Erkenntnisse des 14. Bundesliga-Spieltags: Schalkes Medizinball-Guru fällt Schneider auf die Füße - Hier ist Union Vorbild

Stefan Rommel
04. Januar 202110:19
Jochen Schneider steht auf Schalke seit Monaten in der Kritikgetty
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Was besonders die kleinen Klubs von Union Berlin lernen können, warum Schalke schon wieder ein neues Problem hat und die Gründe für Werders fatale Heimschwäche: Das und noch mehr in den Talking Points des 14. Spieltags.

Schalke 04: Auch Leuthard fällt Schneider auf die Füße

Schalke, mal wieder. Der Dauergast dieses Formats. Aber es gibt halt auch so viel zu klären. Zum Beispiel die Frage, an welchen Stellen nun denn noch nachgebessert werden soll? Am Kader, sagt Trainer Christian Gross, sprich: Neue Spieler sollen her, die kratergroßen Lücken im Kader gestopft werden. Aber wie soll das gehen ohne Geld? Am Trainerteam hat Schalke in den letzten Tagen ja schon wieder justiert und den so genannten Staff nochmals vergrößert. Cheftrainer Gross wird nun auch assistiert von Rainer Widmayer, einem dritten Co-Trainer also. Damit umfasst Schalkes Trainerteam insgesamt neun Personen! Unter ihnen übrigens auch der "Leiter Performance Lizenzspieler" Werner Leuthard - was zu einem dritten Ansatzpunkt führt: Der Fitness der Spieler.

Neu-Trainer Gross monierte nach dem 0:3 bei Hertha BSC (die Highlights im Video) mehr oder weniger offen einige körperliche Defizite seiner Spieler, was sofort auf Leuthard zurückfällt. Der wurde erst im Sommer von Sportvorstand Jochen Schneider zurückgeholt zu Schalke, um genau das zu verhindern.

Leuthard ist Oberleutnant der Reserve, früher gehörte er stets den jeweiligen Schleifer-Trupps von Mister Medizinball Felix Magath an. Bei seiner Installierung folgte Schneider also wieder seinem gewohnten Muster: Leute holen, die er noch aus Stuttgart oder Leipzig kennt oder die schon mal bei Schalke waren. Oder beides. Offenbar bleibt der Effekt von Leuthards Arbeit aber überschaubar. Sollte Gross' Einschätzung stimmen, dann muss man Leuthard wohl auch in die Liste jener Verpflichtungen aufnehmen, die Schalke nicht wirklich weiter gebracht haben. Oder eben nur bis zu einem gewissen Punkt. Letztlich fällt auch das auf Schneider zurück.

Der VAR bleibt enervierend

Mal etwas Beamtendeutsch, ein Statement von Dr. Jochen Drees, dem DFB-Projektleiter für den Bereich Video-Assistent: "...demzufolge ist es in dieser speziellen Situation für den Video-Assistenten nicht möglich gewesen, einen zweifelsfreien, bildlichen Beleg zu finden, dass die Entscheidung des Schiedsrichters falsch war und dementsprechend ist das Nicht-Eingreifen des Video-Assistenten als korrekt zu bewerten. Technische Hilfsmittel, wie Lupenvergrößerung, animierte Bilder, etc. werden im Überprüfungsprozess des Video-Assistenten grundsätzlich nicht eingesetzt, da ganz bewusst auf eine detektivische Suche verzichtet werden soll und der Video-Assistent nur bei klaren, offensichtlichen Fehlentscheidungen eingreift, die auf der Grundlage aller Kamerabilder, die auch jedem Zuschauer zur Verfügung stehen, basieren."

Alles klar, oder!?

Es geht um die Handspielszene bei Freiburgs Spiel (die Szene im Video) in Hoffenheim, die ARD-Sportschau hatte Bilder gefunden, die kein Handspiel von Hoffenheims Bogarde suggerieren. Aber eben nicht belegen können. Und weil Schiedsrichter Hartmann im Spiel auf Strafstoß entschied, schritt der VAR nicht ein. In Dortmund war das ganz anders. Da sichtete Bibiana Steinhaus im Kölner Keller rund fünf Minuten lang, erkannte dann aber trotz einiger triftiger Gründe nicht auf ein Handspiel von Dortmunds Witsel (die Szene im Video). Die Gründe dagegen waren wohl die besseren. Es bleibt eine Abwägungssache, welches Argument ist stärker als das andere? Und es bleibt enervierend.

VfB Stuttgart: Wichtig ist auf dem Platz? Hier nicht

Wenn man keine Probleme hat, dann schafft man sich eben welche. Was beim VfB Stuttgart in den letzten Tagen los war, ist eigentlich kaum zu beschreiben. Das Schmierentheater um die Macht beim VfB dürfte in der Geschichte der Bundesliga einzigartig sein. Was auch immer Thomas Hitzlsperger geritten hat, ob aus freien Stücken oder auf Druck vom Ankerinvestor Daimler, bleibt bis auf Weiteres sein Geheimnis.

Dass nun nach einem so genannten "Gespräch unter Männern" wieder ein gemeinsames Ziel formuliert werden und zusammen zum Wohl des Vereins agiert werden soll, darf stark bezweifelt werden. Dafür waren Ton und Darreichungsform der offenen Briefe Hitzlsperger und Claus Vogts zu schroff und unversöhnlich. Unterm Strich bleibt als Zwischenfazit, dass sich der VfB mal wieder einzureißen droht, was er sich in mühevoller Kleinarbeit aufgebaut hat.

