Nun also der Fuß. Innenband und Syndesmose. Nachdem wir bei der WM 2006 Tage, gar Wochen um die ‚Wade der Nation‘ zitterten, ist es seit gestern, 4 Wochen vor dem Startschuss amtlich: Kein Zittern.

Keine WM. Für und mit Michael Ballack.


Muss sich auch über seine Zukunft Gedanken machen.

3.461.970.328.843,76 Meldungen und Blogs zu diesem Thema findet man wahrscheinlich derzeit im Netz. Im Fernsehen läuft es rauf und runter.

Es wird viel spekuliert. Ist der Kader zu jung um so einen Ausfall zu kompensieren? Muss Frings zurück geholt werden? Hat selbst Hitzelsperger plötzlich wieder eine Chance?

Mich langweilen solche Diskussionen immer, denn die meisten entziehen sich jeglicher Relevanz. Frings kann Löw nicht mehr zurückholen. Hitzelsperger ist im Falle einer Nachnominierung sowieso nur Ergänzungsspieler.

Beschäftigen möchte ich mich lieber mit der ersten Elf.

Man darf jetzt nicht den Fokus auf das Ziel, eine gute WM zu spielen verlieren und sich möglicher Alibis aufgrund der Ausfälle des ersten Torhüters und des Kapitäns öffnen. Vielmehr sollte man die traurige Nachricht als Motivationsschub bündeln und den Umbruch, der im zentral-defensiven Mittelfeld nach der WM sowieso fällig wäre, unter realen Wettkampfbedingungen vollziehen.

Auch wenn mit Frings, Rolfes und Hitzelsperger 3 gute Alternativen aus unterschiedlichen Gründen als Ballack-Ersatz nicht in Betracht kommen, gibt es die Möglichkeit den Ausfall Ballacks fußballerisch zu kompensieren.

Mit Sami Khedira wartet ein ähnlicher Spielertyp auf seine Bewährungschance. Nicht wenige Experten sahen ihn schon als legitimen Nachfolger Ballacks, als die personalie Schweinsteiger für das zentrale defensive Mittelfeld für viele der 82.000.000 Bundestrainer noch undenkbar schien.

Neben den gemeinsamen Attributen, wie den Führungsqualitäten, der Dynamik, die körperliche Robustheit, der gute Schuss und dem wuchtigen Kopfballspiel, über die beide Verfügen gibt es jedoch auch Unterschiede.

Kaum vorstellbar aber wahr: Während Ballack lange Zeit keine Verantwortung (Kapitänsamt) in der Nationalmannschaft übernehmen wollte – ihm wurde es förmlich aufgedrängt, aufgrund seiner fußballerischen Klasse – ist Khedira gewillt diese zu übernehmen und forderte sie für sein Wirken beim VfB öffentlich ein (Ob das jetzt für oder gegen Khedira bzw. Ballack spricht ist dabei völlig nebensächlich.).

Zum Führungsspieler wurde Ballack auch, weil er regelmäßig wichtige Tore in der Nationalelf und im Verein schoss. Khedira hat auch schon einige Tore gemacht - darunter auch extrem wichtige (das Tor zur letzten Meisterschaft des VfB). Dennoch ist er weit davon entfernt, ähnlich torgefährlich zu sein wie Ballack, der zu Recht als einer der torgefährlichsten Mittelfeldspieler Europas gilt/galt. Mittlerweile hat sich das Fußballspiel verändert, besonders das von Michael Ballack und darum findet er aufgrund seiner defensiveren Position seltener den Weg in den Strafraum. Aber auch im Kopfballspiel sticht er Khedira noch aus.

Mit Ze Roberto bei Bayer und Bayern, sowie Lampard bei Chelsea hatte und hat Ballack zumeist einen kreativeren Mitspieler an seiner Seite. Seine sachliche und fast fehlerfreie Art wäre wahrscheinlich ein Genuss für Luis v. Gaal, doch war sie auch immer DER Grund für Kritik an unserem Capitano in der Nationalmannschaft.

Nicht umsonst wurde ein Özil nach seinem Debüt auf bekannte Weise gehyped, sodass Medien ihn schon Steilpässe auf Messi im Trikot des FC Barcelona spielen sahen.

Hier hat Khedira eindeutig mehr Potential. Zwar ist sein Wirken nicht so konstant, doch glänzt er – wenn richtig fit - beim VfB mit exzellenter Übersicht und klugen Bällen in der Spieleröffnung. Die überragende Rückrunde des VfB ist mit Sicherheit auch ein Beleg für seine Klasse.

Stellt sich nun also die Systemfrage. Ob klassisch im 4-4-2 mit flacher 4 oder dem 4-2-3-1, beide Varianten sind mit der Doppelsechs Schweinsteiger/Khedira möglich.

Ein Müller, der mit Schweinsteiger zusammen gut ‚funktioniert‘ und Gomez, den unter anderem Khediras Anspiele im letzten Jahr zu Bayerns Objekt der Begierde machte könnten zentral eine starke Achse bilden.

Als ausgewiesener Fan des werderanischen Offensivfußballs, würde ich mir im 4-2-3-1 auf den Außen natürlich Özil und Marin wünschen. Mit Kroos und eventuell Trochowski, vielleicht sogar Podolski hat man im Mittelfeld dann noch Alternativen, die 2006 eher rar gesät waren.

Im 4-4-2 könnten anstatt Müller und Gomez auch das 2006er Sturmpaar agieren, das zumindest in der Nationalmannschaft regelmäßig trifft.

Ein 4-4-2 mit Raute oder ein 4-1-2-3 mit jeweils einem 6er wird es meiner Meinung nach nicht geben. Bei der Offensivkraft, die der Kader hergibt zwar denk- und praktizierbar, aber aufgrund der Wichtigkeit des Resultats jedes Spiels – sowohl in der Vor- als auch in der KO-Runde – zu risikoreich.

Fußballerisch und taktisch bleibt also festzustellen, dass es mit dem Kader möglich ist, vielleicht sogar möglich sein muss, den Ausfall von Michael Ballack zu kompensieren. Mit Spielern wie Lahm, Mertesacker, Schweinsteiger und Klose sollte auch in der Hierarchie die nötige Stabilität hergestellt werden können. Auch die jungen Spieler können sich mit guten Leistungen im Mannschaftsgebilde etablieren und in der von Löw präferierten flachen Hierarchie die Richtung vorgeben.

Für den Menschen Michael Ballack tut es mir sehr leid. Seine gelbe Karte im Halbfinale der WM 2002 war schon sehr bitter, aber sein letztes großes Turnier – denn ich gehe nicht davon aus, dass er als unangefochtener Kapitän die WM 2012 spielen wird – auf diese Weise zu verpassen ist bei seiner Vita das i-Tüpfelchen.

Wie immer in dieser Gruppe geht es in diesem Blog nur um meine Sicht der Dinge. Ich freue mich auf Eure Einschätzungen.