Die kuriosesten Trainerentlassungen der Fußball-Geschichte: "Plötzlich zog er eine Pistole"

Von Felix Götz
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Jörg Berger wird in der Türkei von 19 (!) Präsidenten teilweise massiv bedroht, sein Haus verwüstet. Uli Stielike fällt einer fleischgewordenen Trainerabschussrampe zum Opfer und muss sich heftige Beleidigungen gefallen lassen. Und: Welcher Coach angeblich "Omelett von Hamlet" nicht unterscheiden konnte.

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Wir haben uns die verrücktesten Trainerentlassungen der Fußball-Geschichte angesehen - und zehn Beispiele herausgepickt.

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Jörg Berger bei Bursaspor: "Plötzlich zog er eine Pistole"

17 Stationen in 30 Jahren, darunter Schalke, Köln und Frankfurt, das er 1999 in einem der legendärsten Finishes der Bundesliga-Historie vor dem Abstieg bewahrt: Als Jörg Berger im August 2000 beim türkischen Erstligisten Bursaspor übernimmt, glaubt er, bereits alles erlebt zu haben, was das Trainergeschäft zu bieten hat. Die kommenden zweieinhalb Monate belehren ihn eines Besseren.

Sportlich läuft es für Berger in Bursa von Beginn an mau. Nach sieben Spieltagen belegt der Klub aus dem Nordwesten der Türkei mit drei Unentschieden und vier Niederlagen den drittletzten Platz. Dicke Luft herrscht auch deshalb, weil die 19 (!) Klub-Präsidenten bei der Aufstellung mitreden möchten.

"Irgendwann sagte ich zu ihnen: 'Jetzt mach ich einmal die Aufstellung so, wie ihr es wollt'", erinnert sich Berger einst im Magazin 11 Freunde. Beim anschließenden Heimspiel gegen Istanbulspor kommt Bursaspor mit 2:5 unter die Räder. "Da brach die Hölle los", so der Trainer. Bergers Familie muss unter Polizeischutz das Stadion verlassen, ihm selbst wird aufgrund der Gefahrenlage die Abreise nahegelegt.

"Klar: Sie wollten mich loswerden, ohne eine Abfindung zahlen zu müssen", meint Berger, der in einem anschließenden Gespräch eine schriftliche Kündigung einfordert: "Das Gespräch zog sich über Stunden. Dass ich dabei so ruhig blieb, störte einen von ihnen derartig, dass er plötzlich eine Pistole zog und sie auf den Tisch warf. 'Das ist die Sprache, die wir sprechen', schrie er."

Berger kehrt in sein Haus zurück, das mittlerweile von Unbekannten verwüstet ist. Am Abend fährt ein Bus mit Randalierern vor. Der Mob fordert, der frühere Stürmer solle aus der Stadt verschwinden. "Tags darauf war dann ein neuer Trainer da. Der schlachtete erstmal eine Kuh im Mittelkreis. Nun war der Punkt erreicht, an dem wir das Land verließen. Es war wie auf der Flucht", so Berger.

Berger betreut anschließend noch Alemannia Aachen, Hansa Rostock und bis Mai 2009 Arminia Bielefeld. Im Juni 2010 stirbt er im Alter von 65 Jahren.

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Uli Stielike beim FC Sion: "Er sah verwahrlost aus"

Europameister 1980, dreimal Meister mit Gladbach, dreimal Meister mit Real Madrid: Uli Stielike gehört als Spieler zu den Großen seiner Zunft. Als Trainer bleiben dem 68-Jährigen bei 17 Stationen in 31 Jahren ähnlich riesige Erfolge verwehrt, so manche Episode ist aber unvergessen.

Wie zum Beispiel seine Zeit in der Schweiz beim FC Sion, wo Stielike vom - vorsichtig formuliert - eigenwilligen Präsidenten Christian Constantin im Juli 2008 mit folgenden Worten vorgestellt wird: "Levante wollte ihn, auch Espanyol Barcelona. Aber gekriegt habe ich ihn."

Vier Monate und 13 Spiele später belegt Sion lediglich den siebten Platz von zehn Teams und Stielike wird von seinen Aufgaben entbunden. "Ich habe ihn nach Hause geschickt, weil er verwahrlost aussah und sein Geruch nicht sehr angenehm war", ätzt Constantin.

