Ein weiteres Endspiel um den Klassenverbleib in der Fussball Bundesliga wurde kläglich verloren. Nichts Neues also beim VfB. Doch diesmal gab es eine richtige Klatsche. Und das auch noch gegen einen direkten Konkurrenten.
Ausgerechnet beim ebenfalls kriselnden FC Augsburg unterlagen die Stuttgarter sang und klaglos mit 0:6. Die zweithöchste Niederlage in der rumreichen Geschichte des Klubs.
Der Trainerwechsel hat sich in Augsburg schon bezahlt gemacht. Die Fuggerstädter erzielten unter Martin Schmidt bereits zwei Siege in Folge. Nach den "Big Points" in Frankfurt folgte der souveräne und nie gefährdende Erfolg gegen indiskutabele Stuttgarter. Damit hat sich der FCA so gut wie gerettet. Aber was ist mit dem VfB?
Schießbude der Liga - harmlos im Sturm
Die Schwaben taummeln dem Abstieg entgegen. Mit einem Torverhältnis von -40 Toren hat man in der Bundesliga nun wirklich nichts zu suchen. Lediglich drei mal von 30 Spielen blieb der Kasten von Ron-Robert Zieler sauber. Und im Sturm? Da herrscht tote Hose. Vom erfrischenden Offensivfussball der Vergangenheit ist nichts übrig geblieben. Selbst die wenigen Hundertprozentige Torchancen die man sich erspielt werden versemmelt. Die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte ist damit besiegelt.
Parallelen zur Abstiegssaison
Als man 2016 den schweren Gang in die Zweitklassigkeit antreten musste, hatte der VfB immerhin 33 Punkte auf dem Konto und ein Torverhältnis von -25. Davon kann man aktuell nur träumen.
Am 30. Spieltag jener Saison, unterlag der VfB wieder mal in Augsburg mit 0:1. Auch damals war es ein richtungsweisendes Spiel, denn der FCA steckte ebenfalls im Tabellenkeller fest. Eine Woche später verloren die Cannstatter erwartungsgemäß ihr Heimspiel gegen den BVB (0:3).
Am 32. Spieltag kam es zum absoluten Showdown in Bremen. Vor dem Spiel hatten die Schwaben 2 Punkte Vorsprung auf die Bremer und sogar 3 Zähler auf die Frankfurter Eintracht. Obwohl man die Klasse aus eigener Kraft hätte halten können, verlor der VfB allesamt seiner 6 letzten Saisonspiele und musste absteigen. Im Norden der Republik wurden die Stuttgarter damals -ähnlich wie gestern- auseinandergenommen (2:6).
Vorstand überfordert
Letzte Saison tat der Trainerwechsel dem VfB gut. Unter Tayfun Korkut schafften die Schwaben sensationell den 7. Tabellenplatz und verpasten knapp ein europäisches Ticket. Nach einer Wahnsinns-Rückrunde gelang es den Stuttgartern unter Korkurt lediglich ein Spiel zu verlieren (beim BVB, 0:3). Mit neun Siegen und vier Unentschieden katapultierte man sich in der oberen Tabellenhälfte. Selbst den Bayern wurde die Meisterfeier am letzten Spieltag ordentlich versaut. Mit 4:1 besiegten die Brustringträger den Rekordmeister und schickten Jupp Heynckes in seine wohlverdiente Rente. Allzu lange ist es nicht her.
Was ist seit dem falsch gelaufen?
Bekanntlich ist die zweite Saison nach dem Aufstieg immer das schwierigere Jahr. Doch im Ländle pflegt man seit eh und je den Maßstab für seinen VfB hoch zu halten. Auf der einen Seite ist dies verständlich, denn Stuttgart gilt historisch gesehen zur "Créme de la Créme" des deutschen Fussballs. Oft ist es so, dass die Realität mit der Erwartungshaltung im Umfeld des Vereins nicht übereinstimmen.
Im Sommer träumte man von der Champions League, doch die Realität sah ganz anders aus. Bereits am 1. Spieltag musste man die erste Saisonniederlge in Mainz hinnehmen. Erst am 6. Spieltag durfte der erste "Dreier" gefeiert werden (2:1 gegen Bremen). Am nächsten Spieltag verlor der VfB in Hannover mit 3:1. Als Sündenbock wurde der Trainer erklärt und musste dafür büßen. Die Entscheidung, so früh in der Saison den Trainer zu feuern, der wenige Monate davor für den Aufschwung des Vereins zuständig war, entpuppte sich als falsch.
