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Jahresrückblick 2010


Gründer: GNetzer | Mitglieder: 35 | Beiträge: 4
01.01.2011 um 12:01 Uhr
Geschrieben von Taktiker
Taktiktrend des Jahres
Das Thema passt zu mir, deswegen habe ich es mir ausgesucht. Material ließe sich im Laufe von zwölf Monaten wohl auch finden. Ich könnte mir das Spiel FC Barcelona gegen Inter Mailand zum Thema machen, diese gänzlich verschiedenen Spielweisen. Ich könnte darauf eingehen, dass die Weltmeisterschaft in Südafrika so ausgeglichen wie nie war und die vermeintlich kleinen Nationen aufgeholt haben. Ich könnte auch über die außerordentliche Beliebtheit des 4-2-3-1-Systems schreiben, das sich im vergangenen Jahr endgültig als das momentan vorherrschende System im Spitzenfußball durchgesetzt hat.

Doch irgendwie war ich mit keinem Thema so richtig glücklich. Alle waren zwar relevant, aber nicht so prägend, dass man sie als DEN Taktik-Trend 2010 bezeichnen könnte. Und deswegen habe ich mich für eine andere Richtung entschieden, die nicht das direkte Geschehen auf dem Platz betrifft.

"Nicht die Taktik hat sich im vergangenen Jahr grundlegend verändert, sondern ihre Wahrnehmung."

Nun werden einige Leser mir zustimmen, andere werden vehement widersprechen. Das hat damit zutun, dass die Wahrnehmung der Taktik und die Anerkennung ihrer Bedeutung zwar gestiegen ist, von den zwei großen Vertretern Fernsehen und Printmedien aber geflissentlich übersehen wird.

Stattdessen informieren sich Interessierte hauptsächlich über das Internet. Im Gegensatz zum Fernseher und der Zeitung bietet das Internet den Vorteil, dass die einmal bereitgestellten Informationen immer und überall bereitstehen und Interessierte „Grünschnäbel" selbstständig über das bestimmen können, was sie lesen.

Das größere Interesse und die größere Anzahl von (selbsternannten) Experten auf diesem Gebiet haben nach logischen marktwirtschaftlichen Prinzipien zur Folge, dass auch das Angebot steigt. Taktikblogs schießen aus dem Boden, alle mit der Hoffnung, dass ihnen der große Durchbruch gelingen wird wie Zonalmarking in England. Doch bisher hat kein deutschsprachiger Blog die Qualität, vor allem aber auch die Quantität, von ZM erreicht und so bleibt in Deutschland weiter ein Vakuum, das im nächsten Jahr jedoch geschlossen werden dürfte.

Interessant wird zu beobachten sein, ob eine kommerzielle Seite mit angestellten Journalisten die Vormachtstellung in Deutschland übernehmen wird, ob ein Hobby-Taktiker den Ton angibt oder ob es eine gesunde Mischung aus beidem geben wird.

Mit Klopp fing alles an

Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland engagierte das ZDF den damaligen Mainzer Trainer Klopp als Experten für die Halbzeitpause sowie die Zeit vor und nach dem Spiel. Dabei verschrieb sich der Sender einem moderneren, jüngeren Format. Neben jungen Experten und ebenso jungem Publikum gehörte auch eine kurze Analyse zu den Hauptattraktionen der Sendung. Hierbei beschrieb Klopp den Zuschauern auf dem hochmodernen Touchmonitor wichtige Spielzüge, Schlüsselduelle oder Taktikänderungen.

Die Resonanz war überwältigend, sämtliche Experten waren von Idee und Umsetzung begeistert, zudem war das Interesse des durchschnittlichen Fußballfans geweckt.

Doch im Anschluss an die WM versäumten es sämtliche Medien, das deutlich gestiegene Interesse an der Materie auszunutzen und Formate zu produzieren, die dem neuen Wissensdurst gerecht werden, aber auch dem neuen Fachwissen der Zuschauer.

Auch schafft es neben dem Internet kein Medium, derart praxisnah zu informieren wie Klopp. Viele Zeitungen schreiben zwar, dass eine Mannschaft in einem bestimmten System gespielt hat, was dies jedoch zur Folge hatte und welche Auswirkungen es auf das Spiel hatte beschreiben sie nicht. So fühlen sich viele Zuschauer und Leser von den klassischen Medien nicht ausreichend informiert und befriedigen ihren Wissensdurst im Internet. Dass man hier immer noch Englisch beherrschen muss um bestens informiert zu sein spricht für sich schon Bände, allerdings ist die Situation nicht mit der vor einem Jahr zu vergleichen.

Wünsche für das neue Jahr

Ich wünsche mir, dass

- die Fußballtaktik auch im neuen Jahr viele Fans interessiert, zum Lesen oder sogar Schreiben animiert und damit die Quantität und Qualität der deutschsprachigen Taktikartikel gesteigert wird.

- kommerzielle Seiten den höheren Stellenwert von nachhaltiger Berichterstattung erkennen und entsprechend darauf reagieren.

