BVB - Erkenntnisse nach dem Champions-League-Heimsieg gegen Sporting: Der alte Witsel ist wieder da!

Jochen Tittmar
29. September 202108:34
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Borussia Dortmund hat im zweiten Spiel den zweiten Sieg in der Champions League eingefahren - und nach 53 Tagen mal wieder zu Null gespielt. Die Erkenntnisse zum 1:0-Sieg des BVB gegen Sporting.

BVB-Erkenntnisse: Der alte Axel Witsel ist wieder da!

Es ist durchaus beachtlich, wie das Jahr 2021 für Axel Witsel bislang lief. Im Januar zog er sich in der Bundesliga beim Spiel in Leipzig einen Achillessehnenriss zu - eine der schlimmsten Verletzungen, die sich ein Fußballer einfangen kann. Dennoch reichten ihm rekordverdächtige vier Monate, ehe er bei der EM für Belgien wieder auf dem Feld stand.

Trotz der Belastung bei der Europameisterschaft ging es für den 32-Jährigen nach nur wenig Urlaub direkt wieder im Verein weiter. Witsel stand in allen zehn Pflichtspielen des BVB auf dem Feld, seine 752 Minuten Einsatzzeit bedeuten derzeit den fünftbesten Wert in der Mannschaft.

Dabei waren die Aussichten auf einen Stammplatz rund um den Saisonstart gar nicht so rosig für ihn. Doch Witsel musste aufgrund der sich durch die Saison ziehenden Personalprobleme bei der Borussia in der Innenverteidigung aushelfen. Da sah man ihm an, dass er dort nicht ausgebildet wurde, seine Sache machte er allenfalls solide.

Witsels Problem, das sich auch jetzt weiterhin nicht in Luft aufgelöst hat: Im System von Trainer Marco Rose mit nur einem defensiven Mittelfeldspieler hatte sich Mahmoud Dahoud auf Witsels angestammter Position etabliert. Der Routinier muss sich also strecken, erst recht nach seinen finalen Leistungen unter Lucien Favre, die längst nicht mehr so gut waren wie in seiner Anfangszeit in Dortmund.

Axel Witsel machte gegen Sporting sein bislang bestes Saisonspiel.getty

BVB: Axel Witsel mit den meisten Balleroberungen

Gegen Sporting hat Witsel nun sein mit Abstand bestes Spiel dieser Saison gemacht und auch sein bestes im BVB-Trikot seit längerer Zeit - als alleiniger Sechser. Die Position vor der Abwehr spielte er zuletzt fünf Mal in Folge. Auch das hat mit den zahlreichen Verletzungen bei den Westfalen zu tun, das Team stellt sich Spiel für Spiel beinahe von alleine auf.

Es ist also noch längst nicht entschieden, wer den Großteil der Spielzeit auf der Sechs bekommen wird. Witsels Bewerbungsschreiben gegen die Portugiesen wird Rose sicher nicht übersehen haben. Mit einer Passquote von fast 97 Prozent, nur drei Ballverlusten und zwölf Balleroberungen - den meisten auf dem Feld - war am Dienstagabend wieder der "alte" Witsel zu sehen.

Viel wichtiger für eine gute Perspektive in Roses Fußball war jedoch, dass der Belgier nicht nur seine gewohnte Ruhe und Übersicht am Ball einbrachte. Witsel stach im starken Gegenpressing des BVB aufgrund der bloßen Anzahl seiner Balleroberungen hervor, er agierte aber auch gegen den Ball sehr aktiv und dynamisch, bewies eine gute Antizipation, ging aggressiv zu Werke und war auch in der Luft präsent in den Zweikämpfen.

Mit solchen Leistungen kann Witsel Anspruch auf einen Stammplatz anmelden, zumal seine Qualitäten als Führungsfigur der jungen Mannschaft stets guttun. Auch ihm selbst würden mehr Highlights in seinen Darbietungen helfen, Witsels Vertrag läuft am Saisonende nämlich aus.

BVB-Erkenntnisse: Endlich zu Null dank starkem Gegenpressing

"Dass wir zu Null geblieben sind, war sehr wichtig", sagte ein erleichterter Witsel nach dem Heimsieg. Ganze 53 Tage hat es gedauert, ehe der BVB nach dem 3:0-Erfolg im DFB-Pokal bei Wehen Wiesbaden mal wieder ohne Gegentreffer blieb. In den acht Partien dazwischen klingelte es ganze 16 Mal. Zwei Gegentore pro Partie, das ist nichts anderes als die Bilanz eines Abstiegskandidaten.

Es lag gewiss auch an Sportings nicht besonders druckvollen Offensivbemühungen, dass Dortmund diesen kleinen Erfolg feiern konnte. Doch es war zugleich auffällig, dass die schnelle Rückeroberung der Kugel nach Ballverlust immer besser zu funktionieren scheint.