Sportlich läuft es ungeachtet von zuletzt zwei Niederlagen in Serie in der Liga ohne eigenes Tor immer noch sehr gut. Denn nein: Das 0:1 gegen Leipzig hatte rein gar nichts mit dem Getöse im Umfeld zu tun. Stuttgarts Mannschaft ist gefestigt, sie zeigt richtig guten, strukturierten Offensivfußball und eine gehörige Portion Moral. Aber das geht im Moment mit unter im Sumpf der Macht- und Ränkespiele. Und das ist schade, weil diese Mannschaft was anderes verdient hätte als das fast schon obligatorische Chaos drumherum.

Werder kann nur noch auf eine Sache hoffen

Wie lange soll das noch so weitergehen? Werder bleibt ein unglaublicher Schlaffi im eigenen Stadion. Im abgelaufenen Kalenderjahr hat die Mannschaft in 16 Heimspielen inklusive der Relegation ganze 13 Tore erzielt - fast die Hälfte davon in diesem einen lebensrettenden Spiel gegen Köln (6:1), als der Gegner schlicht keinen Bock mehr auf Fußball hatte. Achtmal bleib Werder ganz ohne Tor, abgesehen vom Köln-Spiel gab es nie mehr als einen Bremer Treffer.

Das ist einfach nur grauenhaft und fasst die Offensivbemühungen der Mannschaft auf den Punkt zusammen. Werder hat die schwächste Offensive der Bundesliga, keine Mannschaft ist so dermaßen hilflos im eigenen Ballbesitz und abhängig von der Rückkehr einiger zugegeben wichtiger Spieler. Niclas Füllkrug und Davie Selke haben gegen Union den Anfang gemacht, Milot Rashica soll irgendwo auch noch folgen.

Aber: Allein an Einzelspieler sollte Werder sein Wohl und Wehe nicht knüpfen und das Schicksal nicht noch einmal so herausfordern wie in der letzten Saison. Das Problem: Am Kader lässt sich kaum noch etwas drehen, weil auf jeden Fall das nötige Geld und vielleicht auch die eine oder andere frische Idee der Scoutingabteilung fehlt. Der Kader wird verkorkst und krumm bleiben bis zum Saisonende - um dann im Falle des Klassenerhalts Davie Selke für ein Heidengeld aus Berlin fest verpflichten zu müssen. Das passt einfach hinten und vorne nicht und nach aktuellem Stand der Dinge wird Bremen schlicht darauf hoffen müssen, dass es am Ende drei noch schlechtere Mannschaften gibt.

Union Berlin als Vorbild für alle kleinen Klubs

Der krasse Gegenentwurf zu Werder Bremen ist Union Berlin. Nicht nur wegen des locker-lässig eingefahrenen 2:0-Sieges vom Samstag in Bremen (die Highlights im Video). Sondern weil in Berlin alle diese Dinge in den richtigen Bahnen laufen, die bei Werder längst entgleist sind. Was möglich ist mit einigen guten Entscheidungen, einem funktionierenden Trainerteam und sehr guten Griffen auf dem Transfermarkt, zeigt Union eindrucksvoll.

Trainer Urs Fischer ist nichts weniger als ein Paradigmenwechsel gelungen, inmitten der von vielen beklagten Pandemie mit ihren Unwägbarkeiten und nicht gekannten Hindernissen in der täglichen Arbeit mit der Mannschaft. Union spielt in vielen Phasen einen völlig neuen Fußball, technisch anspruchsvoller, mutiger im Ansatz und doch unglaublich sauber. Dabei haben auch die Berliner nicht Aber-Millionen zur Verfügung.

Aber alleine die Tatsache, dass Spieler wie Sheraldo Becker ablösefrei oder Taiwo Awoniyi für kleines Geld ausgegraben und von einem Engagement in Berlin überzeugt werden konnten, ist eine große Leistung von Fischer und natürlich auch Sportchef Oliver Ruhnert. Becker und Awoniyi schraubten Werder am Samstag fast mühelos auseinander, für Awoniyi geht damit der Lauf einfach weiter. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit in der Bundesliga blüht der Nigerianer voll auf, hat in den letzten sieben Spielen sieben Scorerpunkte eingesammelt.

Damit kommt er dem verletzten Max Kruse im internen Ranking immer näher - über den derzeit bei Union kaum jemand spricht. Weil die Mannschaft auch ohne ihren besten Spieler und noch ein paar andere Verletzte mehr so unglaublich gefestigt ist. Für die gesamte Startelf vom Bremen-Spiel musste Union übrigens lumpige fünf Millionen Euro Ablösesumme bezahlen, allein Bremens Leo Bittencourt kostete den Gegner sieben Millionen Euro. So unterschiedlich kann Kaderplanung sein.

Bundesliga: Die Tabelle nach dem 14. Spieltag

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Bayern München1444:212333
2.RB Leipzig1425:91631
3.Bayer Leverkusen1429:141528
4.Borussia Dortmund1428:181025
5.1. FC Union Berlin1429:181124
6.Wolfsburg1420:15524
7.Borussia M'gladbach1425:22321
8.Eintracht Frankfurt1423:23020
9.SC Freiburg1423:24-120
10.FC Augsburg1416:19-319
11.VfB Stuttgart1426:21518
12.Hertha BSC1423:24-116
13.TSG Hoffenheim1422:26-415
14.Werder Bremen1416:23-714
15.1. FC Köln1413:22-911
16.Arminia Bielefeld149:24-1510
17.1. FSV Mainz 051414:31-176
18.Schalke 04148:39-314