Ich möchte diese Zeilen mit einem Mann beginnen, von dem ich bekanntermaßen kein großer Fan bin. Und das wird sich auch nie ändern. Die Rede ist von Mesut Özil. Während alle Welt - allen voran englische Medien - in Mesut Özil einen absoluten Weltklasse-Spieler sehen, den Star der Premier League, ein Fußball-Genie, so ist und bleibt er für mich nach wie vor nur eins: nichts besonderes.
Mit Sicherheit ist meine Kritik an ihm, die ich mich nicht scheue an einem Fußballabend mit Freunden oder auch in den Spox-Kommentaren kundzutun, an vielen Stellen überzogen. Auch wenn er ab und an lethargisch und lustlos über den Platz schleicht, seine Zweikampfquote nur deshalb 100% aufweist, weil er eben solche gar nicht erst führt, und seine Abschlüsse ungefährlicher sind als Philipp Lahm im Fünfmeterraum, so kommt sein Erfolg mit Sicherheit nicht von ungefähr. Mesut Özil ist ohne Frage ein sehr guter Fußballer. Aber mehr auch nicht. Für mich bleibt er ein Mitläufer, der seinen Teil zum Erfolg beiträgt. Aber das große Genie kann ich in ihm einfach nicht sehen.
Nun hatte ich über die Feiertage viel Zeit. Die Bundesliga ist in der Winterpause, man sitzt Zuhause im warmen Wohnzimmer... warum also nicht ein wenig Premier League schauen? Soll ja bekanntlich die beste Liga der Welt sein!
Ich kam also in den letzten Tagen des Öfteren in den Genuss, mir den englischen Fußball in seiner reinsten Form anzuschauen. Boxing Day, 3 Spieltage in einer Woche, einfach toll. Dachte ich zumindest. Doch was ich sah, ließ meine Fußballer-Seele bluten. Am Ende bleibt nur der Wunsch, dieses grausame Gebolze nie wieder sehen zu müssen und die Frage, wie man für so einen Scheiß so viel Geld bezahlen kann.
Mal ehrlich: Macht es euch Spaß zu sehen, wie technisch hochverlangte Fußballer von kahlrasierten, muskelbepackten 2-Meter-Schränken umgerannt werden, sodass jeder Rugby-Coach stolz wäre, ohne dass ein Schiedsrichter mal auf die Idee käme, einen Freistoß zu pfeifen?
Macht es euch Spaß zu sehen, wie Bälle über den ganzen Platz geprügelt werden, in der Hoffnung, dass der 50 Millionen Euro Mann da vorne die komplette Abwehr des Gegners im Alleingang ausspielt und somit seine völlig überzogene Ablösesumme rechtfertigt?
Macht es euch Spaß zu sehen, wie Verteidiger im Aufbauspiel ob ihrer technischen Limitiertheit kläglich versagen und so Großchancen für den Gegner am Fließband produzieren?
Es macht den Anschein, als würden englische Mannschaften nach folgendem Prinzip zusammengestellt:
In der Innenverteidigung einen Glatzkopf, der jeden - wirklich jeden - Ball versucht mit dem Kopf zu klären und dabei massiven Gebrauch von Ellbogen und weder halt vor Gegnern noch Mitspielern macht.
Im defensiven Mittelfeld einen Superathleten mit Pferdelunge, der die Gegner in Grund und Boden rennt und jeden Angriff mit einem geschickten Bodycheck unterbindet. Alternativ dazu tut es aber auch der Holzfäller vom Dienst, der den Gegnern solange auf die Füße tritt, bis diese vom Platz humpeln oder das Fußballspielen einstellen.
Im offensiven Mittelfeld: technisch starke Spieler. Die werden schon irgendwie was tolles machen.
Auf den Außen: egal, Hauptsache schnell.
Im Sturmzentrum: Das Äquivalent zum Innenverteidiger. Muss in der Lage sein, notfalls drei Gegenspieler wegschieben zu können. Hauptaufgabe: Lange Bälle pflücken. Technische Anforderungen: keine.
Der Rest wird aufgefüllt mit Spielern, die für die Tugenden "Kampf", "Einsatz" und "Wille" stehen und ansonsten auch als Türsteher in einer Discothek arbeiten könnten.
