Viermaliger Weltmeister steht hinten an.
Die Formel 1 2014 ist nun aus der Sommerpause zurück und verabschiedet sich kommendes Wochenende mit dem Großen Preis von Italien aus Europa. Sie bricht auf in östlichere Gefilde, in jene wo ein gewisser Herr Sebastian V. in den letzten 4 Jahren regelmäßig seine Titel einfuhr, festigte oder noch dem bist dato Führenden entriss.
Dieses Jahr, soviel ist sicher, wird es damit nichts werden. Dieses Jahr wird es höchstens darum gehen, den eigenen Teamkollegen noch einzufangen um einem punktemäßigen Desaster zu entgehen. Sportlich scheint alles schon ein Desaster zu sein. Aber ist das wirklich so?
Eine Analyse.
In den bisher vergangenen 12 Rennen beendete Vettel lediglich zwei Mal ein Rennen vor seinem Teamkollegen, in Malaysia als Ricciardo ausfiel und in Deutschland. Im Qualifying-Duell steht es aktuell 7:5 für den Australier, die Punktetabelle zeigt einen noch deutlicheren Vorsprung, dort steht es 156:98 für Ricciardo.
Zahlen die eigentlich für sich sprechen. Dennoch gibt es einige Hinweise darauf, dass es gar nicht so schlecht aussieht für Sebastian V.
Fangen wir beim banalsten an. Daniel Ricciardo ist ein verdammt guter Fahrer. Er galt lange bevor er zum Hauptteam Red Bull kam riesiges Talent und hat großartige Leistungen in Nachwuchsserien gezeigt. Die ersten Jahre in der Formel 1 galt es zu lernen. Mit dem Sprung ins A-Team hat er nun auch zum ersten Mal besseres Material und setzt dieses Perfekt um. Es ist also keine Schande auch mal gegen so jemanden ein Duell zu verlieren. Mal ist hier aber das Stichwort, den aktuell ist es die Regel.
Machen wir weiter. Vettel scheint mit den diesjährigen Autos auch von seiner Fahrweise her Probleme zu haben. Er ist in der Vergangenheit als Downforce-Spezialist bekannt geworden und konnte wie kein zweiter noch die gewissen Tausendstel Vettel-Vorteil auf der Bremse und beim Einlenken gut machen. Dieser Vorteil ist nun weg. Man macht ihm also den Vorwurf, er stelle sich nicht vernünftig auf die neuen Gegebenheiten ein. Das steht allerdings absolut im Widerspruch zu seiner bisherigen Karriere.
Erste Jahr Formel BMW: 5 Siege, Vize-Meister. Ein Jahr später überragende 18/20 Siegen, Titel. Formel 3, erste Jahr 5 Podestplätze, Ranglisten 5. Gleichzeitig beim Macau Grand Prix 3. hinter den erfahreneren Kubica und di Grassi. Folgejahr 4 Siege Formel 3 sowie ein Sieg in der Formel Renault. Danach Formel 1 Testfahrer bei BMW, erster Einsatz, jüngster Punkt-Gewinner. Von hier an soweit alles bekannt. Es zeigt sich also, an der Gabe sich auf neue Bedingungen einzustellen kann es nicht (allein) hapern.
Für jeden Spitzen-Rennfahrer gilt aber auch: Probieren geht über Studieren. Und da kommen wir zum ersten Knackpunkt. Ich habe mir die Mühe gemacht und alle Rennwochenenden dieser Saison zusammengefasst. Dabei ist Vettel im Vergleich zu Ricciardo wahnsinnige 250 Runden weniger gefahren als Ricciardo (1354 zu 1604 = +16% für RIC). In den Rennen sieht es sogar noch gravierender aus. Dort beendete Ricciardo insgesamt 735, Vettel hingegen nur 579 Runden. Das macht einen Unterschied von 22 %. Grade in einem Jahr, wo alles neu ist und viele Haltbarkeitsprobleme hinzukommen ist das eine verdammt hohe Zahl, die Vettel einfach fehlt. Zur Erinnerung, da RIC kein schlechter ist, kann sowas den Unterschied machen!