Stielike, der zuletzt bis August 2020 den chinesischen Klub Tianjin Teda coacht, ist längst nicht das erste Opfer des Sion-Chefs. Die fleischgewordene Trainerabschussrampe mit dem Hang zum üblen Nachtreten verschleißt bis heute unglaubliche 57 Trainer.

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Rolf Schafstall bei Dynamo Dresden: "Besen in die Hand nehmen, auskehren"

16 Stationen in 27 Jahren zwischen 1974 und 2001: Rolf Schafstall ist als Trainer in Deutschland viel herumgekommen. Seine erfolgreichste Zeit erlebt der gebürtige Duisburger zwischen 1981 und 1986 beim VfL Bochum. Schafstall sichert dem Underdog mehrfach den Klassenerhalt in der Bundesliga und prägt so die Legende der "Unabsteigbaren" mit.

Im Februar 1999 übernimmt der Schleifer beim drittklassigen, kriselnden Nordost-Regionalligisten Dynamo Dresden - und sorgt schon nach wenigen Wochen mit einem Interview für Aufsehen. "Dreck, wo du hinguckst. Denen hab ich erstmal den Marsch geblasen: Besen in die Hand nehmen, auskehren", beschreibt Schafstall im Spiegel die Zustände im Klub: "Ich komme in die Kabine - da steht keiner auf, da hört keiner zu - kein Anstand. Lauter Ossis."

In Dresden kommen die Aussagen freilich nicht gut an, nach 56 Tagen muss Schafstall schon wieder die Koffer packen. "Seine Äußerungen ließen nur diese Entscheidung zu", so Dynamo-Präsident Klaus Deubel. Schafstall kehrt anschließend noch einmal für vier Monate nach Bochum zurück, ehe er 2001 seine Trainerlaufbahn beendet. Am 30. Januar 2018 stirbt er im Alter von 80 Jahren.

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John Toshack bei Real Madrid: "Ein Schwein über dem Bernabéu"

In den 1970er Jahren erzielt John Toshack als Stürmer für den FC Liverpool 96 Tore in 246 Partien. Ab 1978 beginnt für den Waliser eine atemberaubende Trainerlaufbahn. In den folgenden 40 Jahren taucht er in Portugal, Spanien, der Türkei, Frankreich, Italien, Nordmazedonien, Aserbaidschan, Marokko und im Iran auf.

In besonderer Erinnerung bleibt seine zweite Amtszeit bei Real Madrid von Februar bis November 1999. Obwohl die Königlichen im Sommer die damalige Rekordsumme von 140 Millionen Mark in neue Spieler stecken, geht sportlich nichts zusammen. Real belegt nach dem 11. Spieltag Platz acht.

Präsident Lorenzo Sanz rügt Toshack aufgrund der schlechten Ergebnisse und vor allem für dessen öffentliche Kritik an Spielern (unter anderem bezichtigt er Torhüter Albano Bizzarri der Unfähigkeit). Er fordert den Coach auf, sein Verhalten zu ändern. Der entgegnet in der spanischen Zeitung Marca: "Man wird es eher erleben, dass ein Schwein über das Bernabéu-Stadion fliegt, als dass ich mich ändere."

Diese Aussage bringt das Fass zum Überlaufen, Toshack wird nach knapp neun Monaten gefeuert und durch Vicente Del Bosque ersetzt. Toshack, heute 73 Jahre alt, beendet seine Karriere 2018 beim iranischen Verein Tractor Sazi.

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Peter Pacult bei NK Zavrc: Entlassung per SMS

Als Spieler unter anderem für die Wiener Traditionsklubs Rapid und Austria sowie in Deutschland bei 1860 München aktiv, startet Peter Pacult seine Trainerkarriere 1996 bei den Löwen als Assistent von Werner "Beinhart" Lorant. Zwischen 2001 und 2003 ist der heute 63-Jährige sogar Chefcoach der Sechzger, ehe innerhalb von 15 Jahren elf Stationen folgen.

Zunächst heuert der gebürtige Wiener noch recht unspektakulär in Deutschland (RB Leipzig, Dynamo Dresden) und Österreich (FC Kärnten, Rapid Wien, Floridsdorfer AC) an, ehe es ihn 2015 in den Osten Europas und damit in abenteuerlichere Gefilde zieht. Pacult betreut Klubs in Slowenien, Kroatien, Serbien, Albanien und Montenegro, länger als sechs Monate bleibt er dabei nie im Amt.