In Stuttgart hatte man keine Geduld mit Korkut weiterzumachen, doch an Markus Weinzierl hielt man trotz ständige Misserfolge stolze 6 Monate fest.
Stuttgart und Weinzierl - Ein Missverständnis
Unter Weinzierl holte der VfB im Schnitt 0,7 Punkte. Damit gilt der 44-jährige als schlechtester Trainer der Vereinsgeschichte. Unter seiner Regie erzielte der VfB magere 21 Tore und fing sich dabei unglaubliche 53 Gegentore ein. Bei vier Siegen, vier Unentschieden und 15 Niederlagen kann nur von einer Horrorbilanz die Rede sein.
Der Vorstand muss sich die Kritik gefallen lassen, Tayfun Korkut voreilig entlassen zu haben und zu lange an Markus Weinzierl festgehalten zu haben.
Letzterer überschlug sich mit einigen seiner Schützlinge und pflegte kein gutes Verhältnis zu ihnen. Donis, Thommy, Akolo, Badstuber, Sosa, Aogo oder auch Maffeo waren davon direkt betroffen. Der eine wurde vor der Öffentlichkeit bloßgestellt, der andere dekradiert. Andere VfB-Akteure erhielten nicht einemal die Chance sich zu beweisen. Stammspieler wie Thommy spielten in seinem System gar keine Rolle.
Lieber spät als nie
Vier Spieltage sind noch zu spielen. Die Entlassung von Weinzierl wird der Truppe sicherlich gut tun. Vor allem im psychologischen Bereich. Mit ihm wäre der VfB höchstwahrscheinlich direkt abgestiegen. Er hatte viele Chancen, doch genutzt hat er keine.
Selbverständlich ist Weinzierl nicht Schuld wenn ein Stürmer am leeren Tor vorbeischießt oder wenn einer seiner Spieler den Gegner anspuckt. Allerdings zeugt Ascacibars Blackout von Undiszipliniertheit und da ist der Trainer auch nicht ganz unschuldig. Weinzierl ist dafür zuständig die Mannschaft zu trainieren, die bestmögliche Formation aufzustellen, seine Spieler zu motivieren und Abwehr- sowie Sturmprobleme zu beheben. Ansonsten bräuchte kein Verein der Welt einen Trainer.
Mit dem Debakel in Augsburg wurde der Tiefpunkt der Saison erreicht. Nach so einer schwachen Leistung kann es eigentlich nur besser werden. Doch viel Anlass zum Optimismus, dass der VfB in letzter Sekunde doch noch die Kurve kriegt und den Abstieg entkommt, gibt es nicht. Ein Wunder wird benötigt. Oder besser noch, viele Wunder werden benötigt.
Der bisherige U-19 Trainer Nico Willig wird Interimstrainer. Er ist nun der dritte Coach der laufenden Saison der auf der VfB-Bank Platz nehmen wird. Die Kontinuität und Stabilität eines Vereins tun ständige Trainerwechsel auf Dauer alles andere als gut. Im modernen Fussball gehört dies nunmal zum Tagesgeschäft. Doch der VfB muss wieder zu alten schwäbischen Tugenden finden. Man muss viel mehr Struktur in den verschiedenen Facetten des Verein bringen und vor allem wieder auf die eigene Jugend setzen. Die Fans wollen sich mit den Spielern, den Trainerstab und mit den Präsidenten identifizieren können.
VfB oder Club
Für den VfB geht es nur noch den Relegationsplatz zu festigen. Die ebenfalls desolaten Schalkerer müssen sich keine großen Sorgen mehr machen, denn sowohl der VfB als auch Nürnberg sind weit davon entfernt sie einzuholen. Es wird also ein heißer Zweikampf im Schneckentempo zwischen Schwaben und Franken. Wohlmöglich besteht für den "mausetot" geglaubten VfB-Tross, doch noch die Gelegenheit, über die Relegationsspiele die Klasse zu halten.
Ob der VfB Stuttgart sich das verdient hat, sei mal dahingestellt...