2009 weilte Neuzugang Charles Aranguiz das erste Mal in Leverkusen, sechs Jahre später ist der chilenische Nationalspieler nach langem Gezerre Bayers letzter Transfer des Sommers. Im Spielertypen Aranguiz steckt eine gehörige Portion Arturo Vidal - doch das gilt nur für seine Eigenschaften auf dem Platz.
"Er hat Lust zu spielen und Chilenen sind belastbar", verkündete Bayer Leverkusens Coach Roger Schmidt letzte Woche. Neben ihm saß Charles Aranguiz und machte tatsächlich keinen Eindruck von Müdigkeit.
Es war wohl aber doch besser, dass Bayers letzter Neuzugang dieser Sommertransferperiode am 1. Bundesligaspieltag lediglich die Bank wärmte. Hinter Spieler und Verein lagen schließlich anstrengende Monate, ein paar Stunden zum Durchschnaufen dürften da nicht ganz unrecht gekommen sein.
Das intensive Gezerre um Aranguiz dauerte mehrere Wochen an, für einen Transfer aus Südamerika keine Seltenheit. Leverkusen musste sich im Kampf um den Chilenen mit mehreren Parteien auseinandersetzen, neben Verein und Berater saß noch eine Rechteagentur mit am Verhandlungstisch.
Aranguiz kam überraschend auf den Markt
"Es war beileibe kein einfacher Transfer, aber mir ist es dann doch etwas zu viel Hype um ihn", sagt Manager Jonas Boldt, der die Gespräche in Brasilien zum Abschluss brachte, im Gespräch mit SPOX. "Wir haben auch weitere gute Transfers getätigt: Kramer, Mehmedi und Tah deuteten bereits an, dass wir noch viel Spaß mit ihnen haben werden."
Dass Aranguiz vielerorts als Königstransfer tituliert wurde, ist Boldt ein Dorn im Auge. Vielmehr sei Aranguiz ein weiterer Baustein in Bayers Bestreben, die Qualität innerhalb des Kaders weiter sinnvoll anzuheben - wie es eben auch die nicht minder begabten Tah, Medmedi oder Kramer sind.
Es kam für Bayer überraschend, dass Aranguiz, der 2009 für die chilenische Nationalmannschaft debütierte und bislang auf 40 Länderspiele kommt, überhaupt auf den Markt gespült wurde. Da der abgebende Verein Porto Alegre jedoch nicht gerade auf Rosen gebettet ist, witterten die Brasilianer ein gutes Geschäft, als Aranguiz mit La Roja Anfang Juli die Copa America gewann.
Schon als U20-Nationalspieler aufgefallen
Der 26-Jährige gehörte bei diesem historischen Triumph zu den unangefochtenen Leistungsträgern, an der Seite von Arturo Vidal gelangen ihm die zweitmeisten Torschuss-Vorlagen (14) sowie drei Torbeteiligungen (2 Treffer, 1 Assist).
Es benötigte aber nicht dieses Turnier, dass Aranguiz den Verantwortlichen unterm Bayer-Kreuz auffiel. Einen Spieler gänzlich neu zu entdecken ist in der durchgescouteten Fußballwelt mittlerweile ein Relikt vergangener Tage.
Aranguiz stand schon in den Notizblöcken von Bayers Scoutingabteilung, als er noch U20-Nationalspieler war. Noch dazu beherbergte man seine Teamkollegen und ihn 2009 anlässlich des Freundschaftsspiels zwischen Deutschland und Chile in Leverkusen im Hotel an der BayArena.
Bayer sticht Leicester City aus
Damals machte der 20-jährige Aranguiz seine ersten Schritte im A-Team und trainierte mit Chile auf den Plätzen der Leverkusener. Die damaligen Impressionen waren jetzt sicherlich ein kleines Detail dafür, dass sich Aranguiz und sein renommierter Berater Fernando Felicevich früh auf einen Wechsel zu Bayer einigten.
Dass der Deal trotz der Einigkeit mit der Spielerpartei nicht früher über die Bühne ging, lag an den marktüblichen Begehrlichkeiten, die ein Erfolg wie bei der Copa America auslöst. Allen voran Leicester City fuhr Bayer in die Parade, doch das finanziell attraktivere Angebot der Engländer für Spieler und Verein ließ Aranguiz nicht umdenken.
Das Paket, das Bayer ins Feld führte, klang sportlich schlichtweg verlockender: Ein Trainer, der einen ähnlichen Spielstil wie in der chilenischen Nationalelf predigt, die starke Vorsaison in der Champions League, eine Aussicht auf erstmalige Einsätze in der Königsklasse - es waren nicht nur die warmen Worte von Deutschlandkenner Vidal, die Aranguiz nach Leverkusen lockten.
Boldt: Spielweise entspricht Aranguiz
Vergangene Woche nun gelang der endgültige Durchbruch. Boldt schaffte es, den Willen des Spielers und der Leverkusener durchzusetzen. Der zweifache Familienvater Aranguiz unterschrieb am Mittwochabend einen Vertrag bis 2020. Die Ablösesumme soll knapp über elf Millionen Euro betragen haben.
Trainer Schmidt sieht in ihm einen Sechser, der den teaminternen Konkurrenzkampf im Zentrum auf eine neue Stufe anheben wird. Mit Kapitän Lars Bender, Weltmeister Christoph Kramer und Aranguiz hat Bayer nun drei bärenstarke Staubsauger im Kader.
"Charles Aranguiz hat durch die Teilnahme an der Copa Libertadores und den Gewinn der Copa America noch einmal wichtige Erfahrungen gesammelt. Doch natürlich muss er sich nun zunächst an Deutschland und die Sprache gewöhnen. Er wechselt zu einer bereits funktionierenden Mannschaft, deren Spielweise ihm jedoch absolut entspricht", sagt Boldt.
"Belastbar, laufstark, ohne Angst
Im Spielertypen Aranguiz steckt nämlich eine gehörige Portion Vidal, wenn auch er weniger Torgefahr als der Bayern-Neueinkauf ausstrahlt. Er ist eher der Akteur für den vorvorletzten Pass, die Vorlage zur Vorlage. Sein Biss, die Aggressivität im Spiel gegen den Ball sowie seine strategischen Fähigkeiten im Aufbauspiel dürften Bayers Team eine hochwertige Prise Qualität hinzufügen.
"Er ist ein extremer Mannschaftsspieler: Belastbar, laufstark und ohne Angst auf dem Spielfeld", lobt Boldt. "Er verhält sich sehr gut in den Räumen, hat einen tollen Überblick über unterschiedliche Spielsituationen und kann auch gute Bälle spielen. Diese Vielseitigkeit macht ihn so wertvoll, er ist eine richtige Arbeitsbiene."
So umtriebig der lediglich 1,72 Meter große Aranguiz auf dem Platz daherkommt, so geerdet gibt er sich im Privatleben. Mit etwas Übertreibung ist dies für chilenische Fußballspieler fast schon ein Alleinstellungsmerkmal, viele polarisieren schließlich enorm - die Felicevich-Klienten Vidal und Alexis Sanchez dienen als gutes Beispiel.
Aranguiz dagegen ist bislang noch ohne Skandale ausgekommen, Boldt beschreibt ihn als "sehr zurückhaltend und ruhig, er braucht das Rampenlicht nicht so sehr". In diesem wird er aber ab sofort stehen. Doch dass sich Aranguiz im kalten Wasser freischwimmen kann, bewies er gleich ganz zu Beginn seiner Karriere: Bereits als 16-Jähriger debütierte er beim nordchilenischen Klub CD Cobreloa in der ersten Liga.
Charles Aranguiz im Steckbrief