@DieRotenBullen - Der Username von RB Leipzig auf "Twitter "ist eine unterschwellige Ohrfeige für all diejenigen, die den Verein zum Hassobjekt Nummer eins auserkoren haben. Der letzte Tropfen, der das seit Monaten randvolle Fass zum Überlaufen bringt. Die Verbindung zu Red Bull lässt sich ja schlecht totschweigen, aber 1899 Hoffenheim tritt ja auch nicht unter dem Synonym @DietmarHoppsElf auf.
Seit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga hat der Hass gegenüber dem Brauseklub ein neues Level erreicht. Die zunehmende Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, die teils skandalösen Sommer-Transfers und nicht zuletzt der an eine Schmierenkomödie erinnernde Lizenz-Streit - Den Kritikern läuft passend zum Abpfiff jeder Partie der Leipziger das Wasser im Mund zusammen.
Die 3:0-Gala gegen 1860 München am Wochenende gab wieder Grund zur Diskussion. Aus der eine Ecke schießen die Traditions-Fans, die Angst haben, das "RasenBallsport" (die nächste unterschwellige Ohrfeige) die alt eingesessenen Klubs aus dem Profi-Fußball verdrängt. Leipzig habe keine Fankultur und sei der Inbegriff eines Retortenklubs, so der allgemeine Tenor. Aus der anderen Ecke kommen postwendend die Antworten der RB-Befürworter, die in dem Klub eines der spannendsten und zukunftsweisenden Projekte im deutschen Fußball sehen. Doch wo liegt am Ende die Wahrheit?
Mulmiger Start
Ich muss zugeben, auch mir war etwas mulmig, als ich erstmals von dem Engagement von Red Bull in Leipzig gehört hatte. Da gründete man schnell mal einen Verein und besorgte sich das Startrechts eines Oberliga-Klubs aus der Provinz (SSV Markranstädt). Nicht wie Hoffenheim oder Großaspach, die aus der Kreisliga in den Profifußball stürmten. Nein, Didi Mateschitz wollte sein neues Spielzeug so schnell wie möglich im Profifußball sehen und fing deshalb in der höchstmöglichen Klasse an, in die die DFL nicht mehr einfach so eingreifen konnte.
Trotz aller Bedenken verurteilte ich das Engagement nicht von Beginn an. Schließlich hat ja auch Hoffenheim erst jüngst mit der A-Jugend-Meisterschaft bewiesen, dass man trotz großer finanzieller Unterstützung nicht nur auf teure Transfers, sondern auch auf die Jugend setzt. Nachdem es in den ersten Spielen in der Oberliga teilweise zu herben Ausschreitung kam, wurde es zumindest für RB-Verhältnisse in den kommenden Jahren ruhiger.
So dauerte es fast vier Jahre, bis der Verein wieder im Rampenlicht stand. Dann folgten die fast schon legendären Aufstiegsspiele gegen Lotte. Hier mal ein kleines Gedankenspiel: Hätten sich die Sportfreunde damals in der Verlängerung durchgesetzt, wäre es erst in diesem Jahr zur Drittliga-Premiere für die Leipziger gekommen.
Erkaufter Aufstieg?
Mit dem Aufstieg stieg auch die Zahl der Kritiker. Der Durchmarsch ins Unterhaus ließ die Begriffe "Retortenklub" und "erkaufter Aufstieg" wieder salonfähig werden. Auch ich musste zugeben, ohne die Finanzspritze von Red Bull wäre man sicherlich nicht erneut aufgestiegen - allerdings lohnt sich auch ein zweiter Blick auf die Transfers des vergangenen Sommers.
KEIN Akteur, der 2013 erstmals das Trikot in rot und weiß überstreifte, war älter als 23 Jahre. Spieler wie Yussuf Poulsen, Diego Demme und Dennis Thomalla sind alle hoffnungsvolle Talente, die in Leipzig nicht nur auf der Bank sitzen, sondern auch ordentlich Spielzeit sehen. Am vergangenen Samstag stand mit Tim Sebastian nur ein Spieler in der Startelf, der älter als 27 Jahre ist.
Mir gefällt in dieser Hinsicht der Weg von Alex Zorniger und Ralf Rangnick. Natürlich wären Spieler wie Rani Khedira sicherlich nicht ohne das Zutun von Red Bull in den Verein gekommen, die sportliche Perspektive in Leipzig ist auf kurz oder lang aber mittlerweile auch ein ernstzunehmender Faktor. Schon bald man in der Bundesliga spielen, egal wie viele Kritiker den Verein schlechtreden.
