WrestleMania 38 - Ex-WWE-Star Axel Tischer alias Alexander Wolfe im Interview: "Die WWE macht kein Wrestling"

Von Tim Ursinus
Ex-WWE-Star Axel Tischer in Aktion.
© Axel Tischer
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Shawn Michaels widersprach Vince McMahon

Mit wem durften Sie bei der WWE zusammenarbeiten?

Tischer: An erster Stelle ist Shawn Michaels zu nennen. Er hat mir am meisten beigebracht. Er hat mir geholfen, mich selbst zu finden. Mich ermutigt, Dinge zu probieren und beigebracht, auch mal zu versagen. Das Argumentieren und Dinge anzusprechen, ohne jemandem auf den Schlips zu treten. Er wusste, wie man die besten Reaktionen auf Moves bekommt. Ich erinnere mich, dass sich Vince McMahon (WWE-Boss; Anm. d. Red.) gewünscht hat, dass ich den German Suplex nicht mehr zeigen soll, weil der Brock Lesnar vorbehalten sei. Shawn hat gesagt: "Mach es trotzdem - und wer was dagegen hat, soll zu mir kommen". Auch Fil Finlay und William Regal, die im europäischen Wrestling viele Spuren hinterlassen haben, haben mir sehr bei meinem Wrestling-Stil geholfen. Die Liste der Coaches ist lang. Terry Taylor, Robbie Brookside, Scottie 2 Hottie und NXT-Cheftrainer Matt Bloom nicht zu vergessen.

Sie landeten unter dem Alias Alexander Wolfe 2015 bei der WWE. Wie kam die Liga damals auf Sie zu?

Tischer: Ich wurde vom deutschen Kommentator Sebastian Hackl angeschrieben. Er hat mir gesagt, dass die WWE auf Europatour ist und nach internationalen Talenten sucht. Ich habe ihm Material von mir und meine Biografie geschickt und irgendwann hatte ich eine Mail von der WWE im Postfach. Die haben mich im Mai 2014 nach London in die O2-Arena eingeladen. Ich habe zwei Tage lang an Tryouts teilgenommen. Die rund 30 Teilnehmer haben sich voll reingehauen und mein Bestes war offenbar genug.

Wie lange dauerte es noch bis zur Zusage?

Tischer: Eigentlich hätte man kurz danach Bescheid bekommen, das war bei mir aber nicht der Fall. Mir wurde gesagt: "Super, vielen Dank, dass du hier warst. Wir melden uns bei dir." Das ist so eine Standardaussage. Es geht nicht darum, wer der beste Wrestler ist. Sondern was die WWE in diesem Moment sucht. Wenn du genau in das gesuchte Profil passt, brauchst du nicht viel machen. Da kannst du auch grottenschlecht sein. Das weiß ich jetzt, damals aber nicht. Deshalb hatte ich nicht das beste Gefühl und dachte, dass ich nicht gut genug war. Ich habe sowieso nie damit gerechnet, dass die mich unter Vertrag nehmen, weil ich damals optisch nicht so in das Bild reingepasst habe. Als ich im Juni 2014 den Anruf bekommen habe, hat mich das umso mehr gefreut.

Axel Tischer verteilt einen Kick.
© Axel Tischer
Axel Tischer verteilt einen Kick.

Axel Tischer: "Ich war hübsches Kanonenfutter"

Im Juli 2015 feierten Sie Ihr Debüt. Das muss doch ein wahnsinniges Gefühl gewesen sein.

Tischer: Aufregung war da nicht, es war mehr eine Befreiung. Es hat einfach zu lange gedauert, weil man als Neuling damals einen Monat nicht in den Ring durfte. Warum auch immer. Das ist vielleicht verständlich bei Leuten, die noch nie was mit Wrestling am Hut hatten. Aber ich war ja schon ein eingesessener Wrestler, der jede Woche mindestens einmal im Ring stand. Das war eine Qual für mich. Wenn man nicht wie zuvor regelmäßig im Ring steht, tut einem der Körper weh. Der Körper ist vom Sport abhängig. Das war für mich das Schlimmste, mega-langweilig und sehr frustrierend. Als der Kampf stand, war die Freude riesig. Es ging gleich gegen Samoa Joe, den ich immer gerne im Fernsehen angeschaut habe. Auch wenn es ein "Get-Over-Match" war. Ich war also instruiert, den anderen gut aussehen zu lassen. Ich war hübsches Kanonenfutter.

Hat Sie das nicht gestört?

