darin, dass nicht immer alles so ist, wie es scheint.

Und das ist auch der Grund, warum jeder, der sich auch nur im Entferntesten fuer Basketball interessiert, Jerry West schon einmal gesehen hat? Selbst wenn er meint, ihn noch nie gesehen zu haben. Denn West ist das Logo der NBA. Seine langen Arme und typische Gangart zieren als Silhouette eines der meistbetrachtetsten Sport-Logos der Welt.

Eine Silhouette. Von vielen gesehen - und doch nicht wirklich erkannt. Es ist das perfekte Bild des Jerry West.

Acknowledgments: Ein Artikel in der "New York Times" diente als Inspiration fuer diesen Eintrag. Und: Der NBA-Lockout ist natuerlich keine Frechheit.
Aufrufe: 3394 | Kommentare: 10 | Bewertungen: 17 | Erstellt:03.11.2011
ø 9.9
KOMMENTARE
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messistar10
14.11.2011 | 15:48 Uhr
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14.11.2011 | 15:48 Uhr
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Hat mir gut gefallen. Und das yt video ist einfach super smooth. Gut das ich den blog noch aufgabeln konnte. Danke
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JanBoehmer
REDAKTEUR
08.11.2011 | 03:02 Uhr
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JanBoehmer : 
08.11.2011 | 03:02 Uhr
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JanBoehmer : 
@ariel: empfehlenswert? hm. ist schon eine krasse story, die er in seinem buch erzaehlt. und wenn man sich fuer basketball interessiert, ist es auf jeden fall interessant. allerdings denkt man irgendwann, dass west schon fast wieder dabei gefaellt, wie kaputt er ist. darum dreht sich naemlich alles. fazit: krasse geschcihte, als buch an sich waren aber andere sportler-biografien besser (zum beispiel die von agassi)
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Ariel
05.11.2011 | 14:26 Uhr
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Ariel : 
05.11.2011 | 14:26 Uhr
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Ariel : 
Liest sich gut dein Block! Hab vor'n paar Wochen mal auf 'ner US-Seite gelesen, daß er bei jedem Spiel mit Depressionen gespielt habe.
Falls du sein Buch kennst, würdest du es denen, die etwas vom Basketball seiner Zeit lesen wollen, empfehlen?
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eastwood
03.11.2011 | 21:03 Uhr
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eastwood : 
03.11.2011 | 21:03 Uhr
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eastwood : 
Schließe mich meinen Vorrednern an, ein sehr gut geschriebener Blog. Hab zuvor nie etwas negatives über West gehört, darum bin ich grade echt erstaunt. 10 Pkt von mir
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JanBoehmer
REDAKTEUR
03.11.2011 | 20:59 Uhr
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JanBoehmer : @schnitzel
03.11.2011 | 20:59 Uhr
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JanBoehmer : @schnitzel
es gibt auch vernuenftiges bier hier in michigan. man(n) muss halt nur einen bogen um das miese mainstream gepansche machen :)
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konserva11
03.11.2011 | 17:30 Uhr
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konserva11 : 
03.11.2011 | 17:30 Uhr
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konserva11 : 
Interessante Story, die du da erzählst. Ziemlich gut geschrieben. Zu West ist hier alles gesagt. Er hat anscheinend ernste psychische Probleme. Schade.
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duderino11
03.11.2011 | 17:19 Uhr
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duderino11 : 
03.11.2011 | 17:19 Uhr
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duderino11 : 
sehr starker blog. habe vor kurzem auch einiges über die vergangenheit von west gelesen und war schon geschockt. man würde ihm nie was anmerken von allem dem als aussenstehender. aber eben der schein trügt manchmal.
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schnitzel0715
03.11.2011 | 17:13 Uhr
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03.11.2011 | 17:13 Uhr
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schmeckt das light bier in den usa
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JanBoehmer
REDAKTEUR
03.11.2011 | 16:24 Uhr
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JanBoehmer : 
03.11.2011 | 16:24 Uhr
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JanBoehmer : 
danke. war nach der morgenlektuere irgendwie inspiriert.

und: muss den restlichen tag hausaufgaben meiner studenten kontrollieren. da brauchte ich vorher einen kreativen auslass ;)
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DaBen
03.11.2011 | 16:11 Uhr
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DaBen : 
03.11.2011 | 16:11 Uhr
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DaBen : 
Sehr löblich! Immer mehr davon
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