Die Mutter aller Derbys findet in Nürnberg statt, nicht in Dortmund oder auf Schalke, nicht im Schlauchboot in der Zwietracht-Arena, nicht in Braunschweig wenn es gegen Hannover geht, und auch nicht wenn der HSV auf St. Pauli trifft. Das meistgespielte Derby aller Zeiten ist das Spiel des Clubs gegen das Kleeblatt, mittlerweile in der 254ten Auflage.

Der FCN, fast schon liebevoll von den eigenen Fans als Depp bezeichnet, oder eben nüchtern-pragmatisch als Fahrstuhlmannschaft, ist nicht mehr der Ruhmreiche der vergangenen Tage, aber man hat auch die Skandälchen hinter sich gelassen und reiht sich nun ein in die Gruppe derer, die einfach gern drin bleiben wollen in der ersten deutschen Fußball-Liga - drin bleiben und sich eine Nische suchen, wie man überleben kann, ohne seine Wurzeln aufzugeben, nämlich ein Verein zu sein, kein Sponsoren-Modell, kein Gesellschafteranteil und kein Werksclub oder Hobby-Projekt. Der Glanz ist ab, aber die Tradition bleibt unvergessen, schwingt mit beim Club in allen Lebenslagen - und das alles wird beim Zusammentreffen mit dem alten Rivalen aus der Westvorstadt (wie man die Vorstadt Fürth gerne gehässig bezeichnet) noch einmal so richtig lebendig.

Die Geschichte wird natürlich bemüht, Geschichten früherer Tage, als das deutsche Fußball-Herz in Franken schlug und beide Vereine quasi allein die Nationalelf stellten, sich aber so spinnefeind waren, dass man zu Ländervergleichen separat an- und abfuhr. Lange ist es her, Zeitzeugen werden so langsam rar. Doch während der Club seinen Weg durch die Niederungen des Fußballs fast hinter sich hat, erträgt man die Demut, nur noch dabei zu sein in der Liga, aber keine große Rolle zu spielen, noch etwas besser, wenn es dem anderen noch ein bisschen schlechter geht. Fürth schaffte es nämlich, den Club in allen Belangen noch einmal zu unterbieten. Man verlor sich jahrelang in den Niederungen der Ligen, rutschte ab bis in die Landesliga. Mühsam berappelte man sich, um dann getrieben von finanziellen Zwängen sich zu einen Zusammenschluss mit dem Dorfverein TSV Vestenbergsgreuth (auch quasi so ein Mini-Werksclub und Hobby-Projekt eines Teefabrikanten) zu konsolidieren. So kam das Greuther in das Fürth.

Strategisch hat es sich gelohnt, seitdem geht es in Fürth mit kleinen aber beständigen Schritten aufwärts. Zwischenzeitlich zählt man Jahr für Jahr zu den besten Clubs der 2. Liga, ein erneuter Absturz ist in weiter Ferne. Der große Wurf aber, die Bundesliga, will einfach nicht gelingen. Vielleicht auch besser so, meinen die Kritiker, denn sowohl die Infrastruktur wie auch das Fanpotenzial, das durch die langen Jahre der Dürre gelitten und mit der Fusion einen weiteren schweren Schlag in Sachen Identifikation zu verkraften hatte, ist in Sachen Bundesliga-Tauglichkeit weit hinter der sportlichen Entwicklung zurück. 4.000 Dauerkarten hat man verkauft (FCN 28.000), ein Zuschauerschnitt von um die 10.000 (FCN 40.000), ein schwaches Bild eines Clubs, der mit den attraktivsten Fußball der zweiten Liga kickt - und das seit Jahren. - Für das Pokalspiel konnte man (bei fast 50.000 Zuschauern) in Fürth gerade mal 10% der Karten absetzen - und das beim Derby direkt vor der Haustür.

Die Verantwortlichen weisen es natürlich von sich, die Fans aber denken oft so: Solange die Fürther hinter uns sind, ist immer noch Luft nach unten, kann es immer noch schlechter gehen. Mag alles schief laufen, mag es sogar mal wieder runter gehen, solange Fürth nicht in der Bundesliga kickt und der Club in Liga 2, ist der Worst Case ever noch nicht erreicht.

Und am Ende der Saison steht wieder mal so eine Weichenstellung im Raum: Der Club ein möglicher Absteiger (mal wieder), die Fürther ein möglicher Aufsteiger (mal wieder), und wer weiß - am Ende sieht man sich gar zum Showdown in der Relegation. Was für eine Aussicht … Aber die Losfee meinte wohl, dass man so lange nicht warten will - man zog das direkte Duell im DFB-Pokal und steht sich nun wenige Tage vor Weihnachten gegenüber - der Club und das Kleeblatt, es kann nur einen geben (der im Pokal überwintert).

Noch am Samstag Vormittag hätten viele wohl tatsächlich den Zweitligisten als leichten Favoriten gesehen, trotz Auswärtsspiel in Nürnberg, aber mit einem Kantersieg gegen Union Berlin und einer bärenstarken Leistung in Frankfurt als Referenz. Da hatte der Club gerade noch eine Krise nach der desillusionierenden Niederlage zu Hause gegen Hoffenheim. Doch dann passierte das Überraschende: Der FCN kam in Leverkusen zu einem herausragenden 3:0 Auswärtssieg, beendete ad hoc alle Krisengespräche, ließ Zuversicht und breite Brust wachsen und plötzlich will man seinen Anspruch in der Region auch untermauern und im Pokal überwintern. Das Derby ist angerichtet.

Dieter Hecking geht der Medienrummel übrigens jetzt schon gehörig auf den Zünder, würde am liebsten sich nur auf das Sportliche konzentrieren, doch auch er weiß natürlich, dass man von solchen Spielen gerade als Fan lebt, dass es dieses Prickeln ist, was einen an den Fußball so fesselt. Doch seine mahnenden Worte sind auch wichtig, denn bei aller gelebter Rivalität, bei aller Aussicht auf einen Winter mit Ruhm oder Spott in der fränkischen Metropolregion, hat man auch die Bilder von Dortmund gegen Dresden noch vor Augen. Feuer und Leidenschaft auf und neben dem Platz sind (im übertragenen Sinne) willkommen, wie Hecking auch ausgab als Parole: "Kein Abwarten. Offenes Visier und drauf. So wie sich das gehört.", aber eben nicht überziehen, nicht überhitzen, den Kessel zum Kochen bringen aber nicht zum Bersten. Das Spiel soll begeistern, die Stimmung packen, aber man soll sich im Stadion dabei sicher fühlen und auch ohne Bedenken wieder nach Hause kommen können. Franken könnte sich hier einen Bärendienst erweisen, würde es zu Eskalationen kommen. Entsprechend wirkte Hecking auch auf die Medien ein, die Stimmung zwar gern zu füttern, aber eben nicht anzustacheln.

Nürnberg gegen Fürth, das wird ein Pokalfest in Franken, auch wenn die nationalen Medien die Gunst anderen schenken, aber diese stiefmütterliche Behandlung im Schatten des Branchenprimus ist man ja längst gewohnt. Wenn am Dienstagabend der Ball rollt, ist das aber alles vergessen, dann wird für einen Abend "das Derby” wieder zu Hause sein - in Franken.

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