"I am such an Idiot!"

Florian Regelmann
15. Juni 201116:06
Und er kann es bis heute nicht fassen, was er da gemacht hat... Phil Mickelson 2006 in Winged Foot Getty
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Im Congressional Country Club in Bethesda/Maryland findet in dieser Woche die 111. US Open statt. Zeit, um auf unglaubliche Storys zurückzublicken. Hier kommen 10 der unfassbarsten US-Open-Geschichten! Mit dabei: Der Wahnsinn von 1908, Phil Mickelson und Tiger Woods - und ein unspielbares Loch.

US Open 1908: Drama um Ernie Way

Wir machen zu Beginn eine Zeitreise ins Jahr 1908, die Älteren werden sich erinnern... Okay, Spaß beiseite: Niemand von uns war so richtig live dabei, aber nach den Überlieferungen muss sich vor 103 Jahren etwas Unfassbares ereignet haben. Etwas, das man sich eigentlich gar nicht vorstellen kann. Ein Spieler hat beim Putten seinen Ball verloren. Wie bitte?

Jeder Golfer weiß, wie leicht man seine Bälle verlieren kann. Aber im Normalfall passiert das vorzugsweise in dichtem Rough, Büschen oder Wasserhindernissen. Wenn man auf dem Grün angekommen ist, fühlt man sich, was das Verlieren von Bällen angeht, doch recht sicher.

Ernie Way ist es aber 1908 dennoch passiert. US-Open-Grüns waren einfach schon immer tückisch. Es passierte auf Loch 4 des Myopia Hunt Club in South Hamilton, Massachusetts. Ein gewisser Mike Brady benötigte 9 Putts auf diesem verdammten Grün, das einer Oberfläche aus Marmor ähnelte. Und für Ernie Way kam es noch schlimmer. Er schätzte die Geschwindigkeit falsch ein und spielte seinen Putt viel zu fest, sodass der Ball den Hügel hinunter in einen Sumpf rollte. Er fand seinen Ball nie wieder.

Übrigens: Den Sieg und damit die Prämie von stolzen 300 Dollar holte sich 1908 Fred McLeod, der mit Runden von 82, 82, 81 und 77 Schlägen tatsächlich in ein Stechen kam und dort Willie Smith besiegte. Unser Freund Ernie Way landete nach Runden von 89, 90, 93 und 84 Schlägen abgeschlagen im Feld. Armer Ernie.

US Open 1962: Let's meet Jack Nicklaus!

Solange Tiger Woods seinen Major-Rekord nicht knackt, und langsam verliert man den Glauben, dass Tiger das noch packt, bleibt Jack Nicklaus der größte Golfer aller Zeiten. Deshalb darf er in dieser Auflistung auch nicht fehlen.

Wir machen einen Sprung ins Jahr 1962, Nicklaus hatte in den Jahren zuvor als Amateur schon an einem Sieg bei der US Open geschnuppert (2. und 4. Platz) und in seiner ersten Saison als Profi war es dann endlich soweit.

Der 22-Jährige erreichte in Oakmont, Pennsylvania, dank einer 69 am Finaltag das Stechen und setzte sich dort gegen Arnold Palmer durch. Dieser hatte das Masters erst im Playoff gewonnen, aber bei der US Open war Nicklaus letztlich zu stark. Nicklaus spielte im Stechen eine 71, Palmer notierte nur die 74.

Auch 1962 gewann schon der Spieler die US Open, der in der Woche am besten puttete. Nicklaus leistete sich in fünf Runden nur einen einzigen Dreiputt, bei Palmer waren es 10.

US Open 1973: Die 63 von Johnny Miller

Johnny Miller ist heutzutage ein überragender TV-Experte - und er ist für die unfassbarste Runde in der US-Open-Historie verantwortlich. Im Jahr 1973 war die US Open wieder in Oakmont zu Gast. Vor der Finalrunde war Miller im Prinzip überhaupt kein Thema, er lag nach einer schwachen 76 an Tag drei nur auf Platz zwölf und hatte sechs Schläge Rückstand auf die Spitze.

