Super Bowl or Bust!

Für die Arizona Cardinals gibt es 2016 nur eine Marschroute: Nach dem Debakel gegen die Carolina Panthers im Januar soll der nächste Schritt gemacht werden - der Titel ist das Ziel!

Dafür wurde in der Offseason aufgerüstet, während alle Säulen aus der Vorsaison zurück sind. Das gilt auch für den Trainerstab, wo Bruce Arians allerdings Offensive Coordinator Harold Goodwin bereits auf einen Head-Coaching-Job vorbereitet: Goodwin durfte in der Preseason Game-Plan und Play-Calling übernehmen.

Die im Vorjahr so herausragende Offense soll ihre Aggressivität beibehalten, könnte dabei aber noch stärkeren Fokus auf das Running Game legen - das deutete die Preseason bereits an, so würde der mentale Druck und der Druck gegnerischer Defenses ein wenig von Carson Palmers Schultern genommen werden.

In der Defense hat Arizona derweil seine stärkste Front Seven seit Jahren. Das Ziel ist somit klar: Super Bowl or Bust!

Die Free Agency: Löcher stopfen auf hohem Niveau

Die Free Agency im Detail: Alle Cardinals-Neuzugänge analysiert

Nach dem bitteren Aus gegen Carolina hatten Arians und Geschäftsführer Steve Keim öffentlich erklärt, dass ein dominanter Pass-Rusher die oberste Priorität genießt. Nachdem die kolportierte Verpflichtung von Jason Pierre-Paul nicht klappte, ging der Blick der meisten Cardinals-Anhänger in Richtung Draft. Doch Keim hatte noch ein Ass in der Hinterhand - ein gewaltiges Ass.

Arizona holte Chandler Jones via Trade aus New England und hofft, nachdem die Routiniers John Abraham und Dwight Freeney in den vergangenen Jahren als Lückenfüller (erfolgreich) einspringen konnten, dass Jones dem Team jetzt langfristig den dominanten Pass-Rusher geben und mit Markus Golden ein Pass-Rush-Duo auf Jahre hin formen kann.

Golden spielte schon in der vergangenen Saison zunehmend groß auf, auch wenn sich sein Effekt eher in Pressures und Hurries als in Sacks ausdrückte. Mit einem dominanten Gegenpart sollte er 2016 nochmals einen großen Schritt machen.

Der zweitgrößte Neuzugang soll die Guard-Baustelle gegenüber von Mike Iupati schließen: Evan Mathis kam mit seinem Super-Bowl-Ring aus Denver und sollte die O-Line auf seiner Seite sofort verbessern. Aus Kansas City holten die Cardinals außerdem Safety Tyvon Branch, der ernsthafte Starting-Chancen hat.

Darüber hinaus kamen die Routiniers Chris Johnson und Jermaine Gresham nach abgelaufenen Verträgen zurück, was der Offense zusätzliche Stabilität gibt. Arizona hat keinen großen Namen in der Free Agency verloren, ließ allerdings mehrere O-Liner ziehen. Dazu später mehr.

Der Draft: Ein möglicher Steal und viele Fragezeichen

Der Draft im Detail: Alle Cardinals-Picks analysiert

1. Runde: Robert Nkemdiche, DT, Ole Miss

3. Runde: Brandon Williams, CB, Texas A&M
4. Runde: Evan Boehm, C, Missouri
5. Runde: Marqui Christian, SS, Midwestern State
5. Runde: Cole Toner, OT, Harvard
6. Runde: Harlan Miller, CB, Southeastern Louisiana

Robert Nkemdiche hätte ein Top-10-Pick sein können, Charaktersorgen aufgrund von Marihuana-Zwischenfällen ließen ihn bis ans Ende der ersten Runde abrutschen - Charaktersorgen, mit denen sich die Cardinals-Bosse im Vorfeld genauestens befassten.

