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1. FC Nürnberg | Clubfans@Spox


Gründer: Schoolner | Mitglieder: 75 | Beiträge: 13
05.09.2011 um 12:44 Uhr
Geschrieben von Zielpublikum
Tom meets Zizou /Spoiler-Warnung
Wer die Gelegenheit haben sollte, den Film »Tom meets Zizou – Kein Sommermärchen« anzusehen, sollte das tun. Ein Film, der wohl eher als Langzeit-Dokumentation denn als Kino-Spektakel zu beschreiben ist. Acht Jahre lang hat Aljoscha Pause das damals aufstrebende Fußball-Talent namens Thomas Broich (damals Wacker Burghausen) begleitet und nun einen Film daraus gemacht. Dass Aljoscha Pause ein gutes Näschen für eine gute Story gehabt haben muss, sei mal neidlos anerkannt. Denn die Geschichte von Thomas Broich, der gerade einmal knapp 30 Jahre alt ist, sollte unbedingt erzählt werden – und das sollte man gerade einmal mitten in einer Diskussion um das autobiographische Werk "Der feine Unterschied" von Philipp Lahm betonen, wo man ja in der öffentlichen Diskussion in Frage stellt, ob ein noch aktiver Fußballer schon einen Rückblick auf sein Lebenswerk wagen sollte. Aber vielleicht gibt es ja doch einen "großen" Unterschied, denn Thomas Broich kickt zwar auch noch (und das sehr erfolgreich) als Profi in Australien bei den Brisbane Roar, hat aber mit dem Profi-Fußball, wie man ihn aus der Bundesliga kennt, längst abgeschlossen. Und genau um diesen Prozess zu verstehen lohnt es diesen Film zu sehen, auch wenn 141 Minuten eine Herausforderung sind.

Thomas Broich? Da war doch was, denkt der Clubfan, und wird vielleicht seine Erinnerungen unter den Spielern suchen, die wie so viele beim Club als "gescheiterte" Ex-Stars anheuerten und die (wie fast erwartet) die verbliebene Rest-Hoffnung auf den zweiten (oder dritten) Frühling nicht erfüllten. Und das wäre es dann im Prinzip auch gewesen, für die Annalen. Broich kam nach dem Wiederaufstieg 2009 auf Ruf seines einstigen Förderers Michael Oenning zum Club und sollte die vakante Rolle des Spielmachers mimen, doch er scheiterte wie Oenning an der Aufgabe und beide waren schon in der nächsten Saison Geschichte. Die positiven Geschichten schrieben dann andere – Dieter Hecking z.B., der die Saison doch noch rettete und bis heute erfolgreich beim Club arbeitet. Doch mit »Tom meets Zizou« wird dieses Jahr dann rückblickend doch noch einmal in ein anderes Licht getaucht. Denn diese Phase nimmt im letzten Viertel des Films noch einmal eine tragende Rolle in Broichs Leben ein – es war dieser "eine Nackenschlag zu viel" und gerade vielleicht deshalb ist der Film auch gerade etwas für den Clubfan.

"Ich mag es nicht, wenn man sagt, ich hätte alles anders gemacht. Extrem viel ist extrem Scheisse gelaufen. Aber wenn ich mir hätte ein Leben aussuchen können, dann hätte es auch dieses sein können." so beginnt der Film mit einer Aussage von Broich und wird dessen Leitmotiv. Broich klagt nicht an, nicht einmal sich selbst, er ist nur einfach ehrlich und "diese Ehrlichkeit ist die größte Qualität des Films" (11Freunde). Auch wenn so mancher Trainer und Wegbegleiter nicht gut wegkommt, so kommt doch nie das Gefühl auf, man mache denjenigen dafür verantwortlich.

Als Broich zum Club kommt, ist er bei Köln gescheitert – an sich selbst, an Daum, an den Erwartungen. Ohne Perspektive aus dem Vertrag entlassen, keine Lust auf ein Angebot von St. Pauli in der 2.Liga denkt Broich ernsthaft ans Aufhören. Der FCN-Trainer Oenning, der Broich schon aus Zeiten in Gladbach kennt und mit dem ihn eine gewisse Freundschaft verbindet, redet ihm gut zu es noch mal zu versuchen. Broich erinnert sich an sein Versprechen an ihn "Wenn du mal Bundesliga-Trainer bist, komme ich zu Fuss gelaufen" und "versuchte sich an dieses Gefühl zu erinnern", als er das damals sagte und wo ihm die Fußballwelt zu Füßen lag, und fand auch wieder den Glauben daran. Oenning wollte nichts anderes als ihm zu helfen "den Spass am Fussball wieder[zu]finden" damit er "dann mit seiner Erfahrung für die Jungen eine Stütze" wird. Oenning war guten Mutes: "Er hatte keine Lust mehr. Es war ja nicht so, dass er kein guter Fußballer mehr wäre, er hatte nur keine Einstellung mehr und ich dachte, dass ich das hinbekomme." Eine Freundschaft sollte die Basis sein für Bundesliga-Fußball – die Mission scheiterte. Nach einer Verletzung verkrachten sich beide, danach wollte Broich endgültig nicht mehr. Oenning im Film dazu: 'Er sei enttäuscht gewesen, aber mehr von sich selbst, dass er es einfach nicht geschafft hatte.'