Was er dann am Sonntag fabrizieren sollte, war magisch. Miller schoss eine wahnsinnige 63 und holte sich dadurch noch die Championship. Nebenbei überholte der damals 26-Jährige so Sportskameraden wie Jack Nicklaus, Arnold Palmer und Lee Trevino.

Millers Runde war die beste, die jemals bei einer US Open gespielt wurde. Seitdem brachten zwar auch Nicklaus, Tom Weiskopf und Vijay Singh jeweils mal eine 63er-Runde ins Clubhaus, aber keiner von ihnen schaffte es am letzten Tag. Mit einer 63 am Finaltag noch die US Open mit einem Schlag Vorsprung zu gewinnen - das hat Eier.

Und das wird man nie wieder sehen. Wetten, dass? Die USGA war so schockiert darüber, wie dieser Miller ihren Open-Platz zerlegte, dass sie schon im nächsten Jahr reagierte und "meterhohes" Rough installierte. Das Ergebnis war das "Massaker von Winged Food", Hale Irwin siegte mit einem Gesamtscore von sieben über Par.

US Open 1993: John Daly spielt ein Par 5...

Das längste Loch der diesjährigen US Open im Congressional Country Club hat es in sich. Die 9 spielt sich 636 Yards lang, es ist selbst in der heutigen Zeit der Bomber eigentlich ein echtes Three-Shot-Par-5. Mit zwei Schlägen kann man da nicht hinkommen, da kann man vor der Runde noch so viel Spinat essen.

Und die 9 im Congressional Country Club ist nicht mal die längste Bahn, die bei Majors so gespielt wird. Da gibt es ja noch die 17 in Baltusrol. Die misst inzwischen 650 Yards. Bergauf, ist klar. Und wer ist schuld, dass sie so ewig lang ist? John Daly!

JD schaffte bei der US Open 1993, als das Par 5 noch lächerliche 630 Yards lang war, das Kunststück, mit zwei Schlägen das Grün zu erreichen. 325-Yard-Drive, dann ein Eisen 1 aufs Grün, es waren zwei der besten Schläge seines Lebens.

Der Oberwitz: Es gab 1993 neben Daly noch einen anderen, der die Länge hatte, um das Grün in zwei Schlägen zu erreichen: Sandy Lyle. Der Schotte verzog seinen zweiten Hieb nur etwas nach rechts ins Rough.

US Open 1999: Payne Stewart, Gott hab ihn selig!

Die Faust, der Schrei, der Wahnsinn! Payne Stewarts US-Open-Sieg 1999 sollte für immer in die Geschichte eingehen. Stewart war einer der charismatischsten Golfer aller Zeiten - und 1999 holte er sich in Pinehurst einen der dramatischsten US-Open-Titel überhaupt.

Payne StewartGetty

De facto war er der Erste, der damals in der 99-jährigen Geschichte an der 18. Bahn in der Finalrunde einen großen Putt lochte, um den Sieg klar zu machen. Stewart lochte aus fünf Metern zum Par und gewann so ein faszinierendes Duell mit Phil Mickelson mit einem Schlag Vorsprung.

Stewart hatte zuvor schon zwei Major-Siege errungen, aber 1999 war seine Karriere im Alter von 42 Jahren eher auf dem absteigenden Ast. Seit der US Open 1991 hatte er nur noch zwei Turniere auf amerikanischem Boden gewonnen.

Vier Monate später starb Stewart bei einem Flugzeugabsturz. Wir vermissen dich bis heute, Payne.

Teil 2: Unfassbares mit Tiger und Phil!

US Open 2000: Tiger by 15!

Man kann über Tiger Woods denken, was man will, aber eines steht fest: Jede US Open ohne ihn tut dem Golfsport im Herzen weh. Wegen seiner Knie- und Achillessehnenprobleme ist Tiger in dieser Woche im Congressional Country Club nicht dabei. Es ist ein Jammer. Es ist auch ein Jammer, wenn man Tigers Leistungen von heute mit denen seiner Glanzzeit vergleicht.

