Deutschland, echt jetzt? Viele Stimmen sind schon laut geworden über den Skandal von Berlin. Über das Gauchogate 2014. Und ebensoviele Verschwörungstheorethiker haben sich kundgetan. Darüber, dass das alles so kommen musste: die Spieler hätten sich extra zurückhalten müssen, und dann sei es bei der Siegesfeier aus ihnen herausgebrochen. Dass sie einfach vom Feiern so fertig und betrunken gewesen wären, dass sie das Ausmaß (!) nicht abgesehen haben. Und und und.

An dieser Stelle muss man sagen: des Pudels Kern liegt woanders begraben. Meiner Ansicht nach an zwei Punkten. Erster Punkt: Dem Stilbruch. Eine Mannschaft, die gerade erst wieder zu internationalem Ansehen gekommen war.. eine Mannschaft, die selbst nach Kantersiegen gegen Brasilien eine Bescheidenheit in bestem Sportsmanngeist an den Tag legte..eine solche Mannschaft wurde auf einmal "enttarnt".

Sie zeige eine "hässliche Fratze". Viele der Berichterstatter schossen dabei über das Ziel heraus. Das Gegenargument der argentinischen Fans, die eine Wirbelsäule aus Plastik in den Himmel reckten, als Neymar sich eine Wirbelsäulenverletzung zuzog, ist vielleicht ganz passend. Wie hätte man reagiert, wenn im Falle eines Argentinien-Sieges im Finale sich die Spieler der Albiceleste über die deutsche Mannschaft lustig gemacht hätte? Wahrscheinlich hätten sich die Argentinier wenig darum gekümmert.

Nur der besagte Bruch der deutschen Nationalmannschaft, von der bescheidenen Truppe zur Tanztruppe stieß bei einigen übel auf. Der zweite Punkt ist die Örtlichkeit. Ob diese unsportliche Gesangseinlage wohl für ein vergleichbares Echo gesorgt hätte, wenn Schweini, Miro und Co sie in einem Club aufgeführt hätten? Bestimmt nicht. Aber wenn man das Ganze auf einer Fanmeile, vor ca. einer halben Million Menschen aufführt, dann fällt es vielleicht dem einen oder anderen auch auf. Aber da diese Menschen Profifussballer sind, sollten sie sich dessen bewusst sein. Dass die Medien auch gerne so etwas als Aufhänger nehmen, um etwas größer darzustellen, als es vielleicht jemals war. Und weil natürlich die Angst hochkommt, dass frisch gewonnene Sympathien direkt wieder verloren werden. Aber ist dem so?

Ein Blick in die Gazetten zeigt, dass das alles längst nicht so dramatisch ist, wie vielleicht angenommen. Die New York Times beispielsweise widmet dem Empfang des Teams eine knapp dreiseitigen Artikel auf der Internetseite. Davon beschäftigen sich vier Zeilen mit dem "Skandal". In diesem Vierzeiler wird gesagt: "Sie haben die Argentinier verulkt." Ende Gelände. Die Marca widmet dem Vorfall einen eigenen Artikel. Mit der Überschrift "Deutschland feiert auf Kosten Argentiniens". Klingt nicht nett. Allerdings ist bei dem Artikel interessant, dass vielmehr darauf eingegangen wird, dass das Ganze negatives Feedback in der deutschen Presselandschaft hervorgerufen hat. Das scheint der Marca wichtiger zu sein.

In anderen Ländern wie Frankreich (L´Equipe, Le Monde) findet das Ereignis noch nichtmal Erwähnung in einem Artikel. Vielleicht, aber auch nur vielleicht muss man die Selbstgeiselung auch mal abstellen. Die Spieler haben sich unsportlich verhalten. Punkt. Aber muss man wirklich mehr draus machen? Vielleicht beim anstehenden Freundschaftsspieler eine Huldigung oder Gedenkminuten für den argentinischen Verband? Deutschland..echt jetzt?