Tischer: Zu Beginn war ich nur Kanonenfutter, zwei Minuten und ich war weg. Das sind Matches, die man mitmacht. Ich wollte Vertrauen zu denjenigen aufbauen, die dir auch mal mehr geben können. Es sind Matches, die einem nichts bringen. Außer zu zeigen, dass kein Ego vorhanden ist und das gewünschte Produkt gut rübergebracht wird. So lernst du, im System zu arbeiten und gewinnst Vertrauen. Das ist der Unterschied zum Independent-Wrestling, wo du machen kannst, was du willst. Das war eine wichtige Erfahrung. Auch die vielen Einsätze in den Houseshows (nicht im TV ausgestrahlte Events; Anm. d. Red.) haben mich nicht gestört. Ganz im Gegenteil, die sind cool und haben Spaß gemacht. Da kannst du dich ein bisschen wiederfinden und vieles ausprobieren. In der WWE habe ich Wrestling nochmal neu erlernt.

Inwiefern?

Tischer: Ich habe Sachen und Techniken gelernt, mit denen ich mich trotz der vielen Wrestler-Jahre nie beschäftigt habe. Das kannst du nicht nur den Leuten in den Live-Shows zeigen, sondern auch denen, die im Hintergrund arbeiten. Die bringen dich schließlich weiter und schreiben das in ihren Report, der nach jedem Match geschrieben wird und bis zum obersten Tier gereicht wird. Dort steht, was gut ankam und funktioniert hat und was nicht. Zum Beispiel, ob die Leute jubeln, wenn du rauskommst oder wie der Finishing-Move durchgeführt wurde und angekommen ist. So lässt sich das Match von Producer XY bis Vince McMahon in zwei Minuten durchlesen. Nur so kann zukünftig geplant werden. Deshalb waren auch die Houseshows so wichtig. Die waren eine weitere Wiederholung, an meinem Handwerk zu arbeiten.

Axel Tischer: "Triple H wünschte sich eine Psycho-Truppe"

Rund ein Jahr nach Ihrer Ankunft bildeten Sie das Team SAnitY mit Sawyer Fulton, Eric Young und Nikki Cross sowie Killian Dain und feierten erste Erfolge. Wie fanden Sie die Idee?

Tischer: Sehr gut, die kam von Triple H. Uns wurde gesagt, dass er sich eine Truppe wünscht, die an die Psychos aus dem Film "Smokin Aces" erinnert. Das waren solche Skinheads, die alles und jeden zerstören wollten. Die Rolle hat uns allen gefallen und wir haben uns dieser mit der eigenen Würze angepasst.

Ihre Gruppierung kam sofort an.

Tischer: Die Fans waren voll dabei, der Andrang war gut. Es wurde von Mal zu Mal mehr. Wir haben so einige Sachen abgeräumt. Wir wurden Tag Team of The Year und waren Teil der Promotion für das damalige Videospiel.

Der WWE-Titel 2017 war die logische Konsequenz. Das war zuvor noch keinem Wrestler aus Deutschland gelungen. Was war das für ein Gefühl?

Tischer: Klar, das war ein cooler Moment bei NXT Takeover in Brooklyn. Das werde ich nie vergessen. Ich habe nicht realisiert, dass ich der erste deutsche WWE-Champion bin. Davon kann ich mir aber nicht allzu viel kaufen. Ich bin keiner, der sich auf die Schulter klopft und dachte nicht, dass ich es jetzt geschafft habe. Einen Namen habe ich mir zwar gemacht. Aber wer denkt, dass man jemand ist, hört auf, jemand zu sein. Die Arbeit ging damit erst so richtig los, weil du die Liga repräsentierst. Ich habe noch mehr gearbeitet, weil ich ein würdiger Champion sein wollte. Irgendwann verlierst du den Titel eh wieder.

Das war ein paar Monate später, ohne dass Sie beim entscheidenden Match mitgewirkt haben. Fühlt man sich da nicht hintergangen?

Tischer: Ich habe den Titel nie verloren, es ging aber nicht anders. Ich habe einen durch zwei Tische gehauen und habe mir dabei einen riesengroßen Cut am Kopf geholt. Ich habe geblutet wie ein Schwein, aufgrund des Adrenalins hatte ich aber keine Schmerzen. Es konnte eine kleine Gehirnerschütterung festgestellt werden und da ist die WWE sehr vorsichtig. Nach einer Kopfverletzung muss jeder einen Reaktionstest machen, der mit Gehirnjogging zu vergleichen ist. Den habe ich nicht bestanden. Da ist die WWE sehr vernünftig und schickt dich auf die Ersatzbank. Sie haben meiner Karriere wahrscheinlich noch fünf weitere Jahre verschafft. Das war aber das Gute an der Konstellation. Wenn einer mal nicht konnte, wurde ein anderer reingestellt.

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