- die führenden Fußballfachzeitschriften über das Tagesgeschäft hinaus berichten.

- Interviews dazu genutzt werden, nicht nur aktuelle Fragen zu stellen sondern dem Interviewpartner auch tiefgründigere Fragen gestellt werden, sodass ein Mehrwert für alle Fußballfans entsteht.

- die Fernsehsender ebenfalls über die einfache Berichterstattung hinausgehen, taktische Änderungen im Spiel erkennen und den Zuschauern allgemeinverständlich erklären, was eine solche Änderung zur Folge hat.


Zum Schluss wünsche ich Euch allen noch ein schönes neues Jahr, über Euren Beitrag zum Thema würde ich mich freuen.
Aufrufe: 3427 | Kommentare: 5 | Bewertungen: 9 | Erstellt:01.01.2011
ø 10.0
KOMMENTARE
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mrpink27
03.01.2011 | 16:23 Uhr
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mrpink27 : 
03.01.2011 | 16:23 Uhr
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mrpink27 : 
Da hast du einen guten Punkt angesprochen. Wahrnehmung ist in der heutigen Zeit eh ein zentraler Begriff.

Gerade das die etablierten Medien (TV und Print) eigentlich sehr zurückhaltend mit Taktik umgehen ist schade. Die Zeit vom Schimpfwort 'Professor' sollte vorbei sein. Und Statistiken haben einfach an Bedeutung gewonnen, weil im Vergleich zu den 70ern oder 80ern die Zahlen einfacher erhoben und abgerufen werden können. Das bedeutet ja nicht, das Kämpfen usw. unwichtg geworden ist.
Trotzdem scheint Taktik im deutschen TV nur bei einem Großturnier oder in 30 Sekunden-Einspielern zu existieren (30 Sekunden Taktik für 9 x 90 Minuten Fußball am Wochenende), abgesehen von dieser Sport1 Sendung zu nächtlicher Stunde.
Das liegt an den zum Teil alten Stukturen um deutschen TV. Reporter und Journalisten sind oft keine Taktik-Experten (dafür Wintersport und Fußballreporter zugleich) und die eingeladenen Experten, wenn sie Ahnung haben, müssen ohne irgendwelche Hilfsmittel die Dinge erkären.
Aber Fußball ist ja auch Event und nicht mehr nur Sport, also muss man damit leben.

Im Internet kann man sich dagegen alles zusammensuchen. Ob 11 Freunde oder Spox, Zonalmarking oder 11 tegen 11, Werder oder Bocca Juniors. Die Zielgruppe hat sich ihr "Medium" selbst gesucht (Blogs im www).
Mit mehr Zeit hätte ich auch Bock einen echten Blog aufzuziehen. Wobei ich nicht gerne als Einzelkämpfer sondern mit ner festen Crew arbeiten würde (evtl. auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten). So kann man flexibler Dinge erarbeiten und auch mal Podcasts, Videos und Interaktives einbinden und nicht nur Spiel X analysieren (das machen schon genug Leute).
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Taktiker
02.01.2011 | 23:01 Uhr
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Taktiker : 
02.01.2011 | 23:01 Uhr
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Taktiker : 
@voegi

Sicherlich sind die Emotionen ein Großteil dessen, was den Fußball ausmacht. Ich denke es geht bei dieser Diskussion auch weniger darum dass nüchtern analysierte Dinge den Raum für die Emotionen verkleinern. Vielmehr sollten doch bloß die nichtssagenden, klatschreportermäßigen und falschen Aussagen aus der Berichterstattung verbannt werden, damit die Zuschauer sich bei einem Spiel nicht über den Kommentator ärgern müssen, sondern sich mit dem Spiel an sich beschäftigen können.

Ich denke in England werden fachlich qualifizierte und trotzdem emotionale Kommentatopren geboten, genauso im US-Sport. Auch das Co-Kommentatorensystem fände ich in diesem Zusammenhang sinnvoll, aber so weit wird es wohl vorerst nicht kommen.

@Duder

Dass die Branchenführer vorerst nicht über Taktik berichten werden ist mir klar, ebenso wie der FC Bayern taktisch immer nur nachgemacht hat. Wer das meiste Geld / die meiste Macht besitzt, braucht keine innovativen Neuheiten um sich über Wasser zu halten.

Aber wenn kleinere Zeitungen über solche Themen berichten würden wäre ich sehr froh, denn damit würden sie sich neue Leserschaft erschließen und die Allgemeinheit wird sich mit Taktik beschäftigen, dann wird man sehen, ob sie sich durchsetzt.