Denkwürdig verläuft Pacults Zeit in Slowenien bei NK Zavrc 2015, wo der frühere Stürmer nach exakt 17 Tagen wieder entlassen wird. Die 1:2-Pleite in der Liga gegen ND Gorica kann der mächtige Zavrc-Präsident noch verkraften, keinesfalls aber das 1:1 im Pokal-Hinspiel beim Zweitligisten Drava Ptuj.

"Der Präsident hat mir vor dem Spiel geschrieben, er will, dass wir dort 3:0 oder 4:0 gewinnen", sagt Pacult der Kronen Zeitung: "Er wollte dem Gegner unbedingt eine Lehrstunde erteilen, weil er dort immer so beleidigt wird." Der Boss ist nach dem Remis stinksauer und entlässt den Österreicher per SMS. Aktuell trainiert Pacult übrigens den österreichischen Erstligisten Austria Klagenfurt.

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Toni Schumacher bei Fortuna Köln: Rauswurf in der Halbzeit

Europameister 1980, Vize-Weltmeister 1982 und 1986, Deutscher Meister 1978 mit dem 1. FC Köln und nach 15 Jahren im Trikot der Müngersdorfer eine absolute Legende beim Effzeh: Toni Schumacher gehört zweifellos zu den größten Torhütern der deutschen Fußballgeschichte.

Nach der Karriere arbeitet der mittlerweile 68-Jährige zunächst als Torwarttrainer bei Schalke 04, FC Bayern und Borussia Dortmund, ehe er 1998 zum ersten und letzten Mal als Chefcoach anheuert, beim damaligen Zweitligisten Fortuna Köln. Sein Rauswurf am 15. Dezember 1999 geht dabei in die Geschichte ein.

Nach fürchterlichen Wochen - die Fortuna steht auf einem Abstiegsplatz, holt fünf Unentschieden und zwei Niederlagen aus sieben Partien und erzielt dabei insgesamt nur ein einziges Tor - steht am 16. Spieltag im Südstadion die Partie gegen Aufsteiger Waldhof Mannheim auf dem Programm. Präsident Jean Löring, genannt "Schäng", Kölner Unternehmer und so etwas wie der Pate des Klubs, erwartet nichts anderes als einen Sieg. Doch die Fortuna enttäuscht, zur Halbzeit führen die Gäste mit 2:0.

Löring ist außer sich vor Wut, stürmt in die Kabine und feuert Schumacher in der Halbzeit. "Das war wie im Film", erzählt einst der damalige Fortuna-Stürmer Toralf Konetzke in der Bild: "Er meinte zu Toni: 'Du sagst jetzt nichts mehr.' Und schubste ihn zur Tür raus." Ein Handgemenge zwischen Löring und Schumacher hätten Spieler und Betreuer gerade noch verhindern können, heißt es.

Löring übernimmt in der zweiten Halbzeit selbst als Coach, das Spiel geht 2:5 verloren. "Ich als Verein musste handeln", sagt der 2005 verstorbene Löring auf der anschließenden Pressekonferenz und poltert: "Das ist die teuerste und schlechteste Fortuna-Mannschaft seit Christi Geburt."

Schumacher selbst hat Löring übrigens längst verziehen. "Trotz jener unseligen Episode bleibt Löring für mich ein großer, herzensguter Kölner", sagt er dem Express: "Hunderte Kinder holte er mit seiner Fortuna von der Straße, gab ihnen eine Heimat. Die Jugendarbeit des Vereins war vorbildlich, Integration wurde von jeher großgeschrieben. Ich habe großen Respekt vor seiner sozialen Leistung."

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Vladica Petrovic beim FK Drina Zvornik: Der Facebook-Rauswurf

Als Aktiver unter anderem für zweitklassige Klubs in Portugal und Griechenland im Einsatz, startet Vladica Petrovic ab 2012 eine Odyssee als Trainer durch seine serbische Heimat - sieben Stationen in drei Jahren!

2015 wird der 52-Jährige vom bosnischen Erstligisten FK Drina Zvornik verpflichtet. Es läuft miserabel, nach zehn Spieltagen ist Zvornik mit sechs Punkten Tabellenletzter. Die fast schon logische Folge: Petrovic wird entlassen. Aber wie?!