Wir sind im Jahr 2000 und die US Open ist zu Gast auf dem für viele Golf-Liebhaber schönsten Flecken der Erde, in Pebble Beach. Was Tiger Woods in diesen vier Tagen der 100. US Open veranstalten sollte, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Er dominierte. Er machte die Konkurrenz lächerlich. Er war außerirdisch. Er war Tiger Woods.

Woods' Gesamtscore nach 72 Löchern: 12 unter Par. Der Gesamtscore der Zweitplatzierten Ernie Els und Miguel Angel Jimenez: 3 über Par. Tiger gewann mit unmenschlichen 15 Schlägen Vorsprung. Es ist bis heute der größte Vorsprung in der Major-Geschichte. Vor Woods hatte diesen Rekord der unvergleichliche Schotte "Old" Tom Morris gehalten, der die British Open im Jahr 1862 mit 13 Schlägen Vorsprung für sich entschieden hatte.

Mit seinem US-Open-Triumph in Pebble Beach begann Woods außerdem den Tiger-Slam. Er holte sich 2000 noch die British Open und die PGA Championship - und 2001 siegte er auch beim Masters in Augusta. Heißt: Im April 2001 hielt Tiger alle vier Major-Trophys gleichzeitig in den Händen.

US Open 2004: Unspielbar!

Eine US Open, die vor allem aus zweierlei Gründen in Erinnerung geblieben ist. Zum einen natürlich wegen Retief Goosens zweitem US-Open-Sieg seiner Karriere. Der Südafrikaner wurde am Finaltag zwischenzeitlich von Phil Mickelson überholt, aber dann warf Lefty zum wiederholten Male einen möglichen US-Open-Sieg weg. An der 17 kassierte Mickelson nach einem Drei-Putt aus nicht mal zwei Metern ein Doppel-Bogey, Goosen profitierte und siegte mit zwei Schlägen Vorsprung.

In Shinnecock half auf Grün 7 auch das ganze Wässern nichts mehr...Getty

"Ich habe das beste Golf meines Lebens gespielt, ich habe einige der besten Schläge meines Lebens gemacht, ich habe so gut geputtet wie nie zuvor - und ich habe es trotzdem nicht geschafft, besser als Par zu spielen. Das kann es ja wohl nicht sein", meinte Mickelson damals nach der Runde.

Die Fans in New York erlebten im Shinnecock Hills Golf Club eine Finalrunde, die alle Spieler durch die Hölle gehen ließ. Nicht ein einziger Spieler blieb unter Par, die meisten waren froh, wenn sie irgendwie unter 80 Schlägen blieben. Und das 7. Loch, ein Par 3, wurde zum Loch des Grauens.

Das Grün war so klein und hart, dass es physikalisch unmöglich wurde, das Grün zu treffen. Spieler zielten absichtlich in den Bunker, es war ein Drama. Nachdem die ersten Spieler in der Finalrunde fast alle mit einem Triple-Bogey vom Grün geschlichen waren, entschied sich die USGA dann plötzlich doch noch, das Grün zu wässern. Aber viel besser machte es das auch nicht mehr. Mark O'Mearas Kommentar nach der Runde: "Ich brauche jetzt erst mal ein Bier."

US Open 2006: "I am such an Idiot!"

Wahnsinn. Wahnsinn. Wahnsinn. Man kann sich fünf Jahre später die DVD der US Open 2006 noch einmal anschauen und man begreift es immer noch nicht, was da in Winged Foot passierte. Phil Mickelson war wieder einmal drauf und dran, sich seinen Kindheitstraum von einem US-Open-Sieg zu erfüllen, aber am Ende war er zum vierten Mal nur Zweiter.

Und er war selbst schuld. Mickelson hatte nach drei Tagen gemeinsam mit dem Engländer Kenneth Ferrie (Wer???) geführt. Als er dann am Sonntag am 18. Abschlag stand, wusste er: Jetzt noch ein Par und ich habe die US Open gewonnen. An der 17 hatte Mickelson zuvor den Abschlag in einen Mülleimer verzogen, aber noch auf wundersame Phil-Manier sein Par gerettet.