Nkemdiche traf sich mehrfach mit Arians, Keim und Teambesitzer Michael Bidwill, auch Tyrann Mathieu lud den Defensive Tackle zum Essen ein, um sich ein Bild zu verschaffen. Somit war es wenig überraschend, dass Arizona zuschlug, als Nkemdiche am Ende der ersten Runde noch verfügbar war.

Was bringt der Defensive Tackle also mit? Nkemdiche gibt Arizona eine Pass-Rush-Präsenz über die Mitte, wie sie die Cardinals seit einer Weile nicht mehr hatten. Nkemdiche verfügt über großartige Explosivität und unglaubliche Beweglichkeit für seine Statur. Aber: Im College leistete er sich während Spielen noch immer wieder Auszeiten und offenbarte Schwächen in der Run-Defense. Beides werden die Coaches angehen müssen.

Nack Nkemdiche wurde es dann ungewisser. Durch den Chandler-Jones-Trade hatten die Cards keinen Zweitrunden-Pick, Brandon Williams in der dritten Runde schien wie ein großer Reach: Ein Ex-Running-Back, der nur ein Jahr Cornerback gespielt hat und zwar die Athletik mitbringt, die Technik aber noch lernen muss.

Williams hatte folgerichtig eine Saisonvorbereitung mit Licht und Schatten. Im Training ließ ihn Arians prompt gegen die Starter ran, wo er mal überzeugte, mal deutlich geschlagen wurde. Auch in den Preseason-Spielen erhielt er viel Einsatzzeit. Sobald er nicht in Press-Coverage spielt, hat Williams noch merkliche Probleme mit der Technik.

Center Evan Boehm gilt langfristig als möglicher Starter, hat zunächst aber hinter A.Q. Shipley das Nachsehen. Marqui Christian kann hinter DJ Swearinger und Tyvon Branch lernen, könnte aber auch als weiterer Backup-Hybrid-Linebacker hinter Deone Bucannon fungieren - zumal am Freitag Chris Clemons entlassen wurde. Cole Toner hat mit einer sehr guten Preseason nicht nur die Analytiker von PFF beeindruckt.

Die Offense: Keine Ausreden!

Keine Frage: Blickt man auf das Talent und die Kadertiefe gehört Arizonas Offense zur Top-5 der NFL, wenn nicht gar in die Top-3: Hinter dem zum Slot-Receiver umgeschulten Larry Fitzgerald sowie Outside-Nummer-1-WR Michael Floyd soll John Brown den nächsten Schritt machen, während Speedster-Kollege J.J. Nelson eine größere Rolle erhalten könnte.

Und hier endet das Receiving-Corps noch nicht: In Jaron Brown, der eine sehr starke Saisonvorbereitung hatte, und Brittan Golden hat Arians absolut verlässliche weitere Optionen, während Undrafted Rookie Chris Hubert im Training Camp jeden Coach und jeden Beobachter des Teams mit Big Play auf Big Play komplett überrascht hat.

Ein gutes Argument, insbesondere in Arians' Offense: Die Cardinals spielen, seitdem Arians das Ruder übernommen hat, eine der aggressivsten Passing-Offenses der NFL. Nahezu jeder Passspielzug hat eine Big-Play-Option für Palmer eingebaut, sodass die Defense in jedem Moment mit einem langen Pass rechnen muss.

Die Folge: Kein Team verzeichnete 2015 mehr Yards pro Pass als Arizona (8,5), die Cardinals verzeichneten die viertmeisten Passing Plays von mindestens 20 Yards (81) - nur New Orleans (85), Jacksonville (83) und Pittsburgh (82) waren hier noch besser. Arizona hat offensiv alle Spieler gehalten, Ausreden sind hier also schlicht keine Option.

Dabei ist allerdings festzuhalten, dass man Arians' Offense nicht für eine "Der-Pass-geht-über-alles-"Offense halten sollte. Arizona verzeichnete 2015 562 Pass-Versuche, 18 Teams hatten mehr. Dem gegenüber standen 452 Rushing-Versuche, die ligaweit neuntmeisten in der vergangen Saison. Balance ist also wichtig, und die Offense strahlt das 2016 personell auch aus.

