WrestleMania 38 - Ex-WWE-Star Axel Tischer alias Alexander Wolfe im Interview: "Die WWE macht kein Wrestling"

Von Tim Ursinus
Ex-WWE-Star Axel Tischer in Aktion.
© Axel Tischer
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Im April 2018 wechselten Sie mit Ihrer Gruppierung in die Main-Shows zu Smackdown. Allerdings war SAnItY nie ein großer Teil der TV-Übertragungen. Erzählen Sie.

Tischer: Es war bescheiden, dass sie uns aufgesplittet haben. Wir waren zu viert, Nikki Cross ist aber bei NXT geblieben. Wer auch immer diese Entscheidung getroffen hat, das war fatal. Im Nachhinein war der Aufstieg zu früh. Wir hätten noch ein, zwei Jahre bei NXT bleiben sollen. Das hat man bei Nikki gesehen. Sie hatte viel mehr Zeit, den Leuten ihre Persona näherzubringen. Wir wurden nicht aufgebaut.

Und finanziell gesehen?

Tischer: Ich habe einen besseren Vertrag und mehr Geld bekommen. Pünktlich, auch während der Pandemie. Da saß ich sechs Monate zu Hause rum und hätte entlassen werden können. Stattdessen wurde ich fürstlich bezahlt. Das nützt am Ende jedoch nichts, wenn du nur alle drei Monate im Fernsehen zu sehen bist - und das als Schießbudenfigur. Bei NXT hätten wir mehr Aufbau für unsere Charakter bekommen und noch mehr gute Matches bestreiten können. Schade drum, aber das lässt sich auch nicht mehr ändern.

Axel Tischer: "Hatte keine Lust, entlassen zu werden"

Das muss Sie doch gestört haben. Haben Sie sich nicht beschwert?

Tischer: Klar, wir haben uns untereinander ausgekotzt. Es gab einige, die Stress mit der WWE hatten. Ich aber nie. Prinzipiell sollten man sich nie beschweren, da stößt man auf taube Ohren. Das gehört zum professionellen Wrestling dazu. Dem Promoter zu sagen, dass die Idee schlecht ist, ist schwierig. Da ist ein Konflikt programmiert. Wir haben die Gelegenheit mehrfach genutzt, konstruktive Kritik zu üben. Wirklich Anklang gefunden haben wir aber nicht. Das war vergebene Mühe. Im Nachhinein weiß ich, wie die Dinge da laufen. Die Erfahrung musste ich machen. Jetzt bringt mir das zwar aktuell nichts, aber ich bin lieber weise als ewig unwissend zu sein. Meine heutige Persönlichkeit hätte damals ganz anders geredet. Natürlich hatte ich den großen Traum von der WWE, das habe ich früher als Kind geschaut und auf der PlayStation gespielt. Dann wird dieser wahr und platzt kurze Zeit später. Ich war enttäuscht und wollte am liebsten die Welt brennen sehen, aber das gehört mit dazu. Im Vertrag steht eben nicht drin, wie oft du eingesetzt wirst. Es ist nichts garantiert, zum Beispiel eine Championship ist immer extra.

Welche Schuld haben Sie, dass die große Karriere in der WWE ausgeblieben ist?

Tischer: Ich hätte mehr machen können, fitter sein. Ich versuche, mir immer an die eigene Nase zu fassen, weil Schuldzuweisungen so einfach sind. Wenn ich mit dem Finger auf jemanden zeige, zeigen mindestens drei auf mich. So handhabe ich das schon immer. In der WWE hast du ein großes Recht und das ist, Nein zu sagen. So lange man antritt und zu allem Ja sagt, darfst du dich nicht beschweren. Die meisten Sachen habe ich nicht angesprochen, da war ich zu feige. Ich hatte keine Lust, entlassen zu werden oder das schwarze Schaf zu sein. Das Booking war auf mich bezogen beschissen, weil es nicht zu meinen Gunsten war. Aber allgemein gesehen hat die WWE Geld gemacht und Einschaltquoten bekommen. Es geht ums Geschäft und nicht um persönliche Angelegenheiten. Bis auf ein paar Ausnahmen ist da auch keiner miteinander befreundet. Ich als popeliger Angestellter werde von einer Firma bezahlt und nicht von einer Person.