Zorniger nutzt die vorhandenen Ressourcen, um aus jungen Spielern eine Einheit zu formen, die seinem Verständnis von modernem Fußball angepasst ist. Die Spieler sollen immer wieder den Ball attackieren und sich die Seele aus dem Leib rennen. Vermeintliche "Star-Einkäufe" wie Khedira oder der momentan verletzte Terrence Boyd sind zudem nicht zwangsläufig gesetzt. U19-Europameister Joshua Kimmich soll in diesem Jahr zu einer festen Größe im Mittelfeld reifen.
Kopfschütteln bei Sabitzer
Generell sind die Ausgaben in Leipzig nicht so überbordernd wie im ersten Zweitligajahr von Hoffenheim (18,57 Millionen). Hochkaräter wie Carlos Eduardo, Demba Ba und Luiz Gustavo sucht man im RB-Kader vergebens. Von den 12,15 Millionen Euro, die RB ausgegeben hat, bezahlte der Verein alleine sieben für Massimo Bruno und Marcel Sabitzer.
Hier musste ich im Zusammenhang mit RB das erste Mal seit 2009 ernsthaft schlucken. Klar kann man, speziell mit dieser finanziellen Unterstützung, diese beiden Spieler für diese (übrigens komplett vernünftigen) Preis holen. Dass man sie dann aber ohne Umschweife, und im Fall von Bruno sogar "geheim", zum markeninternen Ableger aus Salzburg verleiht, hat mehr als nur einen faden Beigeschmack.
Besonders Sabitzers Transfer ist wohl einer der skandalösesten der vergangenen Jahre. Der ehemalige Rapid-Stürmer besaß eine Ausstiegsklausel für das Ausland, die RB nutzte und den Spieler danach umgehend zurück nach Österreich schickte. Gut möglich, dass Sabitzer sogar nie für die Leipziger auflaufen wird.
Beim Lizenz-Streit mit der DFL hat sich der Verein ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert - die Liga allerdings auch nicht. Das marginal veränderte Logo ist schon eine Farce an sich, die Verantwortlichen bei der DFL hätten sich aber auch nicht darauf einlassen müssen. Ein anderes Design wäre sicherlich im Rahmen des möglichen gewesen. Vielleicht hatte man aber auch einfach genug von dem peinlichen Streit um die Zulassung für das Unterhaus.
Kein "Traditionsklub"
Jetzt, fünf Jahre nach meinen anfänglichen Bedenken, sind diese fast gänzlich verflogen. Natürlich ist man weit von dem Attribut "Traditionsklub" entfernt, allerdings ist die Idee hinter RB Leipzig alles andere als kurzweilig. Mithilfe der Red-Bull-Millionen baut man neben den Profis als Aushängeschild eine mehr als hoffnungsreiche Jugend-Abteilung auf, die in einigen Jahren ihre Früchte tragen wird.
Auch ich bin kein Freund von dem Herumschieben von Spielern, allerdings verstößt der Verein damit nun mal auch gegen keine Regeln. Dass sowas trotzdem moralisch fragwürdig ist, steht sicherlich nicht zur Debatte.
Die 50+1-Regel sorgt in Deutschland immer noch dafür, dass unsere Fußball-Kultur von milliardenschweren Investoren geschützt ist - und das ist auch gut so. Natürlich hat Red Bull in Leipzig seine Finger im Spiel. Zieht man allerdings mal den internationalen Vergleich heran, wirkt die Aufregung um den Brauseklub nahezu lächerlich. Klar nutzt man in Leipzig die vorhandenen Ressourcen, man zahlt für die Neuzugänge aber vertretbare Summen, im Gegensatz zu den Abramowit'schen Anfängen bei Chelsea (z.B. Damien Duff für 26 Millionen Euro!!!) oder den Transfer-Verbrechen, die Manchester City oder PSG jeden Sommer begehen.
