Liga aus Luftschlössern

Daniel Reimann
19. März 201515:17
Alle englischen Teams mussten in der Königsklasse die Segel streichenspox
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Zum zweiten Mal in den letzten drei Jahren überlebt kein englisches Team das Achtelfinale der Champions League. Der Mythos Premier League wankt bedenklich, doch ihre Protagonisten verweigern sich der Realität. Stattdessen wird das Luftschloss noch höher gebaut. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Daniel Reimann.

2009 war ein glorreiches Jahr in der vergleichbar jungen Geschichte der Premier League. Arsenal, Chelsea, Manchester United: Gleich drei Teams von der Insel standen im Halbfinale der Königsklasse, das nur vom späteren Titelträger aus Barcelona komplettiert wurde. In der UEFA-Fünfjahreswertung betrug der Vorsprung auf Deutschland drei Plätze und rund 23,000 Punkte.

Sechs Jahre später ist der Vorsprung auf einen Platz und knapp 2,500 Zähler geschrumpft. Im Viertelfinale der Königsklasse ist kein einziges englisches Team mehr vertreten - wie auch schon in der Saison 2012/13.

"Die Premier League als stärkste Liga der Welt? Das ist ein Witz", kommentierte die Sun. Ein naheliegender Verdacht, wenn man die aberwitzige finanzielle Überlegenheit der Premier League in Relation zum internationalen Misserfolg ihrer Top-Klubs setzt. Denn die Realität sieht weitaus weniger rosig aus, als es der Mythos von der stärksten Liga der Welt erhoffen lässt.

Doppelter Rückstand

In der Fünfjahrewertung droht der Premier League eine Wachablösung durch die Bundesliga. Schon seit Jahren scheint der englische Fußball in seiner Weiterentwicklung zu stagnieren. Technisch und taktisch hinken die Inselklubs hinterher, Spielsysteme wie auch Spielertypen sind teilweise veraltet.

Der Guardian-Journalist Barney Ronay schrieb treffend von den "Früchten einer langen und hartnäckigen Anti-Moderne". Seine englische Spielertypologie reicht vom "fuchtelnden Mittelfeld-Storm-Trooper" über den "sich auftürmenden Innenverteidiger-Schrank" bis hin zum "Mittelstürmer vom Typ mittelalterlicher Belagerungsturm".

Und während sich die Premier League taktisch substanziellem Fortschritt verweigert und stattdessen weiterhin auf ebenso effekthaschende wie überteuerte Star-Transfers setzt, siecht auch die englische Nationalmannschaft dahin. 2014 erlebten die Three Lions mit dem ersten Vorrunden-Aus seit 56 Jahren in Brasilien den vorläufigen Tiefpunkt ihrer Nicht-Entwicklung.

Den Mythos verbal am Leben halten

Der einst so sattelfeste Mythos Premier League wackelt bedenklich. Besserung ist jedoch (vorerst) nicht in Sicht. Auch weil ihre Protagonisten die Realität offenbar nicht erkennen wollen. Jose Mourinhos Logik folgend, schneiden englische Teams in der Königsklasse deshalb so schlecht ab, weil die Premier League "eine sehr starke Liga" sei. "Da ist es sehr schwer, in Europa das Maximum seines Potenzials auszuschöpfen."

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Edin Dzeko, mit Manchester City an Barcelona gescheitert, bläst in das gleiche Horn. In anderen Top-Ligen Europas würden "ein, zwei oder vielleicht drei Teams um den Titel" kämpfen, so Dzeko gegenüber Goal. "In England sind es sechs oder sieben Teams, die Meister werden können, und außerdem können die Teams von unten die Top-Teams schlagen."

Die für ihn zwangsläufige Konsequenz daraus: "In der Premier League als stärkste Liga der Welt ist jedes Spiel hart. Du kannst deine Spieler nicht ausruhen lassen, weil du immer mit voller Stärke spielen musst, während die Gegner in Europa ihre Spieler in den heimischen Ligen manchmal schonen können."

Zumindest verbal wird der Mythos, der Seifenblasen-Traum von der noch immer stärksten Liga der Welt, damit weiter am Leben gehalten.

Hauptsache, die Seifenblase platzt nicht

Doch der Reflex hat auch seine Notwendigkeit. Die Premier League muss einfach attraktiv und erfolgreich sein. Anders ließe sich der erst neu geschlossene Rekord-TV-Vertrag kaum rechtfertigen. Die Liga der Achtelfinal-Ausscheider kassiert ab nächstem Jahr 2,3 Millarden Euro pro Spielzeit an TV-Geldern. Jährlich, versteht sich.

Von den 168 Spielen, die im heimischen Pay-TV übertragen werden, ist also jede Spielminute gut 152.000 Euro wert. Zu viel, um nicht die stärkste Liga der Welt zu sein. Ganz gleich, ob auf internationaler Ebene der sportliche Gegenwert zur finanziellen Allmacht ausbleibt.

Stattdessen erhalten die Vereine künftig noch mehr Geld, um sich mit Rampenlicht-tauglichen Top-Stars und diese wiederum mit aberwitzigen Gehaltsschecks auszustatten. Das Luftschloss wird noch höher gebaut. Ob das die internationale Wettbewerbsfähigkeit fördert, bleibt angesichts der jüngsten Entwicklung fraglich. Hauptsache, die Seifenblase platzt nicht.

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