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Formel 1


Gründer: santiagodiaz | Mitglieder: 116 | Beiträge: 60
04.09.2013 | 3688 Aufrufe | 7 Kommentare | 2 Bewertungen Ø 10.0
In those days: GP Italien 2011
Der schnellste LKW der Welt
Erinnert ihr euch?

Es ist nicht Sieger Sebastian Vettel, der die meiste Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es ist ein Fahrer, der lange Zeit der Größte war und für viele ewig bleiben wird. Vor zwei Jahren in Monza gibt er den Fans noch einmal ein denkwürdiges Stück Rennsport in die gierenden Hände.


Norbert Haug schnauft immer noch. Als er nach Rennende Statements abgeben soll, die ein überaus packendes Gefecht in geeignete Worte kleiden, hat er Mühe, nicht aus der Puste zu kommen. "Genauso werden Rennen gefahren, das war ein Lehrstück", sagt der Mercedes-Motorsportchef dann, schwer atmend. "Natürlich wird es wieder Kritiker geben, aber wir fahren für die Fernsehzuschauer und die kritisieren uns nicht. Denn die wollen genau das sehen, was heute gezeigt worden ist." Diese erste Rennhälfte hat ihn mitgenommen. Haug sieht man es zwar nicht direkt an, aber er ein leidenschaftlicher Vertreter des Typus Racer. Und so entgegnet er, gefragt nach eigenen Empfindungen während des Spektakels: "Ich habe die ganze Zeit über gestanden."

Der Grund dieses Stehmarathons hält sich ein paar Meter weiter auf: Michael Schumacher, eingekesselt von einer Menschentraube mit Kameras und Mikrofonen. Ein übliches Bild, der Rekordchampion interessiert nach wie vor. Schumacher, 42, blinzelt in die italienische Sonne, er ist entspannt, sein Lächeln wirkt wie festgetackert. Er hat eine Menge zu erzählen, und es sind Geschichten, die ihm gefallen haben.

"Das war lustig heute." Der verschwitzte Norbert Haug wird entgeistert geschaut haben. Oder aber bestätigt, weil er wusste, wie die PS-Süchtigen ticken. Die Racer eben. Schumacher präzisiert seine spaßige Sonntagsbeschäftigung: "Lewis und ich sind zwei Fahrer, die immer ans Limit gehen. Ich habe die Regeln und meine Mittel zum Maximum genutzt und mich breit gemacht wie ein LKW." Als er das sagt, lächelt Schumacher nicht. Er lacht.

"Der Teufel!"



Michael Schumacher hat keine glückliche Saison hinter sich. Einmal ist er dem Russen Vitaly Petrov ins Auto gefahren, ein andermal dem Japaner Kamui Kobayashi. Sein Mercedes-Comeback ist eineinhalb Jahre alt und ziemlich enttäuschend verlaufen. Keine Pole Position, kein Podestplatz, kein Sieg. Dafür ein Teamkollege Nico Rosberg, der ihn überwiegend beherrscht hat. Am Denkmal Schumacher wird genagt und gekratzt. Er ist kein Altmeister mehr. Sondern ein alter Meister. Schmettern die Medien.

"Die Rente ist sicher!" Motorsportpresse 2011 alias Norbert Blüm 1986.

Ein einziger Grand Prix, der Klassiker von Italien am 11. September, dreht im Spätsommer vor zwei Jahren eine Dauer-Debatte auf links. Zumindest, wenn man den geschliffenen Urteilen des Blätterwaldes glauben darf. "Von einem Publikum beflügelt, das ihn wie einst liebt, hat Schumacher den Schumi neu entdeckt", jubelt "Tuttosport". Der "Corriere dello Sport" wühlt tief im Pathos-Karton: "Schumacher hat keinen Pakt mit dem Teufel abgeschlossen, um sich in Monza zu behaupten, denn der Teufel ist er selber. Die Geschichte des Kaisers, der zurücktritt, zurückkehrt und wieder der Beste sein will, scheint ernst zu werden."


28 elektrisierende Runden


Der siebenmalige Weltmeister hat kein Rennen gewonnen, er durfte noch nicht einmal auf das Treppchen steigen. Er ist Fünfter geworden, wie schon beim vorangegangenen Lauf im belgischen Spa (was äußerst bemerkenswert war, weil er dort vom letzten Platz starten musste). Erneut kein Pokal also, und dennoch ist Schumacher neben Sieger Sebastian Vettel der Mann des Tages. 28 Runden lang, eine komplette Rennhälfte, verteidigt er sich gegen Lewis Hamilton, den juvenilen Star im McLaren-Mercedes. Spricht der Deutsche davon, Regeln und Mitteln "bis zum Maximum" strapaziert zu haben, dann bringt das den fesselnden Kampf der Duellanten auf einen kurzen, knackigen Nenner. Kehrbruch unmöglich.

