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WM bei mySPOX


Gründer: GNetzer | Mitglieder: 56 | Beiträge: 5
05.07.2010 um 15:23 Uhr
Geschrieben von JanBoehmer
Not Your Soccer Mom, Teil II
Eine Subkultur ohne Straßenfußballer, wie sie den süd- und mittelamerikanischen Fußball groß gemacht haben. Es fehlt an qualifizierten Trainern - und schließlich auch an hochklassigen Spielen im Fernsehen. "Bei den Kids kommt zu wenig wirklicher Fußball an", bemängelt Oliver. Deshalb fehlt ihnen der natürliche Zugang zum Sport. Das komplette Interview mit Oliver Weiss bei SPOX

Wie schnell sich das ändern kann, weiß er aus eigener Erfahrung. Über Ostern war er mit seiner U-14-Mannschaft im Trainingslager beim FC Chelsea. In England. "Am sechsten Tag gab es eine Art kulturellen Wandel: Ich kam morgens auf das Chelsea-Gelände und sah meine Jungs fünf gegen fünf spielen. In den USA hätten sie das nie gemacht. Aber in England waren sie permanent von Fußball umgeben - und fanden es ganz natürlich, eine Runde zu kicken."

Jugend zur Aufwertung der MLS

So müsste es auch in den USA sein, findet er. Und hofft, dass dies auch wegen der hispanischen Einwanderer in ein paar Jahren der Fall ein könnte. Es wäre ein entscheidender Schritt, um aus den Talenten des Landes echte Fußballer zu machen. Nur sie können die MLS – und damit den amerikanischen Fußball insgesamt – langfristig aufwerten. Nicht eingekaufte Stars.


MLS-Top-Torschütze Edson Buddle (l.) konnte bei der WM nicht überzeugen

Denn während diese im Exil der Rente entgegenkicken, nehmen sie den US-Talenten den ohnehin begrenzten Platz weg. "Ohne echte Jugendteams ist für junge Talente wenig Platz", sagt Devin. Der galt als eines der größten Talente der USA, wurde direkt nach der Highschool in die MLS gedraftet und spielte in der Nationalmannschaft zusammen mit Landon Donovan.

Spielte. Vergangenheit. Denn eine Verletzung beendete seine Karriere. Mit 22. Dabei war das Knie-Problem eigentlich gar nicht so schlimm. Aber: "Bist du nur kurz verletzt, kannst nicht volle Leistung bringen, dann schickt dich das Team weg." Nicht aus böser Absicht. Nein. Es einfach zu wenig Platz. Als einziges MLS-Team unterhält Chicago Fire ein eigenes Team in der Aufbau-Liga, der "Premier Development League", und kann damit so etwas wie eine lückenlose professionelle und direkt ans Team gebundene Jugendarbeit in allen Altersklassen nachweisen. Zwar verfügen auch die meisten anderen Teams über Jugend-Programme (oft in Form von Camps), doch von der Qualität europäischer Talentschmieden sind sie weit entfernt.

Zum Kicken an die Uni?

Talentierte Kicker, die aber den Sprung nach Europa oder in die MLS nicht im Teenager-Alter schaffen, gehen deshalb aufs College. Das ist zwar löblich, weil sie dort oft professioneller trainieren als bei den Jugend-Klubs der MLS-Teams und obendrein auch noch eine Hochschul-Ausbildung erhalten, doch nach ihrem Abschluss sind sie mit durchschnittlich 22 Jahren nach europäischen Maßstäben schon fast zu alt für den Einstieg ins Profi-Geschäft. Bezeichnend: die größten US-Stars (Donovan, Dempsey, Bradley) gingen nicht zum Kicken aufs College.

Was die MLS also braucht, ist ein Fokus auf die eigene Jugend. Oder besser gesagt: eine professionelle Jugendarbeit, mit der die Nachwuchsspieler gezielt ans höchste Level herangeführt werden. Denn die Amateur-Ligen, zusammengeschlossen in der USL, können das nicht leisten. Das Niveau: oft unterirdisch. Und die Spieler verdienen so wenig, dass sie nebenbei oft bei McDonalds arbeiten müssen. Die Aufstiegschancen: extrem begrenzt. Das Interesse an einer unsicheren Karriere als Profi-Fußballer: äußerst beschränkt.

Warum eigentlich: Fußball?