Die Verpflichtung von Mathis gibt Arizona in Kombination mit Mike Iupati sowie dem mutmaßlichen Starting-Center A.Q. Shipley drei starke Run-Blocker im Zentrum, während einer der spannendsten jungen Spieler hinter diesen dreien laufen soll.

David Johnson spielte 2015 eine sensationelle Rookie-Saison (4,6 Yards pro Run, 12,7 Yards pro Catch, 12 Touchdowns) und soll 2016 den Schritt zum Franchise-Running-Back machen. Dabei ist Arizona gut abgesichert: Chris Johnson erhielt einen neuen Vertrag und dahinter gibt es auch noch Andre Ellington, der sich zusätzlich als Return-Man versuchen darf. Das Run Game war fast durchweg ein positiver Faktor in der Preseason.

Weniger tief sieht der Kader in der Offensive Line aus - es ist das größte Sorgenkind der Offense. Die Starter sind gut, wenngleich man schon hier DJ Humphries mit einem Fragezeichen versehen muss: Der 2015er Erstrunden-Pick hat in seiner Rookie-Saison nicht gespielt, weil er in Arians' Augen nicht bereit war. Jetzt wird er als Starting-Right-Tackle auflaufen.

Hinter den Startern aber wird es schwieriger, hier gibt es schnell Lücken. Fällt einer der Top-Starter, insbesondere auf der linken Seite der Line (Iupati/Jared Veldheer) aus, wird es problematisch - schließlich verlangt Arians' Offense auch eine überdurchschnittliche Pass Protection. Die gute Nachricht: Palmer war laut PFF schon 2015 der zweitgenaueste Quarterback unter Druck (72,2% Completion Percentage).

Die Defense: Petersons Partner und die Badger-Frage

Mit 5,2 Yards pro gegnerischem Spielzug sowie lediglich 19,6 gegnerischen Punkten pro Spiel gehörte Arizona in beiden Kategorien in die Top-8 der Liga, dabei blieb Defensive Coordinator James Bettcher, der Todd Bowles beerbte, der Cards-DNA treu: Aggressivität ist Trumpf.

Arizona nutzte die Vielseitigkeit von Spielern wie Tyrann Mathieu und Deone Bucannon, um laut ESPN bei 45,1 Prozent der gegnerischen Dropbacks zu blitzen (bei 17 Prozent der Pass Plays blitzte ein Cardinals-Defensive-Back).

Arizona ließ 2015 die sechstniedrigste Completion-Rate gegen sich zu, nur 59,9 Prozent der gegnerischen Pässe kamen gegen die Cardinals-Defense an (zum Vergleich: Auf Rang 32 standen die Tampa Bay Buccaneers mit zugelassener Completion Rate von 70%).

Der Druck auf den gegnerischen Quarterback, ein guter Start für eine starke Passing-Defense, war hierbei auch im Vorjahr da: Mit Markus Golden (25), Dwight Freeney (16), Alex Okafor (14) und Calais Campbell (11) hatte Arizona vier Spieler, die 2015 mehr als zehn Quarterback-Hurries verzeichneten. Gleichzeitig aber standen die Cards mit 36 Sacks ligaweit nur auf Rang 20.

Lange Rede, kurzer Sinn: Die spannende Frage wird sein, ob Arizona trotz Golden, Nkemdiche und Chandler Jones an seinem Blitz-Package festhält, oder ob ausgewählter geblitzt wird - und wer sich bei Blitzen und damit einhergehender, essentieller Man-Coverage gegenüber von Patrick Peterson etabliert. Justin Bethel ist im Laufe der Saisonvorbereitung verletzungsbedingt zurückgefallen, vieles deutet auf Rookie Brandon Williams hin.

Doch ein möglicher X-Faktor kam am Freitag: Nachdem alle Cornerbacks, die nicht Patrick Peterson heißen, in der Preseason ihre Wackler hatten, kam per Trade Chiefs-Cornerback Marcus Cooper. Der hatte eine sehr starke Rookie-Saison gespielt, fiel danach aber komplett in ein Loch.

