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25.09.2011 um 19:29 Uhr
Ein Selbstversuch I
Man hört immer häufiger von den unterschiedlichen Trainingsmethoden in den europäischen Topligen und kommt unweigerlich zu der Frage, welche Methodik die beste ist. In Spanien wird beispielsweise nur einmal pro Tag trainiert, was von den Deutschen oft als Trainingsfaulheit ausgelegt wird. In der BuLi wird nämlich oft zweimal täglich der Trainingsplatz aufgesucht. Ebenfalls in Spanien und dazu noch in den Niederlanden wird, wiederum im Gegensatz zu Dtl., fast ausschließlich mit Ball geübt. Diese Unterschiede zwischen Spanien und Dtl. möchte ich hier mal analysieren. Anhand eines vollzogenen Selbstversuchs.

Ausgangslage
In meiner Jugend spielte ich bei einem recht ambitionierten Verein, mit dem ich in der zweithöchsten dt. Spielklasse der A-Jugend auflief. Unser Training war typisch deutsch: viel Kondition, wenig Taktik, moderat Technik. Etwa 70% der gesamten Trainingsarbeit lief mit Ball ab. Im Nachhinein muss ich sagen, dass wir taktisch nichts in dieser Liga zu suchen hatten. Einzig über Kampf und Fitness konnte der Abstieg noch abgewendet werden. Hätten wir den Fokus stärker auf Taktik und Ballarbeit im Training mittels Spielformen gelegt, wäre jene Saison nicht so schwach verlaufen. Im Prinzip habe ich von meinen Trainern (es waren drei im Alter zwischen 30 und 50) in fachlicher und didaktischer Hinsicht nichts gelernt. Ich habe von der Qualität meiner Mitspieler gelernt und bin an ihnen gewachsen. Mehr nicht! So richtig Ahnung von Fußball und Trainingsmethodik hatte ich nicht wirklich bekommen.

Als mein Studium anfing, verließ ich den Verein zur Halbserie 2008/09 und wechselte in die Kreisliga. Was ich dort vorfand, war eine Mannschaft, die von einer Viererkette so weit entfernt war, wie Erich Ribbeck. Das war der Startschuss für mich, endlich einmal im taktischen Bereich etwas dazu zu lernen. Autodidaktisch! Ich wusste zwar, wie eine 4er-Kette funktioniert, aber wie ich es unmotivierten Sturköpfen ("wir haben nicht das richtige Spielermaterial") beibringen könnte, war mir noch unklar. Ich begann, typisch deutsch, ohne Ball mit Trockenübungen. Ich erklärte den Jungs, wie die einzelnen Handlungsweisen einer 4er-Kette aussahen und lies sie immer wieder verschieben und rausrücken. Natürlich erklärte ich ihnen den Grund der einzelnen Bewegungen, was sie auch verstanden, aber die praktische Umsetzung ist eben doch eine ganz andere Geschichte... Nur sehr langsam stellte sich der Erfolg des Fortschritts ein.

neue Wege
Irgendwann richtete ich im Training ein zwei-gegen-zwei-Turnier aus, mit der Vorgabe, dass auf keinen Fall Manndeckung betrieben werden dürfe Außerdem durfte sich niemand ins (sehr kleine) Hütchentor stellen. Die Abseitsregel galt natürlich auch. Das war der Durchbruch. Denn die beiden Spieler mussten permanent die Gegenspieler übergeben, den Ballführer unter Druck setzen und sich gegenseitig nach hinten absichern. Eben wie in einer Abwehrkette. Die Spieler lernten Mithilfe dieser Spielform automatisch, weil sie sich implizit mit den Problemen auseinandersetzen mussten. Meinen größten Erfolg in dieser Hinsicht hatte ich also nicht mit einer langweiligen Trockenübung, sondern mit einer Spielform unter Hinzunahme eines Balles. Ziemlich spanisch das Ganze...