Kein Wunder. Hätte ich als junger Sportler in den USA in mehreren Sportarten ungefähr gleich viel Talent – und das ist bei Highschool-Schülern die Regel – dann würde auch ich mich wohl auch auf einen Sport konzentrieren, der mir in meinem Heimatland die größere Karriere verspricht.

Mit Namen: Football, Basketball oder Baseball.

Was also tun? Denn die erst Mitte der 90er-Jahre gegründeten Teams können unmöglich von heute auf morgen eine ähnliche Struktur auf die Beine stellen, wie die oft 100 Jahre länger bestehenden europäischen Teams.

Das braucht Geld – und vor allem Zeit.

Aber die Verantwortlichen haben das Problem erkannt. "Hier leben 310 Millionen Menschen. Das sind 310 Millionen potenzielle Talente", so US-Verbands-Präsident Sunil Gulati vor kurzem. Diese gelte es zu fördern. Den Fußball zu stärken. Sich vom überholten Klischee der Soccer-Moms zu verabschieden.

Der Mittelpunkt des Universums

Alleine schon wegen des typisch amerikanischen Selbstverständnisses. "Das ist fast die einzige Sportart der Welt, bei der die besten Spieler nicht in den USA spielen", sagt Tim Leiweke, dessen Firma die Los Angeles Galaxy besitzt, dem "Times Magazine". "Und wir Amerikaner haben nun mal ein Problem damit, wenn wir bei irgendetwas nicht der Mittelpunkt des Universums sind."

Das klingt nach: Attacke!

Der erste Schritt ist eine Aufstockung der Liga auf 20 Teams in 2012. So will man mehr Platz für Talente und weitere professionelle Fußball-Ausbilungssätten schaffen. Und natürlich: mehr Fans mit Live-Spielen zu humanen Zeiten begeistern. Die Rechnung: Mehr Teams = mehr Fußball = mehr Fans. Und mehr Fans bedeuten mehr potenzielle Talente.


Die Fans in Seattle machen ordentlich Stimmung

"Das ist wie in Europa!"

In Seattle scheint dies bereits zu funktionieren. 35.000 Fans im Stadion. Stehend. Singend. Das gesamte Spiel. "Das ist das erste Mal, dass sich Fußballspielen in den USA so anfühlt, wie in Europa", sagte Landon Donovan dem "Time Magazine".

Es ist ein erster Schritt, ein kleiner. Denn Liga und Vereine haben im Vergleich mit Europa ein enormes historisches Defizit aufzuholen. 100 Jahre kulturelle Entwicklung sind nicht im Handumdrehen wettzumachen.

Das darf man auch nicht erwarten.

Aber wir nähern uns an. Langsam. Aber beständig. Und in vier Jahren ist ja auch schon wieder WM. Da gibt es dann wieder Aufgespringe, Faust-in-die-Luft-Gefeuere und Schiedsrichter-Verungeglimpfe für die Zwei-Nation.

Versprochen.
Aufrufe: 1878 | Kommentare: 9 | Bewertungen: 14 | Erstellt:05.07.2010
ø 9.0
KOMMENTARE
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Maulwurfen
05.07.2010 | 21:34 Uhr
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Maulwurfen : 
05.07.2010 | 21:34 Uhr
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Maulwurfen : 
Geiles Ding Glatter 10er
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spacer199
05.07.2010 | 20:04 Uhr
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spacer199 : 
05.07.2010 | 20:04 Uhr
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spacer199 : 
Sehr interssantes Blog.
Vielleicht interessieren sich die Amis auf andere Weise für Fussball. Beispielsweise lese ich hier immer alle die Spoxberichte über Basketball obwohl es nichts langweiligeres gibt als das im TV anzuschauen.

Wie meinen Vorredner würde mich eine Einschätzung der Beliebtheit der Sportarten in den USA interessieren. Wie ist die Verteilung von Football, Basketball, Baseball und Eishockey und wo ordnet sich der Soccer ein? Gibt es da Statistiken zB TV Quoten, Zuschauer in den Stadien/Hallen oder zumindest einen persönlichen Eindruck?

Ich findes es insgesamt aber positiv dass Fussball nicht überall die Nummer 1 ist. Wenn er überall so dominierend wäre wie in Deutschland, würden einige interessate Sportarten ums Überleben kämpfen. Als ich in Enland war hat mich total überrascht wieviel über Rubgy und Cricket berichtet wurde. Da war Fussball in der Zeitung nicht immer auf dem Titelblatt des Sportteils.

