Rush Hour im Mittelfeld

Daniel Börlein
04. August 201017:00
Arturo Vidal, Michael Ballack und Stefan Reinartz (von links): drei Kandidaten fürs defensive Mittelfeldspox
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Bayer Leverkusen will in dieser Saison oben mitspielen und hat darauf seinen Kader ausgerichtet. Die große Frage: Wie will Jupp Heynckes spielen? Auf allen Positionen gibt's knallharten Konkurrenzkampf um die Stammplätze. Besonders eng ist es im defensiven Mittelfeld, doch dort sind die Plätze eigentlich schon vergeben. Ein Überblick über die Situation im Bayer-Kader.

Fünfmal hat Bayer Leverkusen in der Sommerpause zugeschlagen, hinzu kommt Rückkehrer Marcel Risse, der zuletzt eineinhalb Jahre an den 1. FC Nürnberg ausgeliehen war. Ein Neuzugang stellt alle anderen allerdings eindeutig in den Schatten: Michael Ballack.

Der 33-Jährige kehrte vom FC Chelsea zurück zum Werksklub und ist, obwohl momentan erst im Aufbautraining, der große Hoffnungsträger. "Er ist ein großer Spieler mit Führungsqualitäten. Er weiß, was man braucht, um Champion zu sein", sagte Abwehrchef Sami Hyypiä im "Kicker".

Ziel: "Besser als im letzten Jahr"

Die Zielsetzung für Bayer in dieser Saison ist klar. Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser: "Wenn man im letzten Jahr Vierter war, will man jetzt Dritter werden." Oder vielleicht sogar noch ein bisschen besser. "Wir haben die Meisterschaft in der vorigen Saison im Kopf verloren, und mental sind wir mit Ballack diesmal sicher stärker", so Hyypiä.

Ballack wird die zentrale Figur im Spiel der Leverkusener. Um ihn herum baut Jupp Heynckes eine Mannschaft zusammen, die dank eines stark besetzten Kaders flexibel im 4-4-2 oder 4-2-3-1 agieren kann.

Insgesamt 22 Feldspieler hat der Bayer-Coach derzeit zur Verfügung, hinzu kommen vier Torhüter und der eine oder andere talentierte Youngster aus dem eigenen Nachwuchs. Ein Kader, der auf die Dreifachbelastung ausgelegt, gleichzeitig allerdings auch so stark besetzt ist, dass auf fast allen Positionen ein harter Kampf um die Stammplätze herrscht. Ein Überblick über die Situation im Kader.

TOR

Rene Adler, Benedikt Fernandez, Fabian Giefer, Tomasz Bobel

An Rene Adlers Status als Nummer eins gibt es überhaupt nichts zu Rütteln. Der 25-Jährige ist nach seiner Rippenverletzung wieder völlig fit und wird beim Saisonstart zwischen den Pfosten stehen.

"Die Verletzung ist vollständig ausgestanden. Ich bin jetzt seit fünf Wochen im Training. Ich habe auch die Kopfblockade überwunden, weil ich relativ schnell nach der Operation wieder angefangen habe, in den normalen Bewegungsablauf reinzukommen", so Adler im "Kölner Stadt-Anzeiger".

Ein Restrisiko allerdings bleibt, hat sich die Rippe bei Adler in der Vergangenheit doch schon einige Male als wunder Punkt erwiesen. Als mögliche Stellvertreter hat Bayer mit Fernandez, Giefer und Bobel reichlich Alternativen, einen längerfristigen Ausfall Adlers könnte dieses Trio allerdings nicht kompensieren.

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RECHTER VERTEIDIGER

Gonzalo Castro, Hans Sarpei, Daniel Schwaab, Hanno Balitsch, Arturo Vidal

In der letzten Saison war Daniel Schwaab die Nummer eins rechts hinten, auch weil Linksverteidiger Michal Kadlec lange Zeit verletzt ausfiel und Gonzalo Castro deshalb auf der linken Außenbahn ran musste.

Nun könnte Rechtsfuß Castro aber auch wieder auf rechts wechseln und den Vorzug vor Schwaab erhalten. Gut möglich auch, dass Heynckes aufgrund der Vielzahl an defensiven Mittelfeldspielern mal einen Sechser rechts hinten bringt.

