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15.08.2011 um 08:39 Uhr
Versagen - Profis & Moral
Von Profis und ihrem (Arbeits)kampf

Sie schöpfen nach Luft, Schweiß rinnt über ihr Gesicht, die Massen schauen zu ihnen hinauf. Es ist wie im Spiel, doch hier liegt kein Rasen, die Stimmung ist anders. Vor ihnen die Journalisten, neben ihnen die Vereinsoffiziellen. Im Rahmen einer Pressekonferenz geht es um die Zukunft eines Vereins, seines Starspielers und die große Lücke, die hinter ihm zu klaffen droht. Willkommen in der kleinen Welt der untreuen und egoistischen Vollblutsportler und Vertragsvernichter.

Schrei nach Freiheit
Was sich in den letzten beiden Jahren um Cesc Fàbregas und seine Wechselgebärden zu seinem Heim- und Hofverein FC Barcelona abspielte, gipfelte nicht selten in verbalen Ausfällen, gefüllt von Häme und einer faden Illusion von Freiheit, und Gesten des Spotts. Nun hat er sein Ziel erreicht, Millionen Anhänger des spanischen Topvereins werden sich in Jubelstürmen der Freude hingeben, der verlorene Sohn kehrt heim. Doch es hallt schrill durch das Medientheater, denn die vergangenen Wochen waren nicht mehr als die Entmachtung seines Ex-Vereins, er selbst diktierte die Kündigung in einer traurigen Art und Weise mit kurzen Statements quasi im Alleingang. Cesc verhielt sich stur und naiv, sah nur einen blau-karminroten Schweif am Horizont. Die Offiziellen des FC Barcelona machten sich nicht minder lächerlich, mit wahnwitzig unangemessenen Angeboten und fragwürdigen Forderungen an den Arbeitgeber aus London wurde hier ein mieses Spiel getrieben. Arsène Wenger alterte in dieser Zeit wohl mehr als im verlorenen Champions League-Finale 2006. Es zeigte auf, wie viel Profisportler und Vereine auf Fairness und gültige Arbeitsverträge geben. Nur selten wird dieser Kampf so offen und unverhohlen ausgetragen. Der Gipfel der Frechheit fand am Freitag seinen Weg in die Informationsmaschinerie. Mit leeren Händen wandte sich Wenger der eingeräumten Pressekonferenz ab und wenig später hallte es durch die Gazetten. Fàbregas hatte diesen Arbeitskampf gewonnen, das mit Mitteln, die keinesfalls der Nachahmung dienen. Der Spieler verzichtete gütiger Weise auf eine Abfindung, die in dem Fall auch mehr als eine Farce gewesen wäre. Nichtsdestotrotz wurde ein Bild aufgezeichnet, das den Spieler als Mitfinanzier des Transfers zu inszenieren versuchte. Gütig und zum Verzicht bereit, so sollte der Weltklassespieler erscheinen. Ein Dilemma für den Sport und ein Gewinn für die Heuschrecken.

C.R.E.A.M. - Cash Rules Everything Around Me
Wie oft stürzte man sich in den vergangenen Jahren auf Manchester City, Chelsea FC oder die jüngsten Vereinsneuschöpfungen aus Frankreich, Spanien oder England, um mit dem erhobenen Zeigefinger gegen diese durch die Macht des Geldes erstarkten Vereine zu wettern. Es gab Nichts und Niemanden, den sich diese Vereinsfonds nicht einverleiben wollten. Auch in diesem Sommer beherrschen sie fast im Alleingang das Transferfenster, entreißen anderen Vereinen ihre Starspieler, die über Jahre in großer Mühe aufgebaut und geformt wurden. Ein ungleiches Spiel, das so oft nachvollziehbar ist, aber so selten gerecht erscheint. Leistungen wecken Begehrlichkeiten, große Klasse bietet die Möglichkeit der noch größeren Kasse und damit ist es unvermeidbar, dass die Nahrungskette auch in den Fußballoberhäusern dieser Welt Einzug hält. Vermutlich würde jeder Verein mit solch großen Möglichkeiten ähnlich agieren, doch häufig sind nur die Vereine von einer Übernahme bedroht, die ihren Glanz oder ihre Wirtschaftlichkeit vor langer Zeit verloren, damit quasi noch für offensichtliches Missmanagement belohnt werden. Die Fans wird es freuen, wenn plötzlich Weltklassespieler beim letztjährigen Kellerkind (akt.: FC Málaga) der spanischen Liga auflaufen, doch die Gerechtigkeit geht mehr und mehr verloren. Es ist ein ungleicher Kampf um internationale Plätze, Prestige und interessante Jugendspieler. Und da schließt sich der Kreis zu dem eingangs erwähnten Fàbregas-Deal, denn dieser wirkt sich auf den Nachwuchs aus. Dieses Verhalten wird mehr und mehr salonfähig. Schon bald könnte es zum Establishment gehören, sich über den aktuellen Verein auszulassen und naiv durch die Gegend zu jaulen. Wenn nicht eine weitere Null auf dem Vertrag auftaucht, fliegt der scheue Vogel davon. Es geht dabei natürlich ausschließlich um Titelaussichten, dafür spielt man schließlich Fußball. Na gut, und für die große Kasse.