"Wir hatten ein herausragendes Gegenpressing und haben gut gegen den Ball gearbeitet", lobte Rose nach der Partie und lag mit dieser Einschätzung absolut richtig. Auch Kapitän Marco Reus sah gegen den Ball "eine positive Einstellung".

Es war auch nicht nur der bereits löblich erwähnte Witsel, das gesamte Team schaltete zügig um, sobald der Ball von Sporting abgeluchst wurde. Jude Bellingham kam beispielsweise auf zehn, Thomas Meunier auf sieben Balleroberungen. Der Impuls, sofort nachzusetzen, ist in den Spielern offensichtlich immer besser verankert.

Witsel mit kleinem Seitenhieb auf Ex-BVB-Coach Favre

"Daran arbeiten wir wirklich sehr im Training", sagte Witsel und ließ in Richtung von Ex-Coach Favre tief blicken, als er hinzufügte: "Das ist etwas, was wir in der letzten oder vorletzten Saison nicht hatten. Das bringt nun der Trainer ein und ich finde, das ist richtig. Es ist immer besser, den Ball sofort zurück zu gewinnen, wenn man ihn verloren hat und nicht 40, 50 oder 60 Meter zurück zu rennen. Wir werden von Spiel zu Spiel besser."

Die Fallhöhe ist aber sofort wieder enorm hoch: Am Wochenende gastiert der FC Augsburg in Dortmund, mit nur zwei geschossenen Toren in sechs Begegnungen die ungefährlichste Mannschaft der Bundesliga. Gelingt dem BVB dann allerdings ein weiteres Zu-Null-Spiel, würde das rechtzeitig zur nächsten Länderspielpause gewiss für noch mehr Erleichterung sorgen.

BVB-Erkenntnisse: Dortmund nähert sich dem roten Bereich

Seit BVB-Trainer Rose seinen neuen Verein übernommen hat, muss er mit widrigen Umständen umgehen. In der Vorbereitung fehlten ihm fast durchgängig die Innenverteidiger, so dass man sogar auf Hilfe aus der zweiten Mannschaft angewiesen war.

Dies war und ist aber nicht der einzige Mannschaftsteil, in dem Rose nicht aus dem Vollen schöpfen kann. Beinahe wöchentlich gibt es neue Hiobsbotschaften von verletzten oder angeschlagenen Spielern: Meunier und Julian Brandt infizierten sich mit Covid19, Emre Can - bei dem es mittlerweile wieder gut aussieht - laborierte wie Giovanni Reyna, Nico Schulz und Nachwuchsstürmer Steffen Tigges an einer Muskelverletzung. Thorgan Hazard kommt wie Youssoufa Moukoko aus einer längeren Abwesenheit. Zuletzt fehlten Reus und Erling Haaland, gegen Sporting hat sich Mahmoud Dahoud verletzt.

So kommt es, dass Rose quasi gänzlich ohne Belastungssteuerung durch die bisherige Saison kommen muss. Mit Manuel Akanji hat der BVB einen EM-Fahrer im Kader, der nach wenig Sommerpause und ohne große Vorbereitung jede Minute der zehn Dortmunder Pflichtspiele absolviert hat, ja absolvieren musste.

"Wenn ich sehe, wie viele Kilometer der Manuel schon wieder in den Knochen hat, finde ich das schon grenzwertig", sagte Rose bereits vor ein paar Tagen und fügte mit Blick auf die Nationalspieler an: "Wir müssen alle gemeinsam gucken, dass wir die Spieler nicht überlasten."

BVB-Spieler auf dem Weg in den roten Bereich

Doch nicht nur Akanji, auch Mats Hummels, Raphael Guerreiro, Witsel, Bellingham, Reus oder Meunier würde eine Verschnaufpause guttun. Erst recht, wenn man eben auch die zusätzlichen Belastungen bei den jeweiligen Nationalteams sieht.

Gegen Sporting standen Hazard und Brandt auf dem Feld, die beide gerade wieder genesen waren, bei Reus entschied sich der Einsatz erst am Spieltag. Rose konnte Spielern bislang nur dann Pausen geben, wenn er sie 20 Minuten vor Spielende vom Feld holte. Von einer gesunden Spielfitness sind einige weit entfernt.

Es ist und bleibt weiterhin alles ziemlich auf Kante genäht, der rote Bereich kommt bei einigen Spielern immer näher. "Natürlich versuchen wir, Belastungen sehr weitsichtig zu verteilen. Und wir arbeiten auch präventiv sehr intensiv mit den Spielern, um Verletzungen zu minimieren", sagte Lizenzspielerchef Sebastian Kehl kürzlich den Ruhr Nachrichten. Der Verletzungsmisere beim BVB konnte man damit bislang noch nicht Herr werden.