Hanno Balitsch und Arturo Vidal haben in der Vergangenheit bereits als Rechtsverteidiger fungiert. Während Balitsch wohl nur eine Notlösung wäre, scheint Vidal nach den Erkenntnissen der Vorbereitung eine ernsthafte Option für die Außenbahn zu sein. Vor allem, wenn er seinen Trainingsrückstand aufgeholt hat und Ballack und Simon Rolfes wieder komplett fit sind.

LINKER VERTEIDIGER

Gonzalo Castro, Michal Kadlec, Hans Sarpei, Arturo Vidal

Im letzten Jahr kam Michal Kadlec aufgrund von Verletzungsproblemen nie richtig in Tritt und machte deshalb nur 23 Spiele. Nun ist der Tscheche fit und kämpft um den Platz links hinten. Sein Vorteil gegenüber den Konkurrenten: Kadlec ist als einziger Linksfuß.

Sollte auf der Gegenseite allerdings Arturo Vidal den Zuschlag erhalten, könnte Kadlec die Bank drohen, weil Heynckes auf die Qualitäten von Castro (Spielaufbau, Ballsicherheit) nur ungern verzichten würde.

Keine echte Option mehr für die Startelf ist Hans Sarpei. Der Ghanaer gilt als zuverlässiger Backup für die etablierten Kräfte, hat aber im Spiel nach vorne zu große Defizite und zudem durch seine WM-Teilnahme noch Trainingsrückstand.

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INNENVERTEIDIGER

Sami Hyypiä, Manuel Friedrich, Stefan Reinartz, Domagoj Vida

Hyypiä ist als Abwehrchef gesetzt. Daneben streiten sich Manuel Friedrich und Stefan Reinartz um den zweiten Platz. Wenngleich Heynckes große Stücke auf Reinartz hält, schien es, als ob Friedrich knapp die Nase vorn hat, auch weil der 30-Jährige einer der Leader im Team ist. Nun sagte Heynckes allerdings: "Reinartz ist sowieso gesetzt - egal ob im Mittelfeld oder in der Verteidigung."

Reinartz wird sich im Saisonverlauf wohl einen andauernden Kampf mit Friedrich liefern. Doch selbst der Verlierer dieses Duells wird im Abwehrzentrum zu seinen Einsätzen kommen, weil vor allem Hyypiä in englischen Wochen kürzer treten muss. "Ich kann nicht trainieren wie mit 20, darum habe ich manchmal etwas länger Pause als die anderen", so der Finne.

Heynckes hat bereits angekündigt, seinen Abwehrchef ab und an zu schonen, damit Hyypiä durch die Dreifachbelastung nicht in ein Loch fällt. Sollte der 37-Jährige dennoch mal schwächeln oder verletzungsbedingt ausfallen, hat Bayer mit Neuzugang Domagoj Vida noch einen talentierten Mann in der Hinterhand.

Der kroatische U-21-Nationalspieler war bei seinem Ex-Klub NK Osijek bereits Kapitän und gilt als eines der größten Abwehrtalente seines Landes. Bei Bayer ist er hinter Hyypiä, Friedrich und Reinartz allerdings erstmal nur die Nummer vier.

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DEFENSIVES MITTELFELD

Hanno Balitsch, Michael Ballack, Lars Bender, Stefan Reinartz, Simon Rolfes, Arturo Vidal, Gonzalo Castro

Eine der ersten Amtshandlungen Heynckes' war im letzten Jahr die Umstellung von einem Sechser auf zwei defensive Mittelfeldspieler. Daran wird der Bayer-Coach auch in dieser Saison festhalten - und hat in der Auswahl seiner Doppelsechs die Qual der Wahl.

Bei keinem anderen Bundesligisten sind die beiden Plätze vor der Abwehr derart umkämpft wie in Leverkusen. "Der ein oder andere wie etwa Hanno Balitsch wird es schwer haben. Aber wir haben bis Winter, wenn wir überall weiterkommen, 28 Spiele - da wird jeder gebraucht", ist sich Heynckes der kniffligen Situation bewusst.

Insgesamt kommen sieben Leute für die Sechserposition in Frage. Doch eigentlich sind Ballack und Rolfes in der Zentrale gesetzt. Zu Saisonbeginn kann Heynckes mit seinem Wunsch-Duo allerdings noch nicht planen. Während bei Ballack ein Einsatz am ersten Spieltag zumindest möglich scheint, kommt für Rolfes (Knorpelschaden im Knie) die Partie in Dortmund noch zu früh.

