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02.12.2011 um 08:11 Uhr
Das große Krabbeln
Dass Borussia Dortmund für einen erst 17-jährigen Offensivspieler drei Millionen an Energie Cottbus überweisen wird, überrascht heute keinen mehr. Immer jünger werden die Mannschaften und deren Leistungsträger, immer schneller sehen die meisten Profis alt aus. Die Liga wird bestimmt von Talenten und deren Unbekümmertheit. Mit Marc-André ter Stegen steht ein 19-jähriger Jungprofi zwischen den Fohlen-Pfosten, der sich auf dem Platz mit einer Dominanz, Ruhe und Klasse bewegt, die sonst nur routinierten Profis nachgesagt wird. Fast unheimlich scheint ihre Abgezocktheit in dieser frühen Phase der Karriere. Doch die erfolgreichen Jungprofis strahlen so hell, dass sich hinter ihnen auch große Schatten auftun. Wie fühlt es sich dort an?

Leno Löwenherz
In gerade einmal 13 Bundesligaeinsätzen und einigen Auftritten auf internationaler Bühne ließ Bernd Leno mit seinen erstklassigen Leistungen die 138 Bundesligaeinsätze und seit 2006 währende Regimentschaft seines Vorgängers vergessen machen. Während René Adler mit Knieproblemen laborierte, hat ihm sein jugendlicher Vertreter die Show und auch den Stammplatz abgeluchst. So schnell kann es gehen, wenn die Leistungen stimmen. Selten aber hat sich das Blatt so rasch gewendet. Acht Millionen Euro später ist kein Platz mehr für einen 26-jährigen Keeper, der noch vor einem Jahr als gesetzter Spieler in der Nationalmannschaft im Mittelpunkt stand. Auch damit hat man es hier mit einem besonderen Fall des großen Krabbelns zu tun. Im Profisport geht es um Leistungsbereitschaft und das Bestätigen der eigenen Klasse. Gerade in jungen Jahren drohen Profis des Öfteren an den Erwartungen zu scheitern, die auf ihre Schultern gespannt werden. Wenn diese Löcher allerdings ausbleiben, können sie so manch gestandenem Profi mit langjähriger Erfahrung zum Verhängnis werden. Bernd Leno hat das geschafft, brisanterweise in Abwesenheit des Stammspielers. Das schmälert allerdings in keiner Weise die gebotenen Leistungen. Immer früher kommen die jungen Spieler im Profigeschäft an, ohne daran zu zerbrechen. Überraschenderweise auf Positionen, die sich aus den Erfahrungen vergangener Tage gar nicht für einen frühen Durchbruch eigneten. Im Tor stehen plötzlich vermehrt junge Löwen, während die alte Garde daran zu knabbern hat.

Nimm Platz
Während junge Profis in die Herzen der Fans stürmen und mit berauschenden Leistungen Zuschauer wie Medien faszinieren, nörgeln gestandene Spieler über die ihnen fehlende Aufmerksamkeit und Achtung. Schnell fühlen sie sich vergessen und ihrer Triumphe beraubt. Sie sehnen sich nach einem Comeback, wollen den Beweis erbringen, dass sie noch die Alten sind. Bei all den großen Momenten im Jetzt wandert so einiges in den Hintergrund, davor sind auch scheinbar große Namen nicht sicher. Ohne nennenswerte Krise hält die junge Garde nichts auf. Selbst kleinere Tiefs werden verziehen, weil auch das zur Entwicklung gehört. Ihr Kredit ist höher und dabei ihr Hunger größer, so bleibt kaum noch Platz für die x-te Klage über mangelnde Beachtung und Wertschätzung der Profis aus dem großen Schatten. Verrückt ist es allerdings schon, wie schnell in diesem Geschäft der Wind drehen kann. Wer noch vor wenigen Monaten ein unangefochtener Stammspieler war und innerhalb weniger Wochen zur zweiten Wahl mutierte, fühlt den kleinen (Albert) Streit in sich wachsen und gedeihen. Wenn dann noch der gute Wille der Ernüchterung weicht, dass scheinbar nichts dabei hilft, in das geliebte Rampenlicht zurückzukehren, werden die ersten kritischen Töne laut. Auf die Öffentlichkeit wirken diese Intervieweinsätze dann wie Neid in Reinform. Die jungen Wilden spielen währenddessen Luftgitarre nach einer traumhaften Kombination ins Torglück, selbst dabei treffen sie ständig den richtigen Ton.