Der Verein informiert seinen Übungsleiter nicht persönlich, verkündet den Rauswurf stattdessen via Facebook. Petrovic setzt einen trockenen Kommentar unter den Post: "Danke für die Mitteilung." Heute trainiert er übrigens den serbischen Zweitligisten FK Metalac Gornji Milanovac.

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Leroy Rosenior bei Torquay United: Die 10-Minuten-Amtszeit

FC Fulham, Queens Park Rangers, West Ham United: Leroy Rosenior ist in den 80er Jahren ein passabler Stürmer. Abgesehen von einem einmonatigen Intermezzo als Nationaltrainer von Sierra Leone tingelt der heute 58-Jährige ab 1996 durch die englische Provinz.

Am 17. Mai 2007 wird der Londoner vom Fünftligisten Torquay United unter Vertrag genommen, für den er bereits von 2002 bis 2006 verantwortlich ist. Seine zweite Amtszeit ist von kurzer Dauer, genau genommen nur etwas mehr als zehn Minuten lang.

Während Rosenior im Presseraum des Plainmoor-Stadions seine Zukunftsvisionen preisgibt, verkauft Klubbesitzer Mike Bateson Torquay United. Die neuen Eigentümer bevorzugen einen anderen Trainer. "Ich ging hin, gab die Pressekonferenz und Mike rief mich etwa zehn Minuten später an. Ich dachte, er macht Witze", erinnert sich Rosenior.

Nach dieser Posse will er nichts mehr vom Trainer-Business wissen. Rosenior arbeitet längst als Fußball-Experte in TV und Radio. Außerdem ist er im Kampf gegen Rassismus engagiert.

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Dietrich Weise bei Eintracht Frankfurt: "Ein loderndes Pulverfass"

Seinen zukünftigen Chef auszusortieren, ist eine mäßige Idee. Diese Erfahrung muss Trainer Dietrich Weise im Winter 1986 bei Eintracht Frankfurt machen. Weise teilt damals seinem Mittelfeldspieler Wolfgang Kraus mit, in der Bundesliga-Rückrunde nicht mehr mit ihm zu planen. Das Problem: Zu diesem Zeitpunkt steht bereits fest, dass Kraus zur kommenden Saison Manager der Eintracht wird.

Präsident Klaus Gramlich ist ob der Vorgehensweise des Trainers fassungslos und feuert Weise nach drei Jahren in Frankfurt mit sofortiger Wirkung. Die Begründung: "Wir haben keine Grundlage mehr für eine gedeihliche Zusammenarbeit der beiden gesehen. Es wäre ein loderndes Pulverfass gewesen, das jeden Tag hätte explodieren können. Die Suspendierung des Spielers Kraus war das i-Tüpfelchen."

Weise trainiert in Deutschland unter anderem noch Fortuna Düsseldorf und den 1. FC Kaiserslautern, zum Abschluss seiner Karriere betreut er die Nationalmannschaften von Ägypten und Liechtenstein. Am 20. Dezember 2020 stirbt Weise im Alter von 86 Jahren.

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Max Merkel bei Atlético Madrid: Ein Zitat und seine Folgen

Deutscher Meister mit 1860 München, Deutscher Meister mit dem 1. FC Nürnberg: Was aus heutiger Sicht wie eine Lügengeschichte des Baron Münchhausen klingt, vollbringt Max Merkel als Trainer tatsächlich. Und nicht nur das: Der Österreicher ist auch im fernen Spanien erfolgreich.

1972 wird Merkel mit Atlético Madrid Pokalsieger, 1973 sogar Meister. Trotzdem wird der gebürtige Wiener nach der Meisterschaft und gut anderthalb Jahren im Verein gefeuert. Der Grund: Seine Aussage "Spanien wäre ein schönes Land, wenn nicht so viele Spanier darin leben würden" stößt den Atlético-Bossen logischerweise sauer auf.

Merkel beendet seine Laufbahn 1982 beim Karlsruher SC und sorgt anschließend jahrelang als fieser Bild-Kolumnist für Ärger. Über Otto Rehhagel schreibt er beispielsweise: "Früher hatte er Mühe, Omelett von Hamlet zu unterscheiden." Merkel stirbt 2006 im Alter von 87 Jahren.