@toffee

Ganz meine Meinung.
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Voegi
MODERATOR
02.01.2011 | 14:41 Uhr
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Voegi : 
02.01.2011 | 14:41 Uhr
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Voegi : 
schöner blog!
ich bin gespannt, wo die reise hingeht. ich selbst bin ein wenig skeptisch. einerseits finde iche es gut, dass analytisch über fußball berichtet wird und taktische nuancen unter die lupe genommen werden. andererseits meine ich schon das ende der fahnenstange sehen zu können.
schließlich lebt fußball von den emotionen, von der leidenschaft. und taktik ist eben mehr wissenschaft. wissenschaft, die zum fußball selbstverständlich dazu gehört, die aber m.e. den emotionen nicht den rang ablaufen sollte.

es dürfte spannend sein zu beobachten, wo sich das letztlich einpendeln wird.
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Toffee89
01.01.2011 | 20:26 Uhr
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Toffee89 : 
01.01.2011 | 20:26 Uhr
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Toffee89 : 
Klasse Blog!

Dieses Zitat spricht genau mich an, weil ich erst ab der WM so ein richtiges Interesse für die verschiedenen taktischen Varianten entwickelt habe. Der geneigte und taktisch "ungeschulte" Zuschauer versteht zum Beispiel in der Regel nicht, warum Spieler X genau jetzt in genau diese Richtung verschiebt und was er damit bewirkt. Ich selbst habe mir früher diese Fragen nie gestellt, beobachte dies aber jetzt umso genauer. Das Musterbeispiel für Taktik ist meiner Meinung nach die Doppelsechs, wie sie ja jetzt schon in so vielen Mannschaften zu finden ist. Nicht jeder kann auf dieser Position spielen, weil dafür ein gewisses Maß an Spielverständnis und -intelligenz nötig ist. Nehmen wir mal die deutsche Doppelsechs bei der WM: Schweinsteiger und Khedira müssen genau wissen, was sie in welcher Situation machen müssen, sei es jetzt das Tempo rausnehmen, um das Spiel zu beruhigen oder eine Anspielstation zu schaffen, um den Spielaufbau voranzutreiben. Sie müssen selbst entscheiden, was am besten ist, quasi das Spiel "lesen".
In dieser Hinsicht hast du absolut Recht: Es wird nicht ausreichend über die verschiedenen taktischen Feinheiten informiert. Ich wäre überglücklich, wenn dies in irgendeiner der erwähnten Formen geschehen würde. Wenn man nämlich die Grundgedanken hinter einem Spielsystem versteht, dann kann man gewisse Spielzüge schon im Vorhinein erahnen. Außerdem gibt es für mich nichts schöneres, als ein Spiel anzusehen und dabei mein "eigenes" Spiel zu entwerfen, nach dem Motto: "Eigentlich müsste Spieler X jetzt das machen" usw.
Ich würde mir wünschen, dass solche Thematiken in Zukunft genauer angesprochen werden, zum Beispiel in dem man geeignete Spiele genau analysiert (Ich denke an Barcelona - Inter, CL-Halbfinal-Rückspiel). Ich bin da recht optimistisch, dass sich da einiges tut.
Klasse Thema, 10 Punkte!
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Duder
01.01.2011 | 13:59 Uhr
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Duder : 
01.01.2011 | 13:59 Uhr
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Duder : 
Erstmal: Schöner Blog!

Falls deine Wünsche in Erfüllung gehen, würde ich mich selbst auch freuen, aber ich glaube kaum, dass das innerhalb eines Jahres möglich sein wird.

Aber 2010 hat in den Köpfen der Leute schon einiges geändert, gerade die Nationalmannschaft hat hier einen großen Beitrag geleistet. Vor der WM hatte man ja das Gefühl, dass uns ein großer "Big-Boss" gepaart mit dem Leistungsprinzip, das man dem Jogi Löw so richtig schön im Mund rumgedreht hat, zum WM-Titel führen würde. Schließlich hat man aber gesehen, dass manchmal auch ein guter taktischer Plan ausreicht, um Erfolg zu haben.

Das führt mich genau zu dem Punkt, der deine Wünsche wohl verhindern wird:
Die Mehrheit der Leute und die großen Medien wie zum Beispiel die Bild werden die Gründe für Erfolg und Misserfolg immer bei viel simpleren Sachen suchen.
Zum Beispiel der Übergrund schlechthin, warum es bei einer Mannschaft nicht läuft: Die haben keine Typen mehr!

Dazu kommen dann noch die zahlreichen "Experten" wie Effenberg oder Basler, die die Stammtischmeinungen unterstützen, über Taktik aber kein Wort verlieren. Leute wie Rangnick, die öffentlich über solche Dinge reden werden im Gegenzug als arrogant und lebensfremd hingestellt.

Ich frage mich, wer Taktik verständlich an die breitere Öffentlichkeit bringen kann. Klopp war damals ein einmaliger Glücksfall. Die meisten deutschen Kommentatoren schaffen es nicht, einen Systemwechsel während des Spiels zu erkennen. Über Zeitungen hab ich schon gesprochen.

Ich hoffe einfach mal, dass 2011 noch mehr unsinnige Götzenbegriffe wie "Big-Boss" und "Leistungsprinzip" ihren Untergang finden, nur so kommt man näher an den Kern der Sache.
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