"Das will leider nur meine Frau"

Benjamin Wahlen
31. März 201513:43
Roel Brouwers wechselte 2007 vom SC Paderborn zu Borussia Mönchengladbachgetty
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Roel Brouwers steht seit mehr als acht Jahren in Diensten von Borussia Mönchengladbach, ist Kultfigur, Publikums-Liebling und verlässliche Größe in der Innenverteidigung. Im SPOX-Interview spricht der 33-Jährige über seinen auslaufenden Vertrag, den Frust eines Backups und flüchtende Zimmergenossen.

SPOX: Herr Brouwers, sicher haben Sie das überraschende Urteil nach der Klage von Heinz Müller mitbekommen. Viele sprachen anschließend von einem möglichen neuen Bosman-Urteil. Wie nehmen Sie die Situation wahr?

Roel Brouwers: Ich habe in einem niederländischen Magazin von dem Urteil gelesen. Es wäre total verrückt, wenn sich das im Profisport durchsetzen würde, weil es eine ganz andere Art von Beruf ist. Man kann nicht bis in ein Alter von 67 Jahren professionell Fußballspielen.

SPOX: Tatsächlich ist das Thema für Sie aktuell relevant, da auch Ihr Vertrag in Gladbach mit der laufenden Saison endet. Max Eberl signalisierte erst vor kurzem Bereitschaft, ein weiteres Jahr verlängern zu wollen. Wie ist der Stand?

Brouwers: Es gibt im Moment noch kein definitives Ja. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich auch in der kommenden Saison für die Borussia spiele, ist sehr groß.

SPOX: Aber einklagen werden Sie sich nicht, oder?

Brouwers: Nein, das würde für mich nie in Frage kommen. Dafür habe ich in meinen acht Jahren hier zu viele Freunde gewonnen und zu viel Positives erlebt.

SPOX: Stattdessen war zu lesen, dass Sie sich durchaus vorstellen könnten, nochmal in den USA zu spielen. Ihre bisherigen Stationen liegen alle in einem Umkreis von etwa 100 km. Woher das plötzliche Fernweh?

Brouwers: Eine niederländische Interseite hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, nochmal nach Amerika oder Australien zu gehen, weil es viele Niederländer gibt, die das zum Abschluss ihrer Karriere machen. Ich habe lediglich gesagt, dass so ein Abenteuer auch eine Option sein könnte. Mein Wunsch ist aber, weiter in Gladbach zu bleiben, deswegen ist das Thema USA hoffentlich bald vom Tisch.

SPOX: Im vergangenen Sommer standen Sie vor einer ganz ähnlichen Situation und erhielten einen neuen Vertrag. Wie froh sind Sie, dass Sie nun mit der Borussia die erfolgreichste Saison der Neuzeit spielen und mit schon zwölf Einsätzen keinen unwesentlichen Anteil am Erfolg haben?

Brouwers: Ich bin natürlich sehr froh, dass man mir im letzten Jahr das Vertrauen und die Möglichkeit geschenkt hat, weiter bei diesem super Verein spielen und dieses Jahr miterleben zu können. Es ist toll, ein Teil dieser Mannschaft zu sein. Aber: Bisher haben wir noch nichts erreicht! Wir müssen dieser Saison jetzt auch ein gutes Ende bereiten und in jedem Spiel an unsere Grenzen gehen.

SPOX: Wann kann man von einem guten Ende sprechen?

Brouwers: Wir wollen in beiden Wettbewerben so weit wie möglich kommen. In der Bundesliga heißt das Platz drei, damit wir die Champions-League-Vorrunde umgehen können. Im Pokal sollten wir am besten noch drei Spiele gewinnen.

SPOX: Trainer, Mitspieler und Fans schätzen Sie als verlässlichen Backup. Wie schaffen Sie es, immer sofort Ihre Leistung abzurufen, egal ob Sie von Anfang an spielen oder von der Bank kommen?

Brouwers: Ich gebe in jedem Training alles und scheue keinen Meter oder Zweikampf, damit ich fit und konzentriert bin, wenn sich die Chance ergibt. Das hat für mich in den letzten Jahren immer gut geklappt und so werde ich auch weitermachen.

SPOX: Auch deshalb werden Sie als Vollblut-Profi bezeichnet, der immer seine Leistung bringt, gleichermaßen aber auch nicht zum Querulant wird, wenn er nicht spielt. Auch wenn Sie sich nach außen immer professionell verhalten haben: Mussten Sie nicht hin und wieder die Faust in der Tasche ballen?

Alles zu Roel Brouwers

Brouwers: Solche Momente gab es zweifellos, vor allem zu Beginn der Saison, als ich einige Male auf der Tribüne gesessen habe. Natürlich ärgert man sich da und kommt dann auch nicht so gerne zum Training wie sonst. Aber bei wem das anders ist, der ist im Profisport falsch aufgehoben. Ich will so oft es geht spielen, das ist doch klar. Wichtig ist aber, trotzdem immer positiv zu bleiben. Dass es seit der Rückrunde wesentlich besser läuft, zeigt, dass es sich lohnt, nicht aufzugeben und sich immer wieder ranzukämpfen.

SPOX: Wissen Sie eigentlich, dass Sie laut Opta der Verteidiger mit der drittbesten Passquote der Bundesliga (91,13 Prozent) sind? Nur Holger Badstuber und Dante finden öfter den Nebenmann als Sie.

Die Opta-Saisonstatistiken von Roel Brouwers

Brouwers: Ehrlich? Nein, das wusste ich nicht. Ich weiß auch gar nicht, wo ich sowas nachsehen kann. Aber es freut einen natürlich, sowas zu hören. Auch wenn ich nicht so viele Spiele gemacht habe, ist das ja keine schlechte Quote (lacht).

SPOX: Sie sind seit 2007 bei der Borussia, werden von den Fans geliebt und gefeiert. Ist es ein gutes Gefühl, als Kultfigur zu gelten?

Brouwers: Ja, das ist etwas ganz Besonderes. Ich freue mich jedes Mal, wenn mich die Fans unterstützen und bin richtig stolz darauf, mir so ein gutes Standing erarbeitet zu haben. Die Fans bekommen mit, wenn man alles für den Verein gibt, auch wenn es persönlich nicht immer optimal läuft. Das spürt man ganz deutlich. Wenn das ganze Stadion nach einer guten Aktion von mir "Roooeeeeeel" ruft, kriege ich immer noch Gänsehaut.

SPOX: Was hätten Sie jemandem entgegnet, der Ihnen nach Ihrem Wechsel nach Gladbach in die 2. Liga gesagt hätte, dass Sie in acht Jahren immer noch am Niederrhein sind, absoluter Publikumsliebling sind und um den Einzug in die Champions League spielen?

Brouwers: Den hätte ich wahrscheinlich für verrückt erklärt (lacht). Aber im Ernst, der Verein hat in diesen acht Jahren eine unglaubliche Entwicklung genommen und sich Schritt für Schritt verbessert.

SPOX: Welche Faktoren haben in Ihren Augen zu dieser Entwicklung beigetragen?

Brouwers: Ein wesentlicher Punkt ist, dass endlich Stabilität und Ruhe eingekehrt ist. Nach dem Aufstieg gab es unheimlich viele Wechsel, in der Mannschaft und auch im Management. Mittlerweile sind Max Eberl und Lucien Favre schon viele Jahre im Amt. Es kommt keine Hektik mehr auf, was uns allen sehr gut tut. Dazu kommt, dass die Mannschaft von Saison zu Saison verbessert wurde.

SPOX: Wenn es keinen großen Einbruch mehr gibt, führt diese Entwicklung im nächsten Jahr in die Champions League. Ist das für Sie ein zusätzlicher Anreiz, nochmal alles zu geben, um Gladbach zu beweisen, dass man auch in der kommenden Saison auf Sie zählen kann?

Brouwers: Ich bin jetzt seit so vielen Jahren hier, ich muss hier keinem mehr etwas beweisen. Die Verantwortlichen wissen, was ich kann und was ich nicht kann. Ich werde aber trotzdem alles dafür geben, die Saison so gut wie möglich zu beenden.

SPOX: Ist es auch für Sie persönlich ein Traum, nochmal in der Champions League zu spielen?

Brouwers: Absolut. Welcher Fußballer würde da nicht von träumen? Auf dem Rasen zu stehen, wenn die CL-Hymne läuft, wäre schon ein Highlight.

SPOX: Was waren bisher Ihre Highlights in acht Jahren Borussia Mönchengladbach?

Brouwers: Da gibt es so viele, das kann man mit einem Satz gar nicht beantworten. Natürlich der Aufstieg in meinem ersten Jahr, der enorm wichtig für den Verein war. Aber auch die Saison 2011/12, als wir es als Fast-Absteiger auf Platz vier geschafft haben und auch die Spiele in der Europa League waren Highlights.

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SPOX: Die Erwartungshaltung der Fans passt sich der tabellarischen Situation eines Vereins meistens an. Spüren Sie das auch als Spieler?

Brouwers: Man merkt, dass es anders ist als noch vor vier, fünf Jahren. Wir hatten einige schwierige Saisons nach dem Aufstieg. Seit drei Jahren spielen wir nun im oberen Drittel der Tabelle. Es ist ganz normal, dass auch die Fans immer von Höherem träumen, Man darf aber nicht vergessen, wo wir herkommen und wo wir vor ein paar Jahren noch standen.

SPOX: Ihr Name wird immer auch mit Torgefahr verbunden. Waren Sie in der Jugend mal Stürmer oder woher kommt der Instinkt vor dem Tor?

Brouwers: Ich war früher tatsächlich mal Stürmer, aber das war mit zehn oder elf Jahren. Wer weiß, vielleicht ist da immer noch was von drin. Ich versuche immer, bei Ecken und Standards zum Abschluss zu kommen und bestimmte Situationen vorherzusehen. Insgesamt ist mir das immer ganz gut gelungen.

SPOX: In der Saison 2009/10 trafen Sie sogar acht Mal und wurden als Kandidat für die niederländische Nationalmannschaft bei der WM 2010 gehandelt, der Anruf Bert van Marwijks blieb aber aus. Sind Sie sehr enttäuscht, nie für Ihr Land gespielt zu haben?

Brouwers: Nein. Natürlich hätte ich gerne auch mal in der Nationalmannschaft gespielt und denke, wenn es in meiner Karriere mal passiert wäre, dann hätte es in dieser Saison sein müssen. Aber es ist nicht so, dass ich jetzt deswegen nicht schlafen kann. Für mich war es schon toll, dass mein Name in dieser Diskussion immer wieder gefallen ist. Seitdem bin ich in den Niederlanden ein bisschen bekannter geworden - also hatte es auch einen positiven Zweck, auch wenn es am Ende leider nicht gereicht hat.

SPOX: Für Thorben Marx und Filip Daems wird es die letzte Saison bei Gladbach sein. Kommen da schon mal wehmütige Gefühle auf? Schließlich haben Sie mit beiden jahrelang Seite an Seite um den Aufstieg, gegen den Abstieg und in Europa gekämpft.

Brouwers: Ja, das ist sehr schade. Ich habe auch neben dem Platz viel Kontakt zu Filip und werde ihn sehr vermissen. Aber auch das gehört zum Fußball dazu, irgendwann holt einen das Alter ein.

SPOX: Filip Daems ist jetzt seit mehr als zehn Jahren in Gladbach. Ist sein Einfluss immer noch spürbar, auch wenn er aktuell nicht mehr Teil der ersten Elf ist?

Brouwers: Absolut, kein Spieler ist hier länger als Filip. Er kennt hier alles, hat jeden Spieler kommen und viele auch wieder gehen sehen. Er war dabei, als aus Talenten wie Patrick Herrmann, Tony Jantschke oder Marc-Andre ter Stegen gestandene Bundesligaprofis wurden. Er genießt nach wie vor eine sehr gute Stellung in der Mannschaft.

SPOX: Spricht man auch über die sportliche Situation? Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

Brouwers: Das ist auch regelmäßig ein Thema. Wir sprechen über seine Lage und wie es für ihn in Zukunft weitergeht. Spielt er noch ein Jahr woanders weiter oder hört er auf? Wir reden aber auch über meine Situation. Filip und ich sind über die Jahre zusammengewachsen.

SPOX: Mit ihnen in einem Zimmer schlafen will aber auch Filip Daems nicht, weil Sie angeblich so laut schnarchen.

Brouwers: Das stimmt, das will leider nur meine Frau. Wenn ich mal zu laut schnarche, stößt sie mich an und dann höre ich auch sofort auf. Aber so ist zu erklären, warum meine Kollegen nicht so gerne mit mir in einem Zimmer schlafen.

SPOX: Ist doch gar nicht so schlecht. So haben Sie immer ein Einzelzimmer...

Brouwers: Da haben Sie Recht. Meistens kann ich machen, was ich will.

SPOX: Dante, Kleine, Stranzl, Jantschke oder Dominguez - Sie habe in Gladbach schon mit vielen Nebenmännern gespielt. Von wem haben Sie am meisten gelernt?

Brouwers: Da muss ich ehrlich gesagt noch etwas weiter zurückgehen und Patrick Paauwe nennen. Er hat ganz am Anfang mit mir in der Innenverteidigung gespielt, bevor er ins Mittelffeld vorgerückt ist. Ich war gerade 25 Jahre alt und er ein gestandener Spieler mit viel Erfahrung. An seiner Seite konnte ich mein Stellungsspiel und meine Übersicht enorm verbessern. Er hat sogar mit mir auf einem Zimmer geschlafen - bis es irgendwann nicht mehr ging...

SPOX: Mittlerweile ist Martin Stranzl der unumstrittene Abwehrchef in Gladbach, der seinen Vertrag vor der Saison erneut verlängert hat, obwohl er eigentlich schon vor drei Jahren aufhören wollte. Lässt er sich von Max Eberl Jahr für Jahr überreden, bis er 40 ist?

Brouwers: Das kann sein, das weiß ich nicht (lacht). Man muss bei älteren Spielern immer gucken, wie sie körperlich drauf sind. Martin hat in dieser Saison schon so viele Spiele gemacht und ist trotzdem immer voll auf der Höhe. Ich sehe keinen Grund, warum er dieses Level nicht auch noch ein paar weitere Jahre halten kann.

SPOX: Unabhängig davon, ob Sie noch ein Jahr in Gladbach bleiben, oder vielleicht doch in die USA gehen - das Karriere-Ende rückt näher. Wie sind Ihre Pläne? SPOX

Brouwers: Kann ich noch gar nicht genau sagen. Ich denke immer wieder darüber nach, habe bis heute aber nichts gefunden, was ich gerne machen will. Ich denke, wenn ich aufhöre, was hoffentlich noch nicht dieses Jahr passiert, wird sich schon etwas ergeben.

SPOX: Wollen Sie nicht ins Trainergeschäft einsteigen?

Brouwers: Darüber habe ich mir auch Gedanken gemacht, bin aber gar nicht sicher, ob ich das überhaupt will. Ich kann mir auf jeden Fall sehr gut vorstellen, weiter für die Borussia tätig zu sein, wenn der Verein das auch will. Aktuell gibt es für mich aber nur das Ziel, auch im kommenden Jahr im Gladbach-Trikot auf dem Platz zu stehen.

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