An der 18 folgte der totale Blackout. Es ist bis heute der größte Fehler in der Karriere von Mickelsons Caddie Jim "Bones" Mackay, dass er in dieser Situation seinem Boss nicht den Driver aus der Hand gerissen und in den Wald geschmissen hat. Obwohl Mickelson den ganzen Tag so gut wie kein Fairway getroffen hatte, zog er den Driver aus der Tasche und machte einen der schlechtesten Schläge seiner Karriere. Ein Slice soweit nach links, dass er auf ein Bewirtungszelt flog.

Mickelson kassierte das Doppel-Bogey und verlor abermals auf tragische Weise eine US Open. Unvergessen seine Reaktion: "Ich kann nicht glauben, was ich getan habe. Ich bin so ein Idiot!" So ging der Sieg an den Australier Geoff Ogilvy. Auch deshalb, weil nicht nur Mickelson am Schluss versagte. Auch Colin Montgomerie trauert dieser Chance bis heute nach.

US Open 2008: Tiger vs. Rocco

Es ist bis heute Tigers letzter Major-Sieg. Und es war ohne Zweifel sein dramatischster. Der South Course von Torrey Pines erlebte eines der größten Duelle der Golf-Geschichte. In der einen Ecke Tiger Woods. Die Nummer eins der Welt, die nach einer Knie-Operation zwei Monate lang nicht mehr gespielt hatte.

Und in der anderen Ecke Rocco Mediate. Ein 45-jähriger Mittelklasse-Profi mit unglaublich viel Charme. Mediate wäre bei einem Sieg der älteste US-Open-Champion in der Geschichte geworden, aber es sollte nicht seine Story werden.

Es sollte die Helden-Story des Tiger Woods werden. Mit kaputtem Knie und gebrochenem Bein, wie er später verriet, humpelte Woods über die Fairways, mehrfach schien er schon geschlagen. Am Finaltag benötigte Tiger an der 18 ein Birdie, um sich ins Stechen gegen Mediate zu retten. Er lochte.

Am Montag benötigte Tiger an der 18 ein Birdie, um ins Stechen vom Stechen zu kommen. Er lochte. Es war schließlich am 91. Loch, als Woods mit einem Par den Sieg perfekt machte und eine irre Golf-Show beendete.

US Open 2010: Armer Dustin...

Graeme McDowell. Louis Oosthuizen. Martin Kaymer. Charl Schwartzel. Vor der diesjährigen US Open gibt es die bemerkenswerte Situation, dass die USA im Moment keinen amtierenden Major-Sieger haben. Die US-Boys stehen mächtig unter Druck. Noch so ein Desaster wie 2010 wollen sie nicht erleben.

Vor einem Jahr ging Dustin Johnson mit einem Vorsprung von drei Schlägen in die Finalrunde, nur um sich dann innerhalb von einer halben Stunde komplett selbst zu zerstören. Triple-Bogey an der 2, Double-Bogey an der 3, Bogey an der 4 - autsch! Es war auch Pech dabei, als Johnson an der 2 seinen Ball nach 5 Minuten und 19 Sekunden fand. Und damit 19 Sekunden zu spät. Mehr als 5 Minuten gestattet einem die Regel nicht.

Am Ende schoss Johnson eine 82 und landete gemeinsam mit Alex Cejka und Martin Kaymer auf dem geteilten achten Rang. Auch die anderen Amis packten es nicht. Mickelson war wieder einmal nahe dran, schaffte aber wieder einmal den großen Wurf bei einer US Open nicht.

Dafür holte sich Graeme McDowell seinen ersten Major-Sieg. G-Macs Siegesscore: Even Par. Quizfrage: Wer landete hinter McDowell auf Rang zwei? Die Antwort: Gregory Havret aus Frankreich. Bitte alle die Hand heben, die dieses Endergebnis getippt hatten... Die US Open hat in ihrer Geschichte für unzählige Unfassbarkeiten gesorgt, wir sind bereit für weitere.

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