Als in Nürnberg am Samstag die Sonne unterging, war für einen Spieler "gerade die Welt untergegangen" (mp3). Ein in Tränen aufgelöster 23-jähriger Schweizer Innenverteidiger mit deutschen Wurzeln versuchte seine Gefühle in Worte zu fassen. Was war passiert? Klose hatte in der Nachspielzeit der Begegnung FCN vs. SCF einen Ball zurück zu seinem Torhüter köpfen wollen, was ihm gründlich misslang und das Schicksal seinen Lauf nahm: Der Angreifer roch die Chance, der Torwart holte ihn von den Beinen und der fällige Elfmeter entschied ein Spiel, das im Grunde gar keinen Sieger verdient gehabt hätte. Ein Faux-Pax eines jungen Spielers, der in Anbetracht der immer näher rückenden Abstiegszone gegen einen direkten Konkurrenten eine ganz Region in eine mittelschwere Herbstdepression stürzte. Schon ein Unentschieden im Heimspiel gegen den Tabellenletzten hätte in Anbetracht der zuletzt schlechten Punkteausbeute nicht für Freude gesorgt, eine Niederlage aber ist schlicht eine Katastrophe. Ein Weltuntergang ist sie aber nicht.

Es ist vielleicht auch hier im Spox-Blog eine gute Gelegenheit, nach 12 Spieltagen und damit nach mehr als einem Drittel der Saison, einmal zur aktuellen Lage des Clubs eine höchst subjektive Sichtweise des Verfassers zur Lage, zu den Aussichten und auch zu den Reaktionen darzulegen.

Der Club aus Nürnberg hat nach 12 Spielen 12 Punkte - das ist einfach zu rechnen und macht einen Schnitt von 1 Punkt, was selbst den ungeübten Mathematiker auf eine 34 Punkte Hochrechnung kommen lässt. Und mit 34 Punkten, da muss man kein Prophet sein, würde einem am 34 Spieltag mit ziemlicher Sicherheit (und man sehe der fäkalen Redewendung an der Stelle nach) die Scheiße bis zum Hals stehen. Die Depression rund um den FCN ist daher berechtigt, da hilft auch kein 15. Tabellenplatz und das Wissen, dass 7 Mannschaften kaum mehr zu Wege brachten, da nimmt man Wolfsburg und Lautern mit ihren aktuell 13 Zählern mit dazu. Die Frage ist: Wem traut man von diesen 7 Mannschaften mehr zu? Bzw.: Wem traut man von den 6 Mannschaften mehr zu als seinem eigenen Club? Eine Heimniederlage gegen einen direkten Konkurrenten trägt da sicherlich nicht als vertrauensbildende Maßnahme bei.

Nach einem in der Punktausbeute zufriedenstellenden Saisonbeginn knarzt es heftig im Gebälk des Konstrukts FCN in dieser Spielzeit. Am 5. Spieltag hatte man schon 9 Punkte, in den folgenden 7 Begegnungen kamen noch ganze 3 dazu. Über die Beurteilung der Lage ist man im Fanlager aber heftigst gespalten. Die einen verweisen auf eine nahezu grassierende Verletztenmisere, bei der man nicht nur auf seinen Torwart No. 1 und No. 2 verzichten musste, sondern phasenweise auch auf Leistungsträger gleich en bloc. Bis zu 7 designierte Stammkräfte fielen gleichzeitig aus, darunter auch Führungsspieler wie Pinola, Schäfer oder ein Nilsson, der als Chef in der Abwehr zumindest mal vorgesehen war. Das andere Fanlager lässt diese Erklärungen im Grunde nicht gelten und verweist darauf, dass ein Bundesliga-Kader solche Ausfälle auch in Nürnberg zu verkraften habe und man nicht umsonst 28 Mann im Kader habe, die unter Profi-Bedingungen trainiern und die Chance eben ergreifen könnten, sich und ihr Leistungsvermögen anzubieten. Fußball sei eben Ergebnissport und blieben die Ergebnisse aus, dann müssten die Verantwortlichen sich dies ankreiden lassen. Das bedeutet: Die eigene Unfähigkeit oder Fehleinschätzungen eingestehen und die Konsequenzen ziehen, was bei anhaltender Ergebniskrise eben Trainerdiskussion oder Kaderveränderung (oder beides) zur Folge habe. Der Herbst könnte also stürmisch werden.

Beide Seiten sind schwer zu vermitteln. Und auch der Hinweis darauf, dass Abstiegskampf (wie man ihn nun eben auch vor sich hat) nicht nur bei Nürnberger Verantwortlichen von Anfang an auf dem Programm stand, sondern auch von allen "Experten" nahezu unisono so erwartet wurde, hilft da wenig. Man sollte ja meinen, der Club-Anhang habe Übung genug in solchen Situationen, aber an sowas gewöhnt man sich eben doch scheinbar nie, um mit mehr Gelassenheit zu reagieren.

Was steht bevor? Auf Schalke die verlorenen Punkte zu finden scheint derzeit ein schwieriges Unterfangen, auch wenn der Kader wieder etwas vollständiger ist. Die Mannschaft ist verunsichert und die Verletzten kommen auch nicht von Null auf Hundert, gerade nicht in einem Team, das sich selbst sucht. Gut denkbar also, dass der nächste Heimspieltag gegen Kaiserslautern zum dramaturgischen Höhepunkt avanciert. In Anbetracht des nackten Überlebenskampfes scheinen genug gewillt, im Fall der Fälle lieber alles Aufgebaute zu opfern und auch einen Hecking in Frage zu stellen, damit man nicht am Ende der Saison alles Aufgebaute durch einen Abstieg geopfert sieht.

Fußball zeigt sich einmal mehr als hochemotionales Feld, bei dem gerade in schwierigen Phasen die Jacke näher als die Hose ist, sprich: Der so oft gebetsmühlenartig geäußerte Wunsch, doch einmal auch in schlechten Zeiten bedingungslos zu einem Trainer zu stehen und Kontinuität walten zu lassen, ist nur so lange gültig, bis das Wasser steigt. Wenn die Panik kommt, greift man nach allem, was als Strohhalme im Fußball sich je als tauglich erwiesen haben. Emotionen pur, das will man auch auf dem Platz sehen - Kratzen, Beißen, Gras fressen, das ist die angemessene Reaktion, nach dem Spiel am Mikro aber einen weinenden Spieler sehen, ist für viele die Art von Emotion, mit denen man schlicht überfordert ist. Ein heulender Spieler passt für viele so gar nicht ins Konzept und die Reaktionen auf den eingangs zitierten Herrn Klose sind entsprechend. Emotionen ja, aber Männer weinen eben heimlich - außer vielleicht ein Brehme nach dem Abstieg damals, aber das war was anderes, Da war die Welt nämlich wirklich untergegangen in der Pfalz - zumindest für ne Weile. Bis dahin hat man aber noch ein paar Spieltage in dieser Saison Zeit.

---

Immer auf dem Laufenden bleiben bei Spox über den 1. FC Nürnberg? Einfach Mitglied werden bei Clubfans@Spox und per Nachricht informiert werden, wenn es Neues zu lesen gibt: Natürlich kostenlos und unverbindlich. Jetzt hier anmelden!

Dieser Blog wird präsentiert von Clubfans United, offizielles Mitglied der User-Redaktion von Spox