Und ich höre die Premier League Fans schon jammern. "Ja aber wir haben die besten Einzelspieler", "Ja aber die Liga ist so spannend, jeder kann jeden schlagen", "Ja aber du bist doch nur neidisch".
1.) Warum habt ihr denn die besten Einzelspieler? Weil ihr das meiste Geld habt! Mehr nicht. Ihr bildet sie nicht selber aus, ihr macht die Spieler nicht zu Stars. Ihr kauft sie ein, wenn sie sich einen Namen gemacht haben. Und wisst ihr was? Genau dieses Denken ist das größte Problem! Ein paar tolle Kicker machen noch keine erfolgreiche Mannschaft. Ich kann mir auch einen Messi kaufen, den vorne hinstellen und sagen "mach mal!". Dann wird der einige Tore schießen, weil er eben der beste ist. Aber das heißt nicht, dass meine Mannschaft guten Fußball spielt! Doch in der Premier League wird individuelle Klasse eben sehr groß, mannschaftstaktisches Verhalten eben sehr klein geschrieben. Und so dürfen wir uns weiterhin anschauen, wie in England die Spieler reihenweise versuchen, im Alleingang durch die komplette gegnerische Abwehr zu laufen. Yey!
2.) Warum ist eure Liga denn so spannend? Warum kann jeder jeden schlagen? Weil euer Spiel zu 70% aus Zufall und zu 30% aus individueller Klasse besteht. Wenn ich jeden Ball lang nach vorne pöhle, kommt halt irgendwann mal einer durch. Wenn ich jeden Ball aufs Tor dresche, sobald ich mich 25 Meter vor dem Tor befinde, na dann geht halt mal ein Sonntagsschuss in den Winkel. Wenn ich den direkten Zweikampf und Solo-Dribblings einem sicheren Pass- und einem zielführenden Aufbauspiel bevorzuge, na dann kommt es eben zu haarsträubenden Ballverlusten.
Dass die Top-Teams in der Premier League regelmäßig verlieren liegt nicht etwa daran, dass eure Liga so ausgeglichen ist, nein. Es liegt daran, dass selbst eure Top-Teams nicht in der Lage sind, Kontrolle über das Spiel zu gewinnen, da die Hälfte der Spieler nicht in der Lage ist, einen Ball ordentlich anzustoppen und weiterzuspielen. In einem Premier League Spiel herrscht Anarchie und Chaos. Und so kann halt selbst die schlechteste Mannschaft mal gegen den Tabellenführer gewinnen.
3.) Nein, ich bin nicht neidisch. Ich bin vollkommen zufrieden mit meiner "langweiligen Bundesliga", in der der Meister schon nach dem 1. Spieltag feststeht. Ich kann nur einfach den englischen Fußball nicht ertragen.
Nun aber zurück zum Anfang. Was hat das Ganze mit Mesut Özil zu tun? Nun, der gute Mesut ist zurzeit der gefeierte Star der Premier League. Und obwohl ich kein Fan von ihm bin, so kann ich doch inzwischen verstehen, warum er dort so hoch angesehen ist. Warum er dort so einen großen Anteil am Erfolg vom FC Arsenal hat. Warum er dort als absoluter Weltklasse-Spieler gehandelt wird. Denn Mesut Özil ist ein sehr guter Fußballer. Er beherrscht die grundlegenden Dinge, die ein guter Fußballprofi heutzutage eben beherrschen sollte. Er hat eine sehr gute Technik, kann Bälle ordentlich annehmen und verarbeiten. Er bringt gute Pässe und er hat eine solide taktische Grundausbildung. Nicht mehr und nicht weniger. Aber mehr brauch es auch nicht, um in der Premier League erfolgreich zu sein.
Zu guter Letzt noch ein paar Worte an all diejenigen, die glauben, dass sich in meinen Worten Ironie verstecke, dass ich das ganze nur übertrieben darstellen wolle und gar nicht ernst meine, was ich hier schreibe: Doch, das tue ich!
Frohes neues Jahr!
Auch ich bin kein Fan von Özil, muss aber mittlerweile anerkennen, das kein anderer die Bälle so spielt wie er. Da sind schon nen paar feine Pässe dabei. Zweikämpfe bestreitet er nicht, richtig, aber Abschluss ist auch schon besser geworden.