Aus Liebe zum Maximum
Fast unwirklich wirkt dagegen Marco Reus, der entgegen aller guten Angebote und Möglichkeiten den harten Weg wählt. Er hat Gladbach die Treue erklärt, etwas was heute immer seltener von hoch talentierten Spielern zu hören ist. Die Elite kann sich solch Äußerungen leisten, sie kicken in ihrer eigenen Liga und verdienen nicht selten allein mehr als mittelmäßige Teams der Liga, aber von Spielern auf dem Sprung hört man solch Statements häufig nur noch mit einem alles entscheidenden Nebensatz: "...aber im Fußball kann alles ganz schnell gehen."

Kann es das? Und wie. Doch das liegt nicht selten an einer Mentalität, die keinen Stillstand, keine Niederlage und keine lehrreiche Station erlaubt. Auf dem Papier muss es stetig rapide bergauf gehen, es geht nur um Siege, Millionen und die ganz große Gala. An diesem Spiel können nicht alle teilnehmen, dazu braucht es die außerordentliche Klasse und Perspektive, die nur wenige haben, aber eben zu oft jene, die immer weniger Identifikation und Leidenschaft zulassen. Man vermisst die Aufopferung und Hingabe. Das Leuchten in ihren Augen ist zu schnell nur noch mit einem neuen Trikot in den Händen möglich. Was so ein Handschlag vor einigen Fotografen auslösen kann, ist fast schauriger als der nächste Transferhammer im höheren zweistelligen Millionenbereich. Es ist allerdings auch müßig darüber zu diskutieren, denn die Medaille hat hierbei auch zwei Seiten. Sportliche Perspektive hängt unweigerlich mit finanzieller Attraktivität zusammen, so wird es den Profis jedenfalls verkauft. Zu schade, dass es oft so schnell geht und keine Zeit für romantische Werte wie Treue, Leidenschaft oder im besten Fall Liebe zu dem Verein und Fans bleibt. So ist das Spiel.

Top 5 – Moralversager 2011
Die nachfolgende Auflistung ist nach bestem Gewissen und Bauchgefühl erstellt worden, zu sehr beherrschte ein Thema diesen Sommer. Bitte nicht übelnehmen, aber so sieht die Top 5 mMn aus:

Platz 5: Arturo Vidal und die Mär von der Zusage und dem einjährigen Schlaf im Rheinland
Platz 4: Samir Nasri und der Hals voll Geld
Platz 3: Carlos Tevez und sein Heimweh nach Argentinien, Italien und Spanien
Platz 2: Verhalten der Fans des Atlético Madrids und deren persönlicher Aguero-Skandal (Link)
Platz 1: Causa Fàbregas – Happy End FC Barcelona (aufgrund der möglichen Nachahmer)


In diesem Sinne,

tobzzzzn
Aufrufe: 18120 | Kommentare: 47 | Bewertungen: 36 | Erstellt:15.08.2011
ø 8.0
KOMMENTARE
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tobzzzzn
15.08.2011 | 08:42 Uhr
3
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tobzzzzn : 
15.08.2011 | 08:42 Uhr
-2
tobzzzzn : 
Moije spox-Community,
über eine rege Diskussion würde ich mich freuen. Wenn ihr die Geschichte um Fabregas und den FC Barcelona anders erlebt habt, tut eurem möglichen Unmut kund.
Toll wäre es, wenn ihr eure Top 3 der Moralversager aus 2011 aufführen könntet.

Vielen Dank fürs Lesen!

Schöne Grüße

tobz
3
GNetzer
15.08.2011 | 08:50 Uhr
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GNetzer : 
15.08.2011 | 08:50 Uhr
0
GNetzer : 
Starker Text! Bin schon sehr gespannt auf die Diskussion dazu.
0
rmforever
15.08.2011 | 13:48 Uhr
6
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rmforever : 
15.08.2011 | 13:48 Uhr
-2
rmforever : 
Was ich bei Fabregas nie vertanden habe: Warum verlängert der Kerl mehrfach seinen Vertrag, wenn er doch schon plant nach Barcelona zurückzukehren???...