In spätestens fünf Jahren wird RB auch in der Bundesliga zu einer festen Größe geworden sein. Wird man dann um den Titel mitspielen? Sicherlich nicht! Wird man in der Champions League spielen? Sicherlich nicht! Wird man um Europa kämpfen? Vielleicht! Das Beispiel Hoffenheim hat gezeigt, dass der Aufstieg ins Oberhaus eine Sache ist, die Etablierung aber eine ganz andere. Immerhin wäre 1899 vor einem Jahr wieder in die zweite Liga abgestiegen! Trotz der Hopp-Millionen!
RB: Gut durchdacht und nachhaltig
Ich verstehe die Kritiker, die Angst um die vielen Traditionsklubs im Profifußball haben. Allerdings darf man eines nicht vergessen. Wir haben das Jahr 2014. Geht es ums runde Leder, geht es nun mal auch um Geld. Nicht umsonst sind Vereine wie Alemannia Aachen oder Hansa Rostock mittlerweile nicht mehr in der Bundesliga, sondern in der dritten bzw. in der Regionalliga aktiv. Auch in der Bundesliga steht hinter den meisten Vereinen große Sponsoren. Bei den Bayern sind es u.a. Adidas und Audi, Schalke wird von Gazprom unterstüzt, Leverkusen von Bayern, Wolfsburg von VW usw.
Auch ich, als Anhänger von Arminia Bielefeld, bin Fan eines Traditionsklubs. Ohne Geld geht mittlerweile aber nichts mehr. Deswegen habe ich auch kein Problem damit, dass es Vereine wie RB Leipzig gibt. Denn wenn hinter so einem großen Engagement ein Konzept steckt, dass gut durchdacht ist und für Nachhaltigkeit steht, hilft das auf Dauer auch dem deutschen Fußball. Vereine, die sich durch überteuerte Transfers schnell den Erfolg suchen, braucht dagegen kein Mensch.
Leipzig ist eine junge, hungrige und entwicklungsfähige Mannschaft und keinesfalls eine abgehalfterte Söldner-Truppe. Der Klub wird seine Nische im deutschen Fußball finden - ob es den Kritikern passt oder nicht.
Erst mal vorab, ich lasse keinen Frust an RBL aus, ich versuche, anderen Menschen lediglich klar zu machen, was an dem System "RB" im Fussball kritikwürdig ist und wohin meiner Meinung nach eine solche Entwicklung letztendlich führen kann.
Du hast mit Deinen Beispielen schon recht, Kapital gibt es seit je her im Fussball und das aus den unterschiedlichsten mehr oder weniger legalen Quellen.
Nur sollten wir zunächst mal eine Trennschärfe zwischen ausländischen Ligen (Mafia bei Milan) und dem Deutschen Fussball bewahren. Mir geht es nur um den deutschen Fussball, und um den heimlichen Wunsch, dass ein deutscher Sonderweg irgendwann von den anderen europäischen Ligen übernommen wird, weil die Leute kapieren, wohin ihr System führt.
Als nächstes sollten wir zwischen Sponsoren und Investoren unterscheiden, wobei ich da gern noch eine Unterkategorie der versteckten Investoren einführen möchte, da RB es geschafft hat, aus diesen beiden vorgenannten Kategorien und unter Ausweichen der 50+1 Regelung auszubrechen.
Sponsoren wie meinetwegen auch Gazprom geben ihr Geld einem selbstbestimmten Verein und erhalten als Gegenleistung Sitzplätze, Werbeflächen, nette Unterhaltungsshows und manchmal Anteile an den als Kapitalgesellschaften ausgelagerten Profiabteilungen der Vereine. Sie haben keinerlei direkte Einflussmöglichkeit auf die Vereine (ich rede hier nicht vom verrauchten Hinterzimmer, was da über Männerfreundschaften ausgemacht wird, dürften alle die wissen, die sich etwas im Umfeld von Firmen und Geld bewegen)
Wo ich wirklich kurz schmunzeln musste: "Bei den Bayern sind es u.a. Adidas und Audi, Schalke wird von Gazprom unterstüzt, Leverkusen von >> BayerN <<, Wolfsburg von VW usw." ;)
Die Übernahme durch Investoren sollte 50 + 1 verhindern- Eine tolle Idee und ansich ein perfektes Regulativ gegen die absolute Kommerzialisierung. Ich weiss, was jetzt an dieser Stelle - auch nicht zu unrecht - kommt, die bereits vorhandenen Ausnahmen lex Leverkusen. Da ist mein Hauptkritikpunkt am DFB. Man hat eine tolle Schutzregelung und weicht sie ohne Not selbst auf.