Zwischen Abitur und Top 11
Doch woher nehmen diese Jünglinge die Klasse erfahrenen Profis den Platz streitig zu machen? Ganz unschuldig ist der DFB nicht, der im Anschluss an (im internationalen Vergleich) desolate Nachwuchsarbeit in den 90er Jahren der eigenen Verantwortung gerecht wurde und für professionellere Jugendarbeit sorgte. Auch die Bundesligavereine investierten mehr Zeit und vor allem Geld in die Förderung des eigenen Nachwuchses, manche von ihnen aus moralischen Gründe, während andere Vereine pure Geldnot dazu trieb den eigenen Nachwuchs intensiver zu fördern. Mit Stolz tragen DFB- und Vereinsoffizielle heute die neuesten Entdeckungen wie Orden mit sich herum, während sie in Kameras schwärmen und den Hype befeuern, den es zweifelsohne um die jüngsten Stars der Liga gibt. Die Medien tun ihr Bestes, um dem keinen Abbruch zu tun und verfolgen die Entwicklung der größten Talente auf Schritt und Tritt, damit bloß jeder der Faszination für ein weiteres, mögliches Jahrhunderttalent erliegt. Die rasante Verjüngerung der Liga hält weiterhin an und lässt Titelträume gedeihen, während der Schatten größer wird, in dem sich die Altprofis aufhalten. Sie lauern weiterhin auf ihre Chance, wenngleich diese mit jedem weiteren Galaauftritt eines Standby-Abiturienten geringer wird. Die leichte Romantik für die ruhmreichen Aufstiege unbekannter Gesichter ist dazu viel zu verführerisch. Mit den Jünglingen verbindet man die Chance für einen internationalen Neuanfang, nie dagewesenen Erfolg und größere Leidenschaft, aber auch eine natürliche Sympathie, da man ihnen den Aufstieg gönnt. Die bekannten Gesichter tragen schließlich nicht nur ihre Erfolge mit sich herum, sondern auch die vergebenen Chancen und verschuldeten Niederlagen. So werden aus guten Zeiten schnell schlechte Zeiten, immer den bissigen Nachwuchs in den Fersen.

Spiel des Lebens
Der Nachwuchs drängt mit enormer Qualität und Spielfreude in die Profikader, lebt von einer Dynamik und Variabilität, die scheinbar vielen gestandenen Spielern fehlt und unmöglich nachgeholt werden kann. Dazu loben viele Trainer die Vorzüge der jungen Spieler und setzen auf sie wie selten zuvor. Es ist schier kaum vorstellbar wie Borussia Dortmund ohne das junge Gesicht der Mannschaft auftreten würde. Das eigene Spiel wäre taktisch kaum umsetzbar, wenn diese jungen Wilden nicht jedem Ball hinterher sprinten würden. Auch wenn es einem kleinen Seitenhieb auf die Altstars gleichkommt, muss darauf verwiesen werden, dass das moderne Spiel ohne die nächste Generation der Profis nicht auskommen kann. Ein laufintensives und ebenso flexibles Spiel lebt von den Qualitäten, die viele junge Spieler aufgrund der exzellenten Nachwuchsarbeit bereits mitbringen. Die junge Garde hat das perfekte Rüstzeug, um in Zukunft noch größere Schatten zu werfen.

Darauf lässt man sich gerne ein, solange die Luftgitarre und Unbeschwertheit nicht in einer antiquierten Schublade verschwinden. Dann, aber auch nur dann, könnte Kevin Großkreutz Recht behalten: "Das war sooo geil!"


In diesem Sinne

tobzzzzn
Aufrufe: 5463 | Kommentare: 3 | Bewertungen: 6 | Erstellt:02.12.2011
ø 9.5
KOMMENTARE
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lennon
03.12.2011 | 18:06 Uhr
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lennon : 
03.12.2011 | 18:06 Uhr
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lennon : 
erst einmal schöner blog

aber naja ich finde du hättes noch ein bisschen tiefer ins detail gehen könenn bei der kritik und zum bespiel den fc barcelona als gegenbeispiel nennen können
(auch wenn er nich das perfekte gegenbeispiel ist)
aba dort spielen halt immer noch spieler wie xavi die trotz ihres alters unersätzlich scheinen

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og222
03.12.2011 | 22:49 Uhr
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og222 : 
03.12.2011 | 22:49 Uhr
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og222 : 
"Wer noch vor wenigen Monaten ein unangefochtener Stammspieler war und innerhalb weniger Wochen zur zweiten Wahl mutierte, fühlt den kleinen (Albert) Streit in sich wachsen und gedeihen. "

Genial

Sehr sehr guter Blog! Ich persönlich finde ihn auch in der Länge gut. Allerdings sind die Sätze öfters ein wenig zu lange geraten und werden dadurch etwas schwer zu lesen. Nur eine Kleinigkeit!
Sonst ein riesen Blog!
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Realmadrio
04.12.2011 | 19:54 Uhr
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Realmadrio : 
04.12.2011 | 19:54 Uhr
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Realmadrio : 
Es gibt auch einen einfachen Grund warum wir so eine vergleichweise riesige Zahl an Talenten rausbringen. Mit einer Jugendarbeit auf holländischem Niveau haben wir einfach ein viel größeren Pool an potentiellen Talenten in Deutschland. Klar das da der Talente-Strom nicht so schnell abreißt.
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