Eine Szenerie wie bei einem Grand-Slam-Finale

Maria Sharapova
© Jürgen Hasenkopf

Maria Sharapova ist zurück auf der WTA-Tour. Beim Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart gelang der 30-jährigen Russen ein Einstand nach Maß.

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Es war kurz vor zehn Uhr abends am Mittwoch, als Markus Günthardt einen leicht ungläubigen Blick auf die Szenerie in seinem Medienzentrum warf. Was der Turnierdirektor des Stuttgarter Porsche Tennis Grand Prix da sah, erinnerte an die Momente nach einem Grand-Slam-Finale - die vollbesetzten Interviewplätze, die Armada von Kamerateams und Fotografen, die nervöse, fiebrige Spannung beim Warten auf die Hauptperson. "Wir sind auch hier ausverkauft", scherzte Günthardt ein paar Sekunden, bevor Maria Sharapova, ganz in Schwarz gedresst, den Raum betrat. Keine Turniersiegerin, keine strahlende Pokalheldin erschien. Aber auch ganz und gar keine gewöhnliche Erstrundensiegerin.

Als ob sie nicht weggewesen wäre

"Es ist ein großer Glücksmoment, zurück zu sein", sagte Sharapova dann im ersten Blitzlichtgewitter der Bildermacher, "der Tennisplatz da draußen, das ist meine Welt. Seit ich ein kleines Kind bin." Und was kann man nun von diesem Auftritt des gefallenen Superstars, von diesem Debüt nach abgesessener Dopingsperre halten? Vielleicht das Beste aus Sharapovas Sicht ist die Tatsache, dass sich das größte Spektakel bloß rund um dieses "Comeback des Jahres" entfaltete, vorher, nachher, bei jenem Trubel und Ballyhoo, das kurz vor dem Auftaktmatch gegen die Italienerin Roberta Vinci noch einmal einen letzten Höhepunkt mit den Schlagzeilen ums Geheimtraining beim Tennisclub im beschaulichen Sillenbuch entfaltete.

Auf dem Centre Court aber, beim grundsoliden 7:5, 6:3-Erfolg gegen Vinci, wirkte Sharapovas Performance so, als wäre die Zeit eingefroren gewesen. Da war viel Selbstverständlichkeit, Routine im Spiel, alte, eingeschliffene Prozesse liefen ab. "Man hat nicht gemerkt, dass da jemand spielte, der keine Matchpraxis hat, der 15 Monate aus dem Geschäft war", sagte Ehrengast Tracy Austin, die erste Turniergewinnerin im Jahr 1978. Sharapova zeigte, was sie schon immer stark gemacht hat, die knallharten Returns und Grundschläge, mehr aber noch die unheimliche Intensität als Wettkämpferin. Die Attitüde, um jeden einzelnen Punkt mit höchster Leidenschaft kämpfen zu wollen.

"Das ist das beste Gefühl der Welt"

Als man sie im Januar 2016 der unerlaubten Einnahme des Mittels Meldonium überführte und schließlich für eineinviertel Jahre sperrte, hatte Sharapova erst einmal Distanz zwischen sich und das Tennisgeschäft gelegt. Sie führte ein "ganz normales Leben", ohne den sonstigen Turnier- und Trainingsstress, sie hörte sich einige Vorlesungen an der Harvard-Universität an, pflegte alte Freundschaften neu. Aber den Thrill eines Centre-Court-Erlebnisses, das Leben als Tennis-Gladiatorin konnte ihr das alles nicht ersetzen, das verriet der wie in Stein gemeißelte Satz, den sie Mittwochabend noch auf in der Porsche-Arena sagte. "Das ist das beste Gefühl der Welt", befand sie über den Moment, als sie herausgeschritten war auf den Spiel-Platz, "ich wusste, was ich all die Zeit vermisst habe." Mit einem "Glücksgefühl" sei sie am Morgen des 26. April schon aufgewacht: "Endlich war das Warten vorbei."

Was Sharapova geblieben ist - ob selbstverständlich oder nicht -, ist die stählerne Nervenkraft, die Kühle und Beherrschtheit in allen Lebenslagen dieses manchmal gnadenlosen Geschäfts. Sie war schon immer umstritten, sie hat nie an irgendwelchen Beliebtheitskonkurrenzen in Spielerkreisen und Spielerlounges teilgenommen, und sie wird jetzt, nach dem Karrierebruch, ja noch kritischer und argwöhnischer beäugt im Tourbetrieb. Aber wie sie sich nun auch bei diesem Comeback behauptete, erst auf dem Centre Court unter den Augen der Stuttgarter Fans und der ganzen Tenniswelt, später dann im Kreuzverhör mit der aufmarschierten Weltpresse, das war bemerkenswert. Sharapova setzte die Big Points im Match, um dann im Pressezentrum noch eine kleine Lehrvorstellung in Sachen Krisenkommunikation abzuhalten. Sie hatte dabei sogar noch Zeit, einen Abgesandten des englischen Skandal- und Schmuddelblattes "The Sun" mit dezenter Ironie als Neuling in Stuttgart zu begrüßen.

Sharapova bleibt ihren Prinzipien treu

Im offiziellen Harmoniewahn des weiblichen Tennisbetriebs war Sharapova immer eine Außenseiterin. Vieles von dem, was über sie gesagt wurde als Dopingsünderin, hatte auch damit zu tun, es steckten immer geheime Abrechnungen aus der Vergangenheit mit drin in den Anklagen. Will und wird sich Sharapova ändern, geht sie nun auf ihre Rivalinnen zu - es war auch ein Thema bei diesem Comeback, in der Stunde der Rückkehr? Die Russin, mittlerweile 30 Jahre alt geworden, ist weit davon entfernt, ihre Prinzipien zu ändern. "Ich spiele Tennis nicht, um Freundschaften zu schließen", sagte sie, "meine einzige Pflicht ist, als Profi eine optimale Leistung zu bieten und den Fans zu zeigen, was ich kann." Eine "lange Reise" habe sie noch vor sich, eine Reise mit vielen Ungewissheiten, sagte Sharapova, "aber mir ist noch nie etwas in den Schoß gefallen. Ich habe mir immer alles hart erarbeitet."

Sharapova dürfte schnell wieder in eine sportliche Machtposition aufsteigen, sie hat den Mumm und die Klasse, um eine mitbestimmende Rolle im Kraftgefüge der Tour einzunehmen - in einer Branche, die nicht gerade schillernde, anziehende Figuren im Übermaß aufbietet. Auf Wildcards, auf Freibriefe von Veranstaltern, wird sie nicht allzu lange angewiesen sein. Noch ist nicht klar, ob sie einen Joker für die French Open erhält, vielleicht endet diese Affäre mit dem Kompromiss einer Wildcard für die Qualifikation. Sharapova lässt das alles im Grunde kalt, auch, was andere pausenlos über sie verbreiten: "Ich bin nur auf mich konzentriert, auf meinen Beruf, auf meine Leistung", sagt sie, "ich bin nicht ärgerlich oder bitter über manche Kommentare. Es interessiert mich einfach nicht."

Der Porsche Tennis Grand Prix im Überblick

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