Axel Tischer liebt das technische Wrestling.
© Axel Tischer
Axel Tischer liebt das technische Wrestling.

Axel Tischer: "Da wussten wir, dass unsere Karriere tot ist"

An welchem Punkt haben Sie gemerkt, dass Sie nie wirklich ein Teil der Main-Shows werden?

Tischer: Irgendwann war es so, dass wir drei nicht mehr die Chaos-Psychos waren, denen man in der Nacht nicht auf der Straße begegnen wollte, sondern zu dritt gegen einen verloren haben. In weniger als fünf Minuten. Das war gegen The Miz. Nichts gegen ihn, er ist ein super Entertainer, aber keiner, der dich vermöbelt. Er ist mehr ein schleimiger Schauspiel-Heel. Da wussten wir, dass unsere Karriere tot ist. Ganz nach dem Motto: "Mit denen müssen wir ja etwas machen". Wir waren wieder Kanonenfutter.

Wurden Ihnen falsche Versprechungen gemacht?

Tischer: Das gab es mit dem Wechsel in das Main-Roster genug. Bei NXT war das noch nicht so in diesem Ausmaß. So wirst du bei Laune gehalten. Uns wurde das Blaue vom Himmel versprochen und das haben wir geglaubt. Ich wäre gern beim Royal Rumble und WrestleMania aufgetreten, das hat aber nicht geklappt. Das wäre zum einen wegen des Prestiges und zum anderen wegen der fürstlichen Prämie, die es bei Großveranstaltungen gibt, schön gewesen. Wir hatten die Idee, beim Match zwischen Shane McMahon und The Miz bei WrestleMania 35 einzugreifen. Die beiden fanden den Pitch cool. Wir waren schon vor Ort in New York. Noch bevor wir ins Hotel einchecken durften, sollten wir für Proben ins Stadion nach New Jersey kommen. Auf dem Weg dahin hieß es dann: "Ne, fahrt zurück zum Hotel, hat sich erledigt." Ich weiß nicht, ob da was geleaked wurde. Ein Grund wurde uns nie genannt. Wir hatten noch die Hoffnung, dass wir bei der "Andre the Giant Battle Royal", an der jeder andere teilgenommen hat, dabei sind. Da standen wir nicht auf der Card drauf, was eine riesige Enttäuschung und ein Tritt in die Eier war. Da war ich wirklich am Ende und dachte mir: "Fuck it, das wird hier nichts mehr." Der Stein kam nicht mehr ins Rollen danach.

2019 wechselten Sie zu NXT UK (britische Auskopplung; Anm. d. Red.) und gründeten mit ihrem Landsmann Marcel Barthel, dem Österreicher Walter und Fabian Aichner das Stable Imperium. Die richtige Entscheidung?

Tischer: Das war die Rettung meiner Karriere. Schon kurz nach WrestleMania haben wir sehr lange mit Triple H geredet, dass wir gerne zu NXT zurückkehren würden und auch in Großbritannien etwas aufbauen wollen. Noch heute pendeln einige Stars zwischen den beiden Shows. Wir dachten, uns wird der Wunsch erfüllt. Stattdessen wurden wir aufgesplittet. Triple H wollte nicht, dass wir versauern und nur im Catering rumsitzen. Mein Partner Eric Young wurde zu Raw geschickt und ich bin zu NXT UK. Der Plan, der wegen der Pandemie nicht aufgegangen ist, war, dass ich mit Imperium UK unsicher mache und es irgendwann eine Reunion mit SAnitY bei NXT gibt. Der erste Grundstein wurde 2020 gelegt, zu der Zeit als Finn Balor bei NXT war. Eric Young wurde aber im Zuge der ersten Entlassungswelle durch Corona rausgeschmissen und die Pläne waren Geschichte. An Imperium war cool, dass ich wieder mit meinen Jungs aus dem deutschen Wrestling-Zirkus zusammenarbeiten durfte. Backstage war ich mit Walter (inzwischen Gunther; Anm. d. Red.) und Marcel schon zu wXw-Zeiten eine Clique. So habe ich wieder zum Wrestling zurückgefunden. Es war aber immer der Plan, dass ich mich von denen abkapsele, was später ja passiert ist. Wenn auch auf eine andere Art und Weise. (lacht)