Dazu die Schablone einer englischen Mannschaft, schnelle Außen, kahlköpfige Innenverteidiger. NAJA.
Auch ich bin der Meinung, dass die Premier League nicht den besten Fussball spielt.
Aber wenn ich Englischen Fussball schaue, dann möchte ich auch nicht Rasenschach ala Bayern oder Barca sehen, sondern schnellen Fussball, ohne Mittelfeld und JA, auch mal mit nem langen Ball. Weil das der britische Fussball ist und es freut mich ungemein, dass mitlerweile Leicester mit diesem Stil sogar Erfolg hat. Die Briten meinten in den letzten Jahren ihren Fussball neu erfinden zu müssen, aber das brauchen sie nicht. Da dieser Spielstil vor allem viele Zweikämpfe und schnelle Abschlüsse beinhaltet.
Dazu die Kritik an der Abwehr. Von wegen wird nur weggehaun. Blödsinn. So wie man in England pfeift, pfeift man auch in Deutschland, aber in den unteren Ligen, daher kann Otto-Normal-Mensch auch mit dieser Art mehr anfangen als wenn Ribery oder Robben mal wieder dreißig mal übern Rasen rollt. Und zum Klichee Abwehr: Einfach mal Tottenhams Abwehr anschauen. Das ist für mich das absolut beste seit Jahren in Sachen Raumaufteilung. So wie dieser Defensivverbund verschiebt und Räume eng macht, das ist sagenhaft...
Mit einigen Grundaussagen kann ich leben, aber die Argumente sind teilweise einfach nur mit Phrasen untermauert...
Özil sehe ich anders als du. Finde das du ihn einfach zu kritisch siehst. Der strahlt in letzter Zeit so viel Kreativität aus. Macht echt Spass ihm zu zusehen.
Kick and rush, Geschwindigkeitsfußball, hat seinen eigenen Charme, so wie das englische Bier.
Arsenal aber zb. spielt doch schon einen recht gepflegten Kombinationsfußball. Grade in den Partien gegen den FCB konnte man das sehr oft sehen.
Man City, Manu und Chelsea haben es z zt. wirklich nicht leicht. Trainerwechsel, Systemänderungen, viele Chefs auf dem Feld. Denke das wird sich ändern.
Das die deutschen Vereine bis auf Bayern und Dortmund, regelmäßig gegen englische Vereine verlieren, spricht dann aber nicht so für den besseren Fußball. Manchmal ist es einfach so, dass es zuhause am besten schmeckt. Dann empfehle ich dir halt nicht auswärts Essen zu gehen.
Ich gebe dir aber in einem Punkt recht:
Da sind in der Abwehr und im Mittelfeld teils Haarsträubende Fehler. Querpässe zum Gegner, Stop Fehler etc. Vielleicht ist dies ja dem Powerfußball geschuldet. Der Vorteil allerdings ist, dass man da echt emotionell mitgeht, sicherlich als Fan oder Gegner. Vielleicht ist das ja ein Teil des Charms.
Dennoch danke für den Block
Nur das Özil "Bashing"..... der arme Junge! Ganz ehrlich: er steht auf dem Platz und sieht aus wie eine Rolle Falschgeld: unmotiviert, lustlos und träge. Sieht aus als ob er sein großes Talent verschleudert. Interessanterweise wird er aber bei Goalimpact.com weltweit als der 2. "beste" Fussballer geführt. Und deren Logik im Algorithmus zur Berechnung des Erfolgs als Spieler ist m.E. absolut unbestechlich, logisch und nachvollziehbar.
Zu Özil: Ich mag ihn nicht, er geht mir mit seiner Art, Fußball zu spielen, auf die Nerven. Aber: er ist ein überragender Fußballer, der mit einer kurzen Körpertäuschung und dem darauf folgenden Pass eine ganze Abwehr aushebeln kann. Das muss man ihm einfach lassen. Ich würde mir wünschen, er hätte mehr Biss, was wäre er dann ein Fußballer!
Zum Thema selbst: ich bin nicht der große PL-Schauer, da mir die Politik der Vereine an sich auf die Nerven geht. Ich bin da tendenziell schon auf der Seite von theHugo. Gemessen an dem Aufwand, den die PL treibt, ist das schon arg dünn (insbesondere international), was da rüber kommt.