6
ThierryHenry
15.08.2011 | 14:00 Uhr
3
-1
15.08.2011 | 14:00 Uhr
-1
Dein Blog spricht mir aus der Seele.
Seit Sonntag blutet mir als Gunners Fan das Herz
Ich hatte insgeheim gehofft, dass Cesc doch bleibt und Arsenal wenigstens einen Titel (FA-Cup oder sogar Meisterschaft, vielleicht Champions League) bescheren kann.
Doch nun ist es vorbei und er zieht leider jetzt schon zu Barca. Ich kann Fabregas verstehen, irgendwann musste er ja zurück, wenn man es mal logisch betrachtet. Ich hatte nur gehofft, es wäre mehr Zeit gewesen.
3
Red_7
15.08.2011 | 16:40 Uhr
4
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Red_7 : rmforever
15.08.2011 | 16:40 Uhr
0
Red_7 : rmforever
Mehr Gehalt? Würde ich jetzt einfach mal so in den Raum werfen. Völlig wertneutral...
4
skrtel37
15.08.2011 | 16:58 Uhr
4
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skrtel37 : 
15.08.2011 | 16:58 Uhr
-1
skrtel37 : 
Ganz starker Blog tobzzzzn, ich finds traurig was der Fußball für einen Wandel in den letzen Jahren durchgemacht hat.

1. Anmerkung hab ich allerdings.
"Die Fans wird es freuen, wenn plötzlich Weltklassespieler beim letztjährigen Kellerkind (akt.: FC Málaga) der spanischen Liga auflaufen"

Als ob Joaquin, Toulalan oder Mathijsen Weltklasse Spieler wären. Malaga verstärkt sich, anderst wie Man. City oder PSG, punktuell, auch wenns mit ehemaligen Stars und ewigen Talenten geht. Außerdem haben viele unterschlagen dass Malaga auch Jugenspieler verpflichtet hat...
4
TheStretford_End
15.08.2011 | 18:01 Uhr
8
-6
15.08.2011 | 18:01 Uhr
-6
Ist natürlich nur Zufall, dass die Top 5 der Moralversager (fast) alle Südländer sind ...
8
schalker_fan
15.08.2011 | 18:07 Uhr
2
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15.08.2011 | 18:07 Uhr
0
der text ist stark, keine frage!!
ch gebe dir in vielen punkten recht!! die moral der spieler um die einhaltung der verträge wird mit den jahren nicht unbedingt besser und die dollar-zeichen in den augen nicht zwingend kleiner!!

allerdings finde ich das du die causa fabregas etwas zu negativ bewertest! ich habe das geschehen die ganzen jahre eher im hintergrund nur über deutsche medien verfolgt! und mir kam es so vor als wäre er einer von vielen und nicht der vorzeige-söldner!! du sprichst in deinem text z. B. von liebe zum verein...: die empfindet fabregas auch! allerdings für den fc barcelona und nicht für arsenal! und da er ja sozusagen der verlorene sohn der katalanen ist war klar das er iwann zurückkehrt! trotzdem hat er weiter für arsenal gespielt und nicht gestreikt oder ähnliches!

und ich finde es auch nicht schlimm das er die ablöse zu teilen aus eigener tasche bezahlt hat!jeder weiß das er nur zu barcelona wollte und dafür hat er wahrscheinlich sogar sozusagen sein ertes jahresgehalt von barca geopfert!
2
JokeAndy
15.08.2011 | 18:32 Uhr
5
-1
JokeAndy : 
15.08.2011 | 18:32 Uhr
-1
JokeAndy : 
Was ist an dem Fabregas Wechsel moralisch so schlimm?
Er ist zu seinem Jugendverein zurück. Er hat dann für Barca, Arsenal und jetzt wieder Barca gespielt.
Warum taucht kein Ibrahimovic oder Robinho in deiner Liste auf. Tevez der bei sovielen Vereinen gespielt nur auf Platz 3?
Fabregas ist nicht naiv sondern will einfach wieder Titel gewinnen und zahlt noch Teil seiner Ablöse. Gerade das finde ich moralisch nicht verwerflich.
5
Bayer04Grieche
15.08.2011 | 18:45 Uhr
3
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Bayer04Grieche : Sehr gut!
15.08.2011 | 18:45 Uhr
0
Bayer04Grieche : Sehr gut!
Ganz starker Blog!

Du hast ganz genau auf den Punkt gebracht, was das Fußball-Geschäft heutzutage ist, unabhängig von den Top 5, die du hier gelistet hast:

Ein dreckiges und mittlerweile beinahe ekelerregendes Geldgschäft!

P.S.: Hut ab vor dem Profi in Spanien, der wegen dieser Entwicklung seine Karriere beendet hat! Da gehört schon viel Charakterstärke dazu!
3
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