Ein weiterer Punkt sind die Defekte. Ricciardo hatte lediglich einen Ausfall in Malaysia, hier allerdings erst 7 Runden vor Schluss. Sonst fährt er seit Saisonbeginn mit dem gleichen, auf ihn perfekt abgestimmten Fahrzeug. Vettel hingegen hat weitaus mehr defekte, bereits die 6 Antriebseinheit und nun schon den zweiten Chassis-Wechsel. Zwar schien beim ersten kein Defekt vorzuliegen, ganz ausschließen will es aber keiner. Fakt jst jedoch: Ein Rennfahrer in dieser Kategorie hat sehr sehr sensible Empfindlichkeiten wenn es um sein Fahrzeug geht. Jemand der von der ersten Runde an zufrieden ist baut weitaus mehr Selbstsicherheit auf, als jemand der stetig neue Teile benötigt.
Hier gilt es zu Unterscheiden: Wechsel um etwas zu probieren, und Wechsel weil man dazu gezwungen wurde. Und abgesehen vom ersten Chassis-Wechsel wurde Vettel zu sehr vielen Wechseln im Material gezwungen, von welchen Ricciardo weitesgehend verschont blieb. Das in Verbindung mit der wesentlich geringeren Zeit zu testen kostet wertvolle Zehntel. Denn, die besten der Formel 1 sind die Besten in der Symbiose zwischen Fahrer und Auto. Und Strategie.
Stichwort Strategie & Glück.
Daniel Ricciardo hat mittlerweile 3 Rennsiege zu verzeichnen, Sebastian Vettel lediglich 3. Plätze. Weil Ricciardo einfach so viel schneller ist? Nein, in diesem Fall trifft genau dies nur auf den letzten Sieg, den Sieg in Spa zu.
Kanada: Sebastian Vettel hatte eigentlich beste Chancen auf einen Sieg, hätte sein Team ihn nicht zur völlig falschen Zeit in die Box geholt. So hatte der in dem Rennen wesentlich weiter hinten platzierte Ricciardo plötzlich die Chance aufgrund der besseren Strategie an Vettel heranzukommen und auch vorbei zu kommen.
Ungarn: Hier war es pures Glück seitens Ricciardo den Start dermaßen zu verhauen, dass er zum Zeitpunkt des Safty Cars noch in die Box huschen konnte. Im weiteren Rennverlauf hatte zudem Mercedes in Form von Rosberg Probleme zu Überholen und somit konnte Ricciardo auch diesen Sieg für sich verbuchen. Weil er Glück hatte und den Rest gut ausfuhr. Abgesehen vom unnötigen Dreher Vettels, hatte dieser sich nicht vorzuwerfen im Quali und im Rennen schneller als sein Teamkollege zu sein und dadurch nicht die Chance auf den Sieg hatte. Klingt komisch. Ist aber so.
Wenn alles nichts mehr hilft, dann hilft Regen. Heißt es doch immer. Und auch in der Analyse gibt Regen ein paar Rückschlüsse auf das wirkliche Kräfteverhältnis zwischen Vettel und Ricciardo.
Es gab bisher 4 Qualis im Regen: Malaysia, China, Silverstone und Spa. Mit Ausnahme von China, wo Vettel einen Fehler machte, startete er stets vor Ricciardo. In Spa, gelang dieses Kunstwerk sogar ohne eigenes Setup und quasi ohne Trainingszeit.
Und da bekanntlich im Regen gewisse technische Vorteile verwässert werden, gibt auch dies Aufschluss darüber, dass es für Vettel nicht so schlecht aussieht.
Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass auch sicher noch weitere Probleme bei Vettel vorliegen, die ich hier nicht mit Zahlen o.Ä. belegen kann. Wie genau ein Fahrer auf Setups reagiert, ob sein Chassis eventuell doch gebrochen war oder ob andere Teile defekt sind kann man nicht sagen. Was man aber festhalten kann ist, dass sein Auto dieses Jahr den Defektteufel gefressen hat, was wie oben bereits beschrieben, zu den teilweise enormen Unterschieden zwischen ihm und Ricciardo führt. Die dadurch fehlende Testzeit und teilweise unverständliche Strategien des Teams tragen dazu bei.
Vettel selbst hat aber auch sicherlich nicht seine beste Hinrunde gezeigt, natürlich hat auch er einige Fehler gemacht, gar keine Frage.
Es geht aber viel mehr darum:
Vettel wird nicht von Ricciardo demontiert, dominiert. Und es droht auch keine Wachablösung auf lange Sicht. Es ist aktuell einfach kein fairer Vergleich möglich. Nur eins ist sicher: So schlecht wie die Statistik Vettel aktuell darstellt, so schlecht ist er in dieser Saison nicht.
Und wer weiß, vielleicht finden er und Suzie in den asiatischen Gefilden wieder zueinander.