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M1cah
05.07.2010 | 18:09 Uhr
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M1cah : 
05.07.2010 | 18:09 Uhr
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M1cah : 
Ganz hervorragend. Great - oder so

Habe kürzlich gelesen, dass Soccer die Nummer 3 (Eishockey) in der Beliebtheitsskala abgelößt haben soll.
Kannst du das bestätigen?
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Maniac1103
05.07.2010 | 18:04 Uhr
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Maniac1103 : 
05.07.2010 | 18:04 Uhr
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Maniac1103 : 
@ tstone1 :

Basketball läuft in Deutschland aber nur so gut, weil einer der Topstars der Liga ein Deutscher (Nowitzki) ist.

Stars können solche Sportarten am einfachsten populär machen. Man denke nur an die goldenen Tennis Zeiten mit Graf, Becker und Stich.

Heute schaut fast keiner mehr sich die übertragungen von Wimbeldon an.


Wenn die USA 1-2 Megastars im Fussball hätten würde sich der ganze Prozess sicherlich am leichtesten beschleunigen lassen. Aber für nachhaltigen Erfolg beim Publikum ist eine gute eigene Liga unumgänglich. Außerdem hat der Fussball glaube ich in den USA immernoch ein Image Problem.

Er gilt dort doch sehr als Mädchensport. In vielen Filmen oder amerikanischen Serien gehen die Jungs Football, Eishockey oder Basketball spielen und die Mädchen eben Fussball.
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tstone1
05.07.2010 | 17:49 Uhr
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tstone1 : 
05.07.2010 | 17:49 Uhr
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tstone1 : 
" Zum Vergleich stelle man sich mal vor, es gäbe in Deutschland keine Bundesliga. Die wäre einfach so weg. Man müsste jede Woche Ahlen gegen Oberhausen schauen. Keine Champions League, keine Europa League, kein nix. Man stelle sich vor, für ansprechenden Fußball müsste man nachts um drei Uhr aufstehen. Immer. "


Frag mal die Basketballfans in Deutschland, die haben das gleiche Problem, dementsprechend tut sich Basketball auch hier sher schwer, auch wenn es besser als Baseball oder Football läuft.

Ich denke, dass es nun mal Sportarten gibt die nur in einigen Regionen beliebt sind. Natürlich, Fußball ist Weltsportart Nummer 1, nichtsdestotrotz kann es doch Länder geben in denen Fußball nicht Nummer 1 ist. Da muss der Europäer genauso wie der Amerikaner Verständnind für aufbringen. Wenn ich mir hier Basketball ansehen muss kommen mir auch die Tränen, aber ich nehme es so hin und hoffe einfach...

10 points für diesen sehr ausführlichen und guten Blog.

p.s. Die USA entwcikeln sich immer weiter. Spätestens 2026 gehören sie zu den Titelfavoriten. Da wette ich drum. Wir sprechen uns in 16 Jahren
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JanBoehmer
REDAKTEUR
05.07.2010 | 17:15 Uhr
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JanBoehmer : 
05.07.2010 | 17:15 Uhr
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JanBoehmer : 
danke für das lob, voegi!

soccer ist in der tat ein extrem beliebter freizeit-sport - und wächst da auch rasant. aber derzeit eben leider nur auf freizeit-ebene. es gibt mittlerweile viele jugend-camps - allerdings ist dann eben meist im jugendalter schluss. ob der mangelnden profi-aussichten. und, weil es sich kluturell eher als freizeit-ding etabliert. als familien-ausflug.
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Voegi
MODERATOR
05.07.2010 | 17:06 Uhr
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Voegi : 
05.07.2010 | 17:06 Uhr
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Voegi : 
starke, fundierte analyse! sehr überzeugend.
denke auch, dass eine stärkere mls den soccer in den usa pushen wird. an den ganz großen durchbruch glaube ich aber auf absehbare zeit nicht. wenn ich daran denke, welche hoffnungen man in die wm 94 prjojiziert hat. und was blieb davon? wenig.

ich selbst habe verwandtschaft in den usa, die den fußball insgesamt mit großem interesse verfolgt. leider sind die aber eben nicht beispielhaft für die usa an sich, wo soccer eben doch weiter unten rangiert.

soweit ich weiß, ist soccer aber noch wie vor ein sehr beliebter freizeitsport, der gerade bei jüngeren kindern mit steigender begeisterung angenommen wird. vielleicht steckt da noch was potential...

danke für das super blog!
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