Nach fast 40 Jahren Bundesliga muss der VfB Stuttgart den bitteren Gang in Liga zwei beschreiten. SPOX macht die Bestandsaufnahme des schwäbischen Scherbenhaufens und beantwortet die wichtigsten Fragen: Was wird aus Robin Dutt? Wie sieht der Zweitliga-Kader der Schwaben aus? Und: Wie realistisch ist der sofortige Wiederaufstieg?
Was waren die unmittelbaren Konsequenzen?
Der sportliche GAU war noch keinen Tag alt, da begann beim VfB das große Köpferollen. Coach Jürgen Kramny wird die Mannschaft nicht weiter führen. Abgesehen davon, dass man im Klub nicht der Meinung ist, dass Kramny der richtige Mann für den Neuanfang ist, greift auch dem Abstieg ohnehin wieder dessen alter Vertrag für die Zweite der Stuttgarter. Ob Kramny diesen Posten wieder antreten wird, ist allerdings mehr als fraglich - schließlich musste auch die Reserve der Schwaben den Gang aus Liga drei in die Regionalliga antreten.
SPOX-Meinung zum Abstieg: Ländle unter
Kurz nach Kramny nahm auch Präsident Wahler, der sich öffentlich verantwortlich zeigte für den Abstieg, nach einem Gespräch mit dem Aufsichtsrat in gegenseitigem Einvernehmen seinen Hut und erklärte seine Mission beim VfB für gescheitert. Lediglich Sportvorstand Robin Dutt hat seinen Posten (noch) nicht geräumt.
Mit Jochen Röttgermann (Marketing) und Stefan Heim (Finanzen) führen die beiden verbliebenen Vorstände aktuell die Geschäfte des Klubs. Der Aufsichtsrat, bestehend aus Chef Martin Schäfer (Würth) sowie Hartmut Jenner (Kärcher) und Winfried Porth (Daimler), feilen aktuell an der zukünftigen Besetzung der Führungspositionen im Klub.
Bitter: Eigentlich wollte der VfB seine Mitglieder am 17. Juli in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung über die geplante Ausgliederung der Fußballabteilung abstimmen lassen. Wie man aus Schwaben vernimmt, wird die Versammlung ob des Abstiegs und des Abschieds von Ex-Präsident Wahler, der die größte Triebkraft hinter der geplanten Umwandlung der Cannstatter in eine Fußball-AG war, höchstwahrscheinlich abgesagt.
Was wird aus Robin Dutt?
Die Führungsetage beim VfB sitzt in der Zwickmühle. Und muss sich die Fragen stellen: Ist es in einer derartigen Ausnahmesituation für den kompletten Neustart besser, alle Führungspositionen neu zu besetzen? Oder hält man in Robin Dutt einen zweifellos nicht fehlerlosen Sportchef, der jedoch als einziger in der sportlichen Exekutive Bundesliga-Erfahrung hat?
Fest steht, dass es der Klub sein wird, der über Dutts Zukunft entscheidet. Selbiger hat nämlich bei seinem jüngsten Auftritt im SWR bereits betont: "Ich glaube eher, dass ich nicht zurücktrete." Dutt will kämpfen - und das trotz immer größer werdender Widerstände innerhalb des eigenen Klubs. Bei vielen Fans gilt der Sportvorstand wegen der schwachen Kaderzusammenstellung, vor allem in der Defensive, als größter Sündenbock.
Im Januar, so berichten die Stuttgarter Nachrichten, hatte Dutt dem Aufsichtsrat ein Konzept vorgelegt: Verbessertes Scouting, bessere Nachwuchsförderung, neue Wege der Kaderplanung. Das wurde überzeugt abgenickt und sollte ab 1. Juli greifen. Warum sollte man das jetzt wieder verwerfen? Und vor allem: Was ist der alternative Weg?
Bei seinem TV-Auftritt war Dutt sich nicht zu schade, einen Teil der Misere auf seine Kappe zu nehmen. Aber eben nur einen Teil. "Eine Entwicklung von vier, fünf Jahren" sei der Weg in die Zweitklassigkeit gewesen, er selbst sei "doch ich erst seit gut einem Jahr dabei".
Während an einigen Ecken im Ländle Schreie nach dem Meistermanager Horst Heldt, der eben seinen Posten auf Schalke räumen musste, laut werden, ist ein Verbleib Dutts gar kein unrealistisches Szenario. Aufsichtsrats-Boss Schäfer: "Die Gremien des VfB Stuttgart werden zeitnah zusammenkommen und gemeinsam über kurzfristig erforderliche Maßnahmen, aber auch über mittel- und langfristig notwendige Veränderungen beraten und anschließend die entsprechenden Entscheidungen treffen."
Wie sieht der Kader für kommendes Jahr aus?
