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05.01.2008 um 18:24 Uhr
Knallrote Birne, blaue Pause
Lieber Uli Hoeneß,

an Dir scheiden sich die Geister. Auch der meine. Das kann auch gar nicht anders sein, denn Du, mit Deiner knallroten Birne, lieferst schließlich die Blaupause für die Zerrissenheit des Menschen in der modernen Fußballwelt.

Du selbst stammst aus einer Welt, als echte Männer noch für zwei Mark fuffzig und 'ne warme Mahlzeit gegen tonnenschwere Bälle aus Schweinsleder traten, als Schienbeinschützer beim Kicken noch so überflüssig waren wie Lidschatten und Wimperntusche und Frauenfußball vom DFB noch offiziell verboten war.

Du stammst aus einer Zeit, als die Vereinsmeierei noch ganz offen chauvinistisch patriarchalische Familienstrukturen reproduzierte, wo ein Sportklub aber eben auch noch Verbundenheit, Zusammengehörigkeit, Geborgenheit und Identität stiften konnte.

Als die Fans bei Regen, Wind und Wetter, bei Erdbeben und Feuersbrunst noch unbeirrt am Spielfeldrand ausharrten und ihrem Verein die Treue hielten, in guten wie in schlechten Zeiten. Die echten Fans mit ihrer echten Freude und ihrem echtem Schmerz.

Heute ist der "echte Fan" im Stadion bestenfalls noch folkloristische Staffage. Für schlappe sieben Euros wird er in die Allianz Arena gelassen, wo er ein bisschen Fähnchen schwenkt und Sprechchöre grölt - alles zur Belustigung der Logenbesucher, die beim Fußball weder echten Schmerz noch echte Freude kennen, sondern bei Champagner und Schnittchen nur ein wenig Unterhaltung und Zerstreuung suchen.

Heute sind Sportvereine kühl kalkulierte Wirtschaftsunternehmen. Tradition hat als kulturelle Heimat höchstens einen sentimentalen Wert, vor allem aber bedeutet sie als Standortfaktor einen Wettbewerbsvorteil - am Markt wohlgemerkt, nicht im sportlichen Wettbewerb.

Dir, Uli Hoeneß, ist das hoch bewusst, und Du bist, mit deiner knallroten Birne, auch empfindlich und cholerisch genug, das alles offen zuzugeben: Im Fußball geht's um Geld. Wer das nicht wahrhaben will und sich nach der "schönen, alten" Zeit zurücksehnt, redet "populistische Scheiße" und lebt auf ewig im "Gestern".

Zwar brauchst auch Du kein Google und kein eBay, aber immerhin hast Du begriffen, dass es ohne sie nicht geht. Ihnen muss man das "Geld aus der Tasche ziehen", will man im europäischen Fußball Erfolg haben. Der Sieben-Euro-Fan in der (inzwischen zweigeteilten) Südkurve ist dagegen nur ein Relikt aus alten Zeiten - als Kunde aber finanziell nicht weiter relevant.

Wer sein Unternehmen auf die Nostalgie der "echten Fans" ausrichtet, der riskiert, geradewegs auf den Konkursverwalter zuzusteuern. So wie dieser kleine Münchner Verein, "der wahrscheinlich bald in der dritten Liga spielt" und der längst pleite wäre, hättest Du, Uli Hoeneß, es nicht persönlich verhindert.

Wer aber gegen Chelsea spielen und Stars wie Luca Toni und Franck Ribery in den eigenen Reihen sehen will, der muss sich eben an den Gegebenheiten des Markts orientieren und mit kühler Hand rechnen - und sei der Kopf auch noch so rot.

Dieser kalte Kern des Profisports ist letztlich eine Tatsache. Der sportliche Erfolg hängt langfristig betrachtet unwiderruflich und unmittelbar mit dem marktwirtschaftlichen Erfolg eines Vereins zusammen.

Und Du, Uli Hoeneß, stehst mit deiner Arbeit als Manager eines des erfolgreichsten Klubs Europas geradezu Pate für diese Ökonomisierung des Sports.

Weil sich in einer ökonomischen Kultur aber auch der Fußball - als Teil dieser Kultur - an ökonomischen Kriterien messen lassen muss, hast Du mit Deiner Kritik an den nörgelnden Fans in einer irgendwie zynischen Art sogar irgendwie Recht.

Nur - und da scheidet sich erneut mein Geist - ist das eine Wahrheit, die man seinem Gegenüber, sei er nun ein echter Fans oder ein schlichter Kunde, eigentlich nicht ins Gesicht brüllt, sondern eher diplomatisch verpackt, und damit Brücken schlägt zwischen den "echten" Emotionen der Fans und den kommerziellen Bedürfnissen der Kunden, die schließlich beide ihre Berechtigung haben.

Und möglicherweise macht das einen als berechnend verschrienen Manager wie Dich, Uli Hoeneß, vielleicht sogar sympathisch. Dass Du nämlich, im Aufruhr der Emotionen, offen aussprichst, was eigentlich längst jeder denkt.

Möglicherweise ist Deine paranoide Überempfindlichkeit und Deine cholerische Unbeherrschtheit aber auch ein Zeichen für Deine mangelnde Souveränität und vor allem für die bayerische Arroganz, die Dich und Deinen Verein zum Feindbild in der deutschen Fußballwelt werden ließen.

Nach dem Motto: "Wir sind die Bayern!" Oder genauer: "Ich bin die Bayern! Und ich kann es mir schlichtweg leisten, sowohl meine Fans als auch meine Kunden anzupöbeln. Basta!"

Möglicherweise stehst Du, Uli Hoeneß, mit deiner knallroten Birne für beides - und damit für die Zerrissenheit des Menschen in der modernen Fußballwelt. An Dir scheiden sich nunmal die Geister.
Aufrufe: 1663 | Kommentare: 2 | Bewertungen: 14 | Erstellt:05.01.2008
ø 9.4
KOMMENTARE
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stern_des_suedens
05.01.2008 | 20:25 Uhr
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05.01.2008 | 20:25 Uhr
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Sehr guter Artikel, Sie sprechen mir geradezu aus der Seele. Ich persönlich schätze an Uli Hoeneß seine Ehrlichkeit, wobei seine Überheblichkeit manchmal wirklich nervt. Ich denke mal, seine Wutrede hat ihn in den Augen einiger sympathischer, in den Augen anderer noch verhasster gemacht. Er ist eben jemand, der die Fußball-Nation spaltet.
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oliver
07.01.2008 | 11:36 Uhr
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oliver : private tragik eines fans
07.01.2008 | 11:36 Uhr
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oliver : private tragik eines fans
die nostalgischen und romantischen ansichten dieses fans damals schön und gut und wirklich in allen ehren - aber dass dieser fan sich ausgerechnet den wirtschaftsriesen fc bayern zum fansein aussuchen muss, das ist nun wirklich nicht problem des fcb, sondern die ganz private tragik dieses fans. mit so einer attitüde konvertiere ich doch eher zu st. pauli und co
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