In der Run-Defense gehört Arizona nunmehr seit Jahren schon fast traditionell zu den besten Teams der Liga, auch aufgrund des aggressiven Schemes. Hierbei zu beobachten: Macht Safety-Linebacker-Hybrid Deone Bucannon, der über die Off-Season an Muskelmasse zugelegt hat, den nächsten Schritt? Neben dem gesetzten Bucannon ist es im Zentrum ein Make-or-Break-Jahr für Kevin Minter. Beide werden umso wichtiger, falls Nkemdiche noch Probleme in der Run-Defense hat.

Darüber hinaus ist die spannende Frage: Wann ist Mathieu nach seinem Kreuzbandriss wieder bei 100 Prozent? Der Honey Badger ist nicht nur emotional eine unersetzliche Säule in diesem Team, seine Vielseitigkeit fehlte den Cardinals in den vergangenen Playoffs merklich. Ob als Slot-Cornerback, in Coverage gegen Tight Ends, als Run-Defender oder als Blitzer: Arizona braucht Mathieu, damit die Defense voll funktionsfähig ist.

Players to Watch

So viele Namen, die man hier nennen könnte. Ich gehe mit zwei Rookies: Da wäre einerseits der bereits erwähnte Brandon Williams, bei dem selbst viele Experten Fragezeichen im Gesicht hatten, als Arizona in der dritten Draft-Runde zuschlug - eine Runde, in der Steve Keim bisher mit Mathieu, John Brown und David Johnson bisher ein gutes Händchen hatte. Williams bringt athletisch alles mit, hat allerdings extrem wenig Erfahrung auf der Position. Im Camp hat er sich bisher bemerkenswert entwickelt und hat eine ernsthafte Chance, als zweiter Cornerback eine große Rolle zu spielen.

Noch gespannter darf man auf Robert Nkemdiche sein. Viele dürften inzwischen wissen, dass Nkemdiche einer meiner persönlichen Favoriten vor dem Draft war: Ein athletischer Freak, der den Cardinals im Zentrum der Defensive Line endlich die Pass-Rush-Präsenz geben kann, die dem Team so lange gefehlt hat. In Kombination mit Chandler Jones, Calais Campbell und Markus Golden sowie Arizonas aggressivem Blitzing-Scheme (inklusive vieler A-Gap-Blitze durch die Linebacker über die Mitte) um sich herum wird Nkemdiche deutlich mehr Eins-gegen-Eins-Duelle erhalten, als das im College der Fall war.

Ausblick und Schedule

Bruce Arians hat es geschafft, innerhalb von nur drei Jahren eine in Arizona ungekannte Erwartungshaltung zu wecken - die 13 Siege aus der vergangenen Saison waren ein neuer Franchise-Rekord: Die Playoffs sind Pflicht, der Super Bowl das Ziel. Ein Blick auf den Schedule verrät: Ein guter Start ist Pflicht!

Zwischen Week 7 und Week 13 warten mit Seattle, Carolina, Minnesota, Atlanta und Washington fünf Playoff-Teams aus der Vorsaison. Dazu kommen drei Auswärtsspiele in den letzten vier Wochen der Regular Season, gekrönt von den schwierigen Spielen in Seattle und in Los Angeles zum Abschluss.

Ohnehin gilt es nicht zu vergessen, dass die NFC West wieder einmal zu den stärksten Divisions zählt: Seattle hat - zurecht - die gleichen Ambitionen wie Arizona, während die Rams die vielleicht beste D-Line der Liga sowie einen der besten jungen Running Backs haben. San Francisco wird darüber hinaus unter Chip Kelly eine absolute Wundertüte.

Prediction

Ich tippe rein statistisch auf einen kleinen Rückschritt zur vergangenen Saison, aus 13 Siegen werden 12 Siege. Ob Division-Sieg oder nicht (ich traue Seattle definitiv auch 12 Siege zu) geht es damit in die Playoffs - und dann ist wie immer alles möglich.