Es war für alle Seiten eine große Chance, man konnte sie nur einfach nicht nutzen. Am Tiefpunkt im Dezember 2009 wollte auch Broichs Körper einfach nicht mehr. Oder doch eher: Der Kopf sagte Nein. Unter Hecking fasste Broich dann den Entschluss seinen Vertrag zu erfüllen und danach seinen Traum vom Ausland wahr werden zu lassen. Sein persönliches Happy End fand er dann in Brisbane, aber das soll der Film erzählen.

Der Film ist keine Abrechnung mit dem Profi-Fußball oder der Bundesliga, was viele gern boulevardesk daraus machen wollten. Broich selbstkritisch zieht Bilanz, dass er immer selbst genug Gründe fand, warum er scheiterte. Meist machte er einen Trainer verantwortlich, in Nürnberg war es dann die Spieler-"Haus-Mafia", an der er fühlte nicht vorbei zu kommen. Aber mit etwas Abstand wusste Broich dann selbst: Auch wenn sowas durchaus alles eine Rolle spielt, so muss er sich doch einfach eingestehen: "Ich hatte nicht mehr den Biss, ich war nicht mehr gut genug und es wurde Zeit, dass ich abhau."

Wer Fußball verstehen will, gerade wenn man etwas anders denkt als der Mainstream-Fußballer, wird diesen Film sicher inhalieren. Zu verstehen, wie es ist, wenn man gerade noch als Shooting-Star von damals zählte und dann zurückblickt und sich denkt, dass das ein anderer Mensch gewesen sein muss, weil doch alles so nahe war, und doch nun so fern. Oenning beschrieb Broich daher als klassischen "tragischen Held – Man strebt und man scheitert, aber Broich scheitert gern" Dazu Broich: "Ein sehr intelligenter Mensch (Oenning), der sagt nichts Dummes. Und es stimmt, es ist ein psychologischer Mechanismus, der da greift."

Mit Deisler gingen psychische Probleme im Fußball wie eine Schockwelle durch Deutschland, der Freitod Enkes versetzte dann so manchen endgültig in Schockzustand. Beide Schicksale waren aber vielleicht zu extrem, um wirklich verstanden werden zu können. Dem Film und der Geschichte von Broich fehlt aber das Extreme – und das macht ihn so authentisch. Er erzählt von Hoffnungen und Scheitern, von Mechanismen und den Regeln einer Branche, in der man entweder überlebt oder untergeht. Ein Film, der vielleicht auch die Fans besser verstehen lässt und sie sensibilisiert, dass da auf dem Platz keine beliebig an- uns ausschaltbaren Maschinen stehen, sondern Menschen, die mit allem auch klar kommen müssen – auch mit den Fans.




Aufrufe: 2880 | Kommentare: 5 | Bewertungen: 9 | Erstellt:05.09.2011
ø 10.0
KOMMENTARE
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simon_says
08.09.2011 | 15:59 Uhr
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simon_says : 
08.09.2011 | 15:59 Uhr
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simon_says : 
kenne den film, sollte man sich aber mal anschauen, wenn man es noch nicht getan hat. sehr guter blog, 10 punkte!
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Gotti1963
08.09.2011 | 09:41 Uhr
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Gotti1963 : 
08.09.2011 | 09:41 Uhr
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Gotti1963 : 
Tolles blog, besonders der letzte Absatz, ist ganz großes Tennis!
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E_Cantona
08.09.2011 | 02:19 Uhr
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E_Cantona : 
08.09.2011 | 02:19 Uhr
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E_Cantona : 
Tolles Blog 10 Punkte von mir ...

ich muss sagen dass ich den Film gesehen habe und geliebt auch wenn der FC (vielleicht Gott sei Dank in Bezug auf Broich) sehr kurz kommt.

Ganz grosses Kino auch wenn er bei 3/4 einen kleinen Hänger hat und dadurch etwas langatmig wird. Aber die Schlußsequenz entschädigt dann wieder.

Zusammen mit der Musik von Voltaire schon ein Film dem man das Prädikat "Pflichtprogramm" für einen Fussballinteressierten anhängen muss!
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AceOfSpades
08.09.2011 | 01:51 Uhr
2
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08.09.2011 | 01:51 Uhr
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Kann mich El_Diabolo nur anschließen.

Einer der Filme, die ich mit Sicherheit in Ruhe alleine anschauen werde.
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