Jetzt kommt RB und hat sich was ganz neues überlegt, wie bekomme ich mehr Einfluss, ohne in den Anwendungsbereich von 50 + 1 zu fallen? Genial, ich wird einfach als Unternehmen der Verein, besetzte den Verein mit Schlüsselfiguren aus meinem Unternehmen und sorge dafür, dass der Verein auch nicht durch fremde Mitglieder übernommen werden kann, was nach dem Vereinsrecht auch zulässig ist.
Ein aus Sicht des Unternehmens genialer Schachzug. Wenn das jetzt Schule macht, ist 50+1 wirklich tot, weil sehr einfach zu umgehen. Das wiederum bedeutet, dass dieses Regulativ, was die Übernahme von Vereinen durch Investoren verhindern sollte, wegfällt und Investoren nun ein neues Eldorado für ihr Kapital haben.
Das verändert alles und diese Veränderung finde ich schlecht!
Gut durchdacht und nachhaltig. Wird man auch sehen falls(!) financial fairplay mal richtig durchgezogen wird, oder die Brausenvereine gegeneinander spielen müssen. Wenn RedBull kein Bock mehr auf LE hat weil der gewünschte positive Marketing Effekt ausbleibt, wird man ganz schnell merken wie toll so ein Kunstverein ist.
Sollten die Meister werden, interessierts halt auch keinen, wie bei WoB. Sowas ringt einem nur ein müdes Schulterzucken ab.
Als Fan von Verein xyz, würde ich ein Zeichen setzen und zu keinem Spiel mit RB Beteiligung gehen. Heim und Auswärts. Das wäre mal ne Ansage für die DFL.
Da ich eben davon ausgehe, dass RBL ein Topteam wird, dass Deutschland international gut vertreten wird, sehe ich die Sache eigentlich recht positiv. Das Traditionsgelaber ist doch Käse. Hinter jedem Verein steckt irgendeine Firma. Ich finde es bspw. viel schlimmer, dass indirekt Putins Regime hinter S04 steht, als RB hinter Leipzig. Das einzige was mich stört, nicht nur an RBL, sondern im gesamten Fußball, ist das rumschieben der Spieler. Chelsea hat bald mehr Spieler verliehen als im richtigen Kader stehen. Hier müssen neue Regeln geschaffen werden, sonst besitzen die Top 10 Vereine in Europa bald jeweils 50 Spieler, natürlich die besten Talente, und die anderen Vereine dürfen diese maximal ausleihen oder kaufen wenn sie sich nicht durchsetzen. Das kann es nicht sein.
genau die Punkte empfinde ich auch als sehr gefährlich. Es entwickelt sich hin zu den amerikanischen Modellen, die ich NICHT gut finde, auch schon zu beobachten in England, fragt mal bei Cardiff und Vereinsfarben nach.
Volkssport ist auch noch ein nicht zu unterschätzendes Schlagwort. Dazu noch die zwangsweise Wandlung vom - zumindest theoretisch - mitbestimmenden Mitglied in einem Verein zum Konsumenten eines von einem Unternehmen nicht selbstlos zur Verfügung gestellten Produkts.
Ich persönlich bin gern Vereinsmitglied und beteilige mich in meinem kleinen bescheidenen Rahmen im Verein, ich will nicht Konsument werden und sehe nicht ein, aus welchem Grund man uns allen diese Entwicklung aufzwingen soll, warum? Ist es positiv, dass man wenn man die Entwicklung mitgeht irgendwann eine unternehmensdominierte Unterhaltungsshow mit Fussball hat ? Mir wird der Mehrwert zu dem bestehenden System nicht klar. Damit ist kein Zurück in die Steinzeit gemeint, Fussball ist nunmal ein riesen Geschäft und das ist auch ok, hat ja gute Seiten, die Stadien, die Arbeitsplätze usw. Aber es reicht so wie es jetzt ist, es muss einfach nicht noch krasser werden.
Was man aber schon sagen muss: Diese Verein sind allesamt sehr gut geführt.
Kein Chaos wie in Hamburg oder bei 1860 (beide mit Investoren...).
Grundsätzlich freue ich mich für die Menschen in der Region Leipzig, wenn sie einen Verein in Liga 1 haben. Hoffenheim dagegen braucht kein Mensch. Da gibt es im Umkreis von 100km einige Vereine die Tradition haben.