Balint Bajner profitierte von den Verletzungen von Erik Durm und Marvin Ducksch und landete im vergangenen Herbst bei der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund. Dort überzeugte der Ungar auf Anhieb und durfte als Belohnung mit den Profis ins Winter-Trainingslager reisen. Gegen Eintracht Frankfurt saß Bajner erstmals auf der Bank der ersten Mannschaft und wird durch die Sperren von Robert Lewandowski sowie Julian Schieber zu einer ernsthaften Alternative für das Spiel des BVB bei Borussia Mönchengladbach (So., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER).
Gestatten, Balint Bajner! In etwa das ist das Zeichen, das der Angriffshüne aussendet, als er sich das Leder an der Sechzehnerlinie schnappt. Er blickt kurz hoch und sieht, dass der gegnerische Torhüter zu weit vor der Linie steht.
Was er dann macht, ist eine Vorstellung der besonders eindrücklichen Art: Technisch anspruchsvoll zirkelt Bajner den Ball unter die Latte. Es ist das 3:1 für den BVB im Testspiel gegen den spanischen Drittligisten Albacete. Und es ist die Visitenkarte eines Stürmers, den kaum ein Zuschauer des Vorbereitungskicks in La Manga kennt.
Denn erst seit September 2012 spielt der 22-Jährige in der U-23-Auswahl der Schwarz-Gelben unter Trainer David Wagner.
Einladung ins Profi-Trainingslager
Dass er nur wenige Wochen später schon mit den Profis ins Winter-Trainingslager nach Spanien fahren durfte, kam für den Ungarn überraschend: "Für mich geht dadurch ein Traum in Erfüllung. Ich bin total glücklich, dass ich mitfliegen darf. Ich verspreche, dass ich alles geben und mich von meiner besten Seite präsentieren werde. Ich möchte mich für das Vertrauen bedanken."
Vertrauen, das er im Rahmen des Trainingslagers zurückzahlen konnte. Bajner war engagiert, kniete sich in alle Einheiten rein und deutete nicht zuletzt mit seinem sehenswerten Treffer gegen Albacete sein Potenzial an.
Der 1,95-Meter-Mann scheint seine große Chance zu wittern - nicht zum ersten Mal in seiner Karriere, wie ein Blick auf seine Vita verrät. Dort finden sich nämlich verschiedene Stationen in Ungarn, in Rumäniens zweiter Liga, in Englands Academy-Klasse, bis hinunter zu Italiens sechster Spielklasse. Gesehen hat Bajner in kurzer Zeit also schon eine ganze Menge. Doch nirgendwo konnte er sich nachhaltig durchsetzen.
Erfolgloses Probetraining in Rostock
Auch in Deutschland hatte es der Angreifer schon einmal versucht: Im Sommer 2011 spielte er beim FC Hansa Rostock vor, nach einigen Probetrainings konnte man sich jedoch nicht auf ein Engagement einigen.
Als der Ungar im September 2012 nach seiner Vertragsauflösung bei Bodajk FC Siofok wieder einmal vereinslos war, machte ein Spielerberater den BVB auf das Talent aufmerksam.
Die zweite Mannschaft der Borussia, gerade in die 3. Liga aufgestiegen, wurde von den verletzungsbedingten Ausfällen der beiden Stürmer Erik Durm (Sprunggelenksverletzung) und Marvin Ducksch (Mittelfußbruch) schwer gebeutelt.
Kein Wunder also, dass Dortmunds Nachwuchs-Koordinator Lars Ricken beim angebotenen Bajner genauer hinschauen wollte, wie er gegenüber SPOX verrät: "Da wir Verletzungsprobleme und somit Bedarf auf dieser Position hatten, haben wir Balint zum Probetraining eingeladen. Da hat er uns gut gefallen."
Zudem habe Bajner als Spielertyp ins Anforderungsprofil der zweiten Mannschaft gepasst: "Ein langer Kerl, der Bälle halten und den man auch einmal mit einer Flanke von außen bedienen kann. Der Transfer hat für beide Seiten Sinn gemacht", so Ricken weiter.
Punkteausbeute mit Bajner besser
Tatsächlich fügte sich der 22-Jährige auf Anhieb gut in die Mannschaft von David Wagner ein. In seinen ersten acht Partien erzielte Bajner vier Treffer und trug dazu bei, dass das Team im Kampf um den Klassenerhalt nicht noch tiefer ins Schlamassel stürzte.
Wagner ist daher voll des Lobes und sieht Bajner "zweifelsohne" als Stürmer Nummer eins: "Er ist ein hoch talentierter Spieler mit einer guten Quote und wir sind froh, ihn im Herbst verpflichtet zu haben. Balint ist derjenige, den wir weiter fördern und fordern wollen."
Den Grund liefert die Statistik: In der ersten Saisonphase ohne die Nummer 12 holte der BVB II im Schnitt 0,6 Punkte pro Spiel - mit Bajner schnellte die Quote um rund einen Zähler nach oben. Zur Belohnung gab's die Vertragsverlängerung bis 2014.
Kein Mann der großen Worte
Aus der Vereinslosigkeit zum Leistungsträger in der 3. Liga und zur Alternative bei Jürgen Klopp - innerhalb kürzester Zeit vollzog Bajner einen enorm wichtigen Karriereschritt. Auch das Selbstbewusstsein ist wieder da: "Ich hatte darauf gehofft. Ich denke, ich habe bislang gute Arbeit abgeliefert. Ich muss mich bei allen hier bedanken, vor allem bei David Wagner. Die Unterstützung, die ich von allen bekomme, ist grandios."
Ein Lautsprecher ist der Ungar dennoch nicht: "Obwohl er eine solch enorme körperliche Präsenz mitbringt, kommt er privat eher schüchtern daher", beschreibt Ricken den Angreifer, um dann einen eindrucksvollen Vergleich anzuführen: "Er ist ähnlich wie damals Jan Koller kein Mann der großen Worte."
Vielleicht wird Bajner, der fleißig Deutsch lernt, bald auch einmal vor einer größeren Öffentlichkeit parlieren dürfen. Durch die Sperren von Robert Lewandowski und Julian Schieber ist Bajner der einzig verbliebene Stürmer, der den Profis derzeit zur Verfügung steht.
Bajners Traum von der Bundesliga
Ob dies gleichbedeutend mit einem Einsatz am kommenden Samstag bei Borussia Mönchengladbach ist, wird Klopp noch zu beantworten wissen. Ricken jedenfalls traut ihm den Sprung zu: "Er könnte durchaus einmal in der Bundesliga auftauchen - ob bei uns oder woanders ist derzeit aber noch nicht zu beurteilen."
Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch höher, dass Klopp bei den Fohlen auf Marco Reus oder Mario Götze in vorderster Front setzt. Bajner ist der Platz auf der Bank jedenfalls erneut sicher - zum Leidwesen der zweiten Mannschaft, die derzeit auf dem letzten Tabellenplatz der 3. Liga steht und Bajners Präsenz dringender denn je benötigt.
Spätestens wenn Lewandowski beim Derby auf Schalke wieder spielberechtigt ist, dürfte Bajner auf seinen Platz in Wagners Truppe zurückkehren.
"Es ist mein Traum, für den BVB in der Bundesliga zu spielen", sagt der Ungar. Ob er sich schneller erfüllt als gedacht, wird man in den nächsten Wochen sehen. Immerhin liegt die Visitenkarte, die er mit seinem Traumtor gegen Albacete abgegeben hat, längst auf Klopps Schreibtisch.
Balint Bajner im Steckbrief