Nun sahen natürlich auch die Spieler, dass jeder die Viererkette erlernen kann, selbst wenn er vorher nur die Manndeckung kannte, was meine weitere Arbeit vereinfachte, weil die Skepsis der Neugier wich. Für mich persönlich kam die Erkenntnis, dass Trainer zwar stets ein gewisses Fachwissen und eine Spielidee haben müssen, doch je mehr sie wissen, desto weniger sollten sie explizit preisgeben, sondern ihr Wissen ohne Worte in Spielformen vermitteln. Übermäßiges Konditionsgebolze reicht hingegen nie und nimmer aus.

Mit der Viererkette als Grundlage, hatten wir eine sehr gute Voraussetzung für ein effektives Konterspiel in einem klassichen 4-4-2. Zum Konterspiel musste ich keinen Beitrag leisten, denn irgendwie hatten wir ein Talent für das schnelle Umschalten, zumal wir den Ball bereits oft in der gegnerischen Hälfte eroberten. Wenig Gegentore, effektive und schnelle Konter sorgten dafür, dass wir unsere Liga dominierten. Jedenfalls bis zur Halbserie. Denn wie es halt so ist, stellten sich unsere Gegner fortan nur noch hinten rein. Wir standen also vor dem Problem, wie wir mit einer großen Quote an Ballbesitz umgehen. Wir verloren unsere Dominanz und siegten wenn überhaupt sehr knapp. Denn gegen tiefstehende Gegner kann man kaum Konter fahren. Natürlich war dieses Zufallsgeplänkel, trotz seines gelegentlichen Erfolgs, unbefriedigend. Doch nun hatte ich das große Glück, dass der FC Barcelona der ganzen Welt zeigte, wie Fußball richtig gespielt wird.

Ich sah mir jedes Spiel der Katalanen an und erkannte die logischen Muster ihres Passspiels. Die Theorie von Barcas Spiel ist auch nicht sonderlich geheimnisvoll. Gerade hier bei Spox war und ist Barcas Philosophie Kern vieler Blogs und Artikel. Doch wieder stellte sich die Frage: Wie bringe ich das einer (nun) Landesklassenmannschaft bei? Denn gerade beim Passspiel besteht ein enger Zusammenhang zwischen Technik und Taktik. Dieses Mal vertraute ich sofort der spanischen Methode: In der Sommervorbereitung gab es keine einzige Konditionseinheit oder Trockenübung. Ich fing mit einer 15minütigen Powerpointpräsentation an, in der ich erklärte, wie ein gutes Passspiel aussieht: ständiges Schaffen von Dreiecken, wobei der Abstand zwischen den Spielern niemals zu groß sein darf, um zum einen einfache Pässe zu gewährleisten und zum anderen im Falle eines Ballverlustes sofort ins Gegenpressing gehen zu können. Ich erklärte die Eigenheiten der Passrichtungen und stellte fest, dass diagonale Pässe am effektivsten sind. Wichtig war außerdem, dass die Jungs begriffen, dass Rückpässe enorm hilfreich sind, um ständig Druck vom Ball nehmen und so die Kontrolle und Spielübersicht behalten zu können.

Damit das alles auch umgesetzt werden konnte, wurde das 4-4-2 ad acta gelegt und das 4-3-3 (oder 4-1-4-1) eingeführt, denn hier kommen automatisch mehr Dreiecke Zustande. Außerdem war es wichtig, den Spielern Geduld beizubringen, weil sie jedes Mal sofort nach vorne kommen wollten, selbst dann, wenn der Gegner gut organisiert hinten stand. Unser Training erfolgte nur noch mit Ball (unter anderem mit Futsalbällen und Bällen der Gr. 4) in vielen verschiedenen Pass- und Spielformen, gemäß der differenziellen Lernmethode.

Teil 2
Aufrufe: 11423 | Kommentare: 1 | Bewertungen: 10 | Erstellt:25.09.2011
ø 9.1
KOMMENTARE
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vanGaalsNase
25.09.2011 | 23:15 Uhr
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25.09.2011 | 23:15 Uhr
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Kommentare bitte nur bei Teil 2.
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