Axel Tischer macht einen "German Suplex".
© Axel Tischer
Axel Tischer macht einen "German Suplex".

Axel Tischer: "Ein Tag danach kam es zur Entlassung"

Inwiefern?

Tischer: Ich sollte mit Killian Dain SAnitY, ohne Eric Young, wiederbeleben und wurde in der Story aus Imperium rausgekickt, damit wir gegeneinander antreten können. Allerdings kam es nur einen Tag danach zur Entlassung, weil mein Vertrag nicht verlängert wurde.

Wie sehr hat Sie das überrascht?

Tischer: Ich hatte mich sicher gefühlt, weil ich im TV in einer angehenden Storyline war. Leider zu sicher. Das war dann schon eine bittere Pille. Man hat es in den letzten Entlassungswellen gesehen, dass niemand sicher ist. Ich war aber schlau genug, dass ich einen Plan B hatte.

Und zwar?

Tischer: Ich hatte mehrere Vorkehrungen getroffen, falls der Tag X kommt und meine Zeit vorbei ist. Da ich nur per Visum in Amerika war, musste ich in einer gewissen Zeit das Land verlassen. Damit ich dann nicht mit gepackten Sachen in Deutschland ankomme und nichts habe, außer Profi-Wrestler zu sein - das interessiert in Deutschland niemanden. Ich hatte schon eine Wohnung eingerichtet. Ich war quasi sofort im gemachten Nest und konnte direkt produktiv werden. Ich habe auch mehrere Kontakte geknüpft, damit ich direkt wieder arbeiten kann. Wer rastet, der rostet. Ich wollte einen flüssigen Übergang in die europäische Wrestling-Szene. Und das ist mir gut gelungen.

Nun sind Sie regelmäßig auf Europa-Tour und wieder unter Ihrem Geburtsnamen Axel "Axeman" Tischer aktiv. Fiel der Umstieg schwer?

Tischer: Ich bin freier Independent-Wrestler. Ich bin mein eigener Boss und bekomme Anfragen, die ich annehme oder ablehne. So kann ich am besten performen.

Ist eine Rückkehr in die USA denkbar?

Tischer: Sag niemals nie. Ich habe dort sechs Jahre gelebt und die Zeit genossen. Jedes Mal, wenn mir die Sonne ins Gesicht scheint, vermisse ich Florida. Es ist aber ein enormes Risiko. Bei der WWE kannst du jederzeit entlassen werden. Du hast zwar einen Dreijahresvertrag und dir wird eine Summe X pro Jahr garantiert, aber wenn du nach einem halben Jahr entlassen wirst, bekommst du die restlichen zweieinhalb Jahre nicht bezahlt. Dann musst du wieder auswandern. Davon habe ich die Schnauze voll. Das will ich nicht nur mir, sondern auch meiner Familie nicht mehr antun. Eine Rückkehr ist definitiv machbar. Aber nur noch temporär, für eine Woche oder einen Monat ist das noch erträglich. Da mein Sohn in den USA geboren ist, bekomme ich eine Staatsbürgerschaft, wenn er 18 ist. Davor bräuchte ich aber wieder ein Arbeitsvisum. Da müsste stand jetzt ein Vertrag mit ganz viel Geld auf den Tisch gelegt werden. Wir sind glücklich in der Heimat.

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