Statt des Kapitäns wird wohl Reinartz an Ballacks Seite beginnen. Sollte der auch passen müssen, heißt Bayers Doppelsechs am ersten Spieltag (und damit vorher im DFB-Pokal) Reinartz und Vidal. Neuzugang Hanno Balitsch und Youngster Lars Bender müssen sich erstmal hinten anstellen, Castro wird auf der Außenbahn gebraucht.

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OFFENSIVES MITTELFELD

Tranquillo Barnetta, Nicolai Jörgensen, Burak Kaplan, Renato Augusto, Marcel Risse, Sidney Sam

Auch im offensiven Mittelfeld ist Leverkusen stark besetzt - quantitativ wie qualitativ. Zwar schmerzt der Abgang des in der letzten Saison überragenden Toni Kroos, doch mit Rückkehrer Marcel Risse und den Neuzugängen Sidney Sam und Nicolai Jörgensen hat man drei neue, entwicklungsfähige Spieler dazu bekommen.

Mit dem lange verletzten Renato Augusto steht zudem "ein weiterer Neuzugang" (Rudi Völler) wieder voll zur Verfügung. "Er braucht Spielpraxis, muss den Rhythmus des Spiels wiederfinden. Und er muss vor allem lernen, dass die Mannschaft nicht mehr den Hurra-Stil pflegt wie vor meiner Zeit", mahnt Heynckes zwar, doch am Brasilianer ist auf dem rechten Flügel eigentlich kein Vorbeikommen, zumal Risse körperlich noch zulegen muss und Jörgensen mit Bänderriss einige Wochen ausfällt.

Um den Platz im linken offensiven Mittelfeld kämpfen Tranquillo Barnetta und Sidney Sam. Der Neuzugang vom Hamburger SV (zuletzt an den FCK ausgeliehen) hinterließ bislang einen guten Eindruck und hat durch Barnettas WM-Teilnahme momentan einen leichten Vorsprung.

Eine Möglichkeit, beide spielen zu lassen, wäre eine Umstellung auf ein 4-2-3-1-System, in dem Renato Augusto in die Zentrale rutschen würde und Sam (links) und Barnetta (rechts) die Flügel besetzen.

Für Nachwuchsmann Burak Kaplan wird's angesichts der Konkurrenz schwer, auf ausreichend Einsatzzeit zu kommen. Der SC Freiburg soll an einer Ausleihe des 20-Jährigen interessiert sein. Gehandelt wird in Leverkusen noch Nürnbergs Ilkay Gündogan. Der 19-Jährige tendiert allerdings, falls er wechselt, eher Richtung Hoffenheim.

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STURM: Wer darf neben Kießling ran?

STURM

Eren Derdiyok, Patrick Helmes, Stefan Kießling, Nicolai Jörgensen

Fest steht: An Stefan Kießling führt im Bayer-Sturm kein Weg vorbei, selbst wenn Heynckes mal auf das System mit nur einem Stürmer setzen sollte. Der Nationalspieler hat sich in der letzten Saison enorm entwickelt und mit 21 Treffern auch bewiesen, dass er mittlerweile ein echter Torjäger ist.

Da Heynckes in der Regel mit zwei Angreifern agieren will, lautet die Frage, wer an Kießlings Seite stürmt. In der Vorbereitung hinterließ Neuzugang Jörgensen einen richtig guten Eindruck, fällt nun aber mit Bänderriss vorerst aus.

Eren Derdiyok hingegen hat nach seinem WM-Urlaub noch Nachholbedarf und ließ schon zum Ende der letzten Saison einen kleinen Abwärtstrend erkennen. Die besten Karten scheint derzeit deshalb Patrick Helmes zu besitzen.

Der 26-Jährige ist wieder voll einsatzfähig und gibt sich selbstbewusst. "Wenn ich fit bin, dann spiele ich auch. Für die Bank bin ich zu gut", so Helmes, der schon vor seinem Kreuzbandriss gut mit Kießling harmonierte und sagt: "Jetzt bin ich stärker als vor meiner Verletzung."

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