Schumacher sitzt im langsameren Auto, klar, sein Mercedes ist keine Offenbarung. Aber wenn er eines hat, dann puren Topspeed - in Monza gewiss nicht die schlechteste Ausstattung. Erleichternd kommt hinzu, dass Hamiltons Dienstfahrzeug einen falsch übersetzten siebten Gang aufweist. Permanent stößt der Brite an den Drehzahlbegrenzer. So ist auf den Geraden kein Kraut gegen Schumacher gewachsen, trotz Windschatten und DRS-Unterstützung.

Durch einen Raketenstart hatte sich der Veteran von der achten auf die vierte Position verbessert. Vettel büßte seine Pole Position gegen Ferrari-Maestro Fernando Alonso ein, der auch Hamilton das Nachsehen gab. Im Hinterfeld verlor HRT-Pilot Vitantonio Liuzzi die Kontrolle über seinen Wagen und rutschte ungebremst über die Wiese auf die erste Schikane zu. Wer zur falschen Zeit in die Rechtsbiegung einlenkte, den bestrafte das Leben. Nico Rosberg, Petrov und Rubens Barrichello waren die Leidtragenden, Karbonschrott die Konsequenz. Das Safety-Car rückte aus.


Mit dem Messer zwischen den Zähnen



Beim Re-Start nutzt Schumacher seinen Geschwindigkeitsvorteil: Er ist nun Dritter, Hamilton Vierter. Der Auftakt eines denkwürdigen Schlagabtauschs. Bevor der uneingeschränkte Fokus auf die beiden Mercedes-befeuerten Autos fällt, bemüht sich Sebastian Vettel die Borniertheit zu kontern, er könne nicht überholen. Mit zwei Rädern im Dreck und dem Wagemut eines Weltmeisters schießt er an Alonso vorbei - in der Curva Grande, die ihren Namen nicht zu Unrecht trägt. Ein kitzliges Manöver, das der Spanier demonstrativ nüchtern kommentiert: "Ich wusste, dass ich nicht schnell genug sein würde, um Sebastian lange hinter mir zu halten."

Sogar der wie aufgedreht agierende Schumacher wagt wenig später einen Vorstoß auf seinen ehemaligen WM-Widersacher im roten Renner. Erst als sich Alonso entfernt, beginnt der Rekordsieger auf den defensiven Modus umzuschalten - notgedrungen, denn bei aller hilfreichen Geradeaus-Geschwindigkeit kann sein Mercedes das Tempo der Spitze nicht halten. Lewis Hamiltons McLaren eigentlich schon, umso großformatiger zeigt er sich in den Schumacher'schen Rückspiegeln. Aber der Champion fährt mit dem Messer zwischen den Zähnen. Durch Routine, Cleverness und dem ein oder anderen grenzwertigen Spurwechsel behauptet er seinen vierten Rang. Bis zur 13. Runde.

Da gelingt es Hamilton endlich, den Schreck seines Sonntagnachmittags-Albtraums zu überwinden. Lange währt die Freude über das Vollbrachte allerdings nicht: Schumacher beschleunigt besser aus der ersten Schikane heraus und macht es in der Curva Grande wie Vettel mit Alonso, nur ohne Grünstreifen. Der Mercedes-Pilot ist wieder vorn. Das Spiel beginnt von neuem.


Am seidenen Pferdehaar



In Schumacher lodert das Rennfeuer wie eh und je. Manchmal verbrennen sich andere die Finger daran. Als der entnervte Hamilton innen angreift, schneidet ihm der Deutsche den Weg ab. Hamilton wirbelt Dreck auf, verliert Schwung und muss den inzwischen aufgeschlossenen Jenson Button passieren lassen. Dieser schnappt sich auch Schumacher, locker-leicht und noch in derselben Runde. Hamilton wird sich seinen Teil gedacht haben...

... und verschafft dem aufgestauten Unmut Luft. Die Rennkommissare werden hellhörig, zweimal verwarnen sie den Mercedes-Piloten. Teamchef Ross Brawn interveniert bei Schumacher, genügend Platz zu lassen. Das Damoklesschwert einer Bestrafung baumelt am seidenen Pferdehaar.

Nach 28 Runden hat einer der herausragendsten Kämpfe der jüngeren Formel-1-Geschichte ein Ende. Hamilton zieht, genau wie Button, vor der Variante Ascari vorbei. Er kocht unter dem Helm, auch wenn er hinterher neutrale Töne anschlägt: "Es war okay. So ist der Rennsport. Es war eine Herausforderung, ihn zu überholen." Sein Chef Martin Whitmarsh ist da anderer Auffassung: "Das war höllisch gefährlich! Ich fand, dass sich Schumacher sehr hart verteidigt hat."


Ein weinendes und ein lachendes Auge



Der Rest ist fix erzählt. In Runde 36 wird Alonso von Button abgefangen, Vettel aber liegt außerhalb jeder Reichweite. In dieser Reihenfolge erreichen sie das Ziel. Hinter Hamilton und Schumacher beschließen Felipe Massa (Ferrari), Jaime Alguersuari (Toro Rosso), Paul di Resta (Force India), Bruno Senna (Renault) sowie Sébastien Buemi (Toro Rosso) die Top Ten.

Sebastian Vettel wiederholt seinen Monza-Triumph von 2008. Damals gewann er erstmals in der Formel 1, mit den "kleinen Bullen" von Toro Rosso im strömenden Regen. Bei der Podiumszeremonie übermannen ihn die Emotionen, Tränen kullern über die Backen. "Ich bin hin und weg", stammelt er. "Das ist absolut überragend. Die Gefühle, die in einem nach der Zieldurchfahrt hoch kommen, all die Erinnerungen an meinen ersten Sieg hier, all das ist etwas ganz Besonderes."

Und Norbert Haug? Der schnauft. Und Michael Schumacher? Der lacht. Siehe oben.

Bildquelle: spox.com

KOMMENTARE
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RoyRudolphusAnton
17.09.2013 | 23:42 Uhr
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17.09.2013 | 23:42 Uhr
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Das trifft sich sehr gut, dass du da Ambitionen hast. Ich muss das in den nächsten Wochen aus Zeitgründen sein lassen. Vielleicht war das hier auch die letzte Ausgabe. Deshalb: Ran an die Tasten, ich freu mich, dass es Schreiblustige für die F1 gibt
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Lombroso
17.09.2013 | 20:24 Uhr
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Lombroso : 
17.09.2013 | 20:24 Uhr
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Lombroso : 
Danke für eine weitere Sternstunde!
Werde schon bald mal einen ähnlichen Blog schreiben. Ich hoffe, dass ich dir das Wasser reichen kann
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Red_7
05.09.2013 | 17:25 Uhr
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Red_7 : 
05.09.2013 | 17:25 Uhr
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Red_7 : 
Ja. Für die Betreiber mögen weniger Streckenkilometer billiger im Unterhalt gewesen sein, aber den Charakter hat es doch nachhaltig rausgenommen...
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RoyRudolphusAnton
05.09.2013 | 17:23 Uhr
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05.09.2013 | 17:23 Uhr
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Da geht's mir vielleicht ein bisschen anders, aber ganz ehrlich: Who cares? Im Gegenteil, es verleitet eher dazu, in der Vergangenheit zu leben ("früher war alles besser..."). Erst vor kurzem hab ich mir eine Zusammenfassung von Hockenheim '99 angeschaut, zwar hauptsächlich, um diese göttliche Strecke nochmals zu erleben, aber die Sache ändert es nicht wirklich. Ich sollte mich mehr auf die Gegenwart konzentrieren
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Red_7
05.09.2013 | 15:26 Uhr
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Red_7 : 
05.09.2013 | 15:26 Uhr
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Red_7 : 
Korrekt, da habe ich das beste aus den Jahre 2012 und 2011 einfach mal in einen Monza-GP projiziert...

Das ist meine große Schwäche. An die aktuelle Saison erinnere ich mich meistens relativ detailliert, die vergangenen Jahre verblassen dann aber recht schnell...
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RoyRudolphusAnton
04.09.2013 | 23:43 Uhr
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04.09.2013 | 23:43 Uhr
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Ich will nicht besserwisserisch sein, aber glaube, du meinst bei Alonso das Jahr darauf, also 2012. Das war tatsächlich eine formidable Leistung, die ich live verfolgen durfte
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Red_7
04.09.2013 | 23:18 Uhr
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Red_7 : 
04.09.2013 | 23:18 Uhr
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Red_7 : 
So gerne man sich daran erinnert, was man nicht vergessen darf, ist dass es genau dieses Duell war, die zu der Klarstellung der "Vorfahrtsregeln" geführt hat, in der Form wie wir sie bis heute haben. Dieses Duell Schumacher/Hamilton und in Bahrain Rosberg/Hamilton...

Und ich muss einräumen, dass mich in dem Rennen Alonsos Aufholjagd viel mehr in den Bann gezogen hat, nachdem er wegen eines gebrochenen Stoßdämpfers in Q3 das Feld von hinten aufrollen musste...
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