Als "nicht zeitgemäß" bezeichnete Dutt die Kaderplanung nach dem Abstieg und erneuerte so die Kritik, die er bereits im Rahmen seiner legendären Antrittswutrede an der Spielerzusammenstellung beim VfB deutlich gemacht hatte.
Gut für den VfB ist, dass sich das Team nicht komplett neu aufstellen muss. Stuttgart kann mit einem ordentlichen Gerüst aus gestandenen Bundesligaspielern ins Unterhaus gehen. Beispielsweise kündigte Keeper Mitch Langerak bereits seinen Verbleib an, auch Winterneuzugang Kevin Großkreutz wird dem VfB treu bleiben. Der ehemalige Dortmunder kündigte via Twitter an, er werde in der "2. Liga mehr Emotionen zeigen, als der FC Bayern bei der Meisterschaft".
Um den Verbleib von Timo Baumgartl und Lukas Rupp wird der VfB laut Informationen der Stuttgarter Nachrichten kämpfen, offen ist die Zukunft von Georg Niedermeier und Daniel Schwaab. Emiliano Insua könnte wichtiges Geld in die Kassen des VfB spülen, genauso Filip Kostic, von dem man sich bei einem Wechsel - Schalke und mehrere internationale Klubs sollen dran sein - einen zweistelligen Millionenbetrag verspricht.
Als Abgänge fest stehen Daniel Didavi (zum VfL Wolfsburg) und Martin Harnik (wohl zum HSV), auch Timo Werner zieht es wohl zu RB Leipzig. Dafür hat Kapitän Christian Gentner erst vergangene Woche seinen Kontrakt mit viel Symbolik bis 2019 verlängert und wird die Schwaben in der Mission Wiederaufstieg anführen. Ebenso darf die Verlängerung des noch am Kreuzband verletzten Daniel Ginczek bis 2020 als Treuebekenntnis verstanden werden.
Von Serey Die gab es positive Zeichen ob eines Verbleibs, auch Alexandru Maxim und Mart Ristl dürften dem Klub erhalten bleiben und könnten sich in der ersten Mannschaft festsetzen. Jean Zimmer vom 1. FC Kaiserslautern ist als Neuzugang ebenso fest eingeplant wie Boris Tashchy.
Wer beerbt Jürgen Kramny als Chefcoach?
Eine Frage, die ohne eine Klärung der Zukunft von Robin Dutt noch nicht beantwortet werden kann.
Was jedoch festgehalten werden kann: Nicht nur Robin Dutt, auch der ganze Verein soll in der Trainerfrage vor allem zwei Aspekte im Auge haben. Der neue starke Mann an der Linie soll einen regionalen Bezug haben und sich im besten Fall auch in der zweiten Liga auskennen.
VfB-Abstieg: Der Brustring blutet
Das spült Sandhausen-Coach Alois Schwartz und Frank Schmitt vom FC Heidenheim vor die schwäbische Flinte. Letzterer, angeblich Top-Kandidat, hat dem VfB aber einen Korb verpasst, auch aus der Führungsetage des FCH hat man verlauten lassen, dass man sich ein Angebot sparen könne. Schwartz selbst hat sich noch nicht zu den Gerüchten geäußert.
Die Bild brachte jüngst mit Markus Gisdol eine ebenso interessante Option ins Gespräch. Der ehemalige Hoffenheimer ist aktuell vertragslos, wäre sofort verfügbar und vor allem: Von 2005 bis 2007 trainierte Gisdol bereits die U17 des VfB.
Wie realistisch ist der sofortige Wiederaufstieg?
Der Sommer 2016 wird als dunkelstes Kapitel in die Stuttgarter Fußball-Geschichte eingehen. Die Süddeutsche Zeitung formulierte gar den Slogan der Hochdeutschverweigerer aus Schwaben um zu: Wir können alles - außer Fußball.
Das Problem: Jedes Jahr redet man beim VfB davon, wie gut die Mannschaft dieses Jahr ist. Jedes Jahr redet man davon, dass es dieses Jahr garantiert nicht gegen den Abstieg gehen kann, mit der Mannschaft doch nicht, da sollte man ja lieber nach Europa schauen. Das Resultat: Vier Jahre Abstiegskampf mit dem Wort Case in der abgelaufenen Saison als krönendem Abschluss.
Stuttgart kennt die zweite Liga nicht, sieht sich nicht in der zweiten Liga und wird sich an selbige erst gewöhnen müssen. An der Akklimatisierung ist schon so mancher als sicherer Wiederaufsteiger geltende Klub gescheitert. Paderborn muss nach dem Abstieg vor einem Jahren jetzt sogar in Liga drei.
Und dennoch ist er schon wieder da, der Reflex, es zu sagen: Mit Spielern wie Gentner, Ginczek, Die, Großkreutz und Langerak hat der VfB in